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Ministerium der Justiz und für Europaangelegenheiten Einzelplan 11

25. Aufgabenwahrnehmung durch die Gerichtshilfestellen Kapitel 11 04

Die Gerichtshilfestellen bei den Staatsanwaltschaften weisen erhebliche Unterschiede in der Stellenausstattung, in den Arbeitsschwerpunkten, in der Arbeitsorganisation und in der Arbeitsbelastung auf. Die Justizverwaltung sollte die Arbeit der Gerichtshilfestellen stärker als bisher mit dem Ziel einer gleichermaßen sachgerechten und zweckmäßigen Aufgabenerledigung steuern.

Die Gerichtshilfe im Erwachsenenstrafrecht wird ­ anders als die Jugendgerichtshilfe, die nach § 38 Jugendgerichtsgesetz (JGG) von den Jugendämtern im Zusammenwirken mit den Vereinigungen für Jugendhilfe wahrgenommen wird ­ gemäß Artikel 294 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) in Verbindung mit der Allgemeinverfügung des damaligen Ministers der Justiz vom 24.5.1976 in Niedersachsen von Gerichtshilfestellen wahrgenommen, die bei den Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten eingerichtet sind. Der LRH hat die Gerichtshilfestellen in Braunschweig, Verden und Oldenburg örtlich geprüft und bei ihnen deutliche Unterschiede in der Wahrnehmung der Aufgaben festgestellt: Aufgaben und Besetzung

Nach § 160 Abs. 3 Strafprozeßordnung (StPO) soll die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen auch auf Umstände erstrecken, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. Dazu kann sie sich der Gerichtshilfe bedienen. Gemäß § 463 d StPO können auch das Gericht oder die Vollstreckungsbehörde im Rahmen der Strafvollstreckung die Gerichtshilfe zur Vorbereitung bestimmter Entscheidungen heranziehen. Hierzu zählen z. B. die Strafaussetzung zur Bewährung und vor allem ihr Widerruf. Eingeschaltet wird die Gerichtshilfe auch in Gnadensachen von den dafür zuständigen Stellen.

Im Zusammenhang mit vorstehenden Aufgaben haben die Gerichtshelfer die Persönlichkeit und das Umfeld erwachsener Beschuldigter und Verurteilter, insbesondere im Hinblick auf die Ursachen und Beweggründe für strafbares Verhalten, sowie die Aussichten, Ansatzpunkte, Einwirkungsmöglichkeiten und Wege für eine künftig geordnete Lebensführung zu erforschen. Sie haben dabei sowohl die zugunsten als auch die zu Lasten des Betroffenen ins Gewicht fallenden Umstände zu berücksichtigen.

Die Gerichtshilfestellen bei den Staatsanwaltschaften sind mit Beamten des gehobenen Sozialdienstes besetzt sowie mit vergleichbaren nach dem BAT beschäftigten Angestellten. Sie unterstehen der Dienstaufsicht des Leitenden Oberstaatsanwalts. Wahlperiode Drucksache 14/750

Nach dieser Übersicht wiesen die Stellenausstattungen der Gerichtshilfestellen bei den niedersächsischen Staatsanwaltschaften, bezogen auf die Zahl der Gerichtseingesessenen, erhebliche Unterschiede auf. Auch die Zahlen der Auftragseingänge pro Gerichtshelfer wichen deutlich voneinander ab, allerdings ohne dass diese Abweichungen mit den Unterschieden in den auf Gerichtseingesessene bezogenen Stellenausstattungen korrespondierten.

Die monatlichen Eingänge pro Gerichtshelfer betrugen im Landesdurchschnitt 22,71

Aufträge. Das entsprach dem Eingang rund eines Auftrags für jeden Bediensteten pro Arbeitstag ohne Rücksicht auf Urlaubs-, Krankheits- und sonstige Ausfalltage.

Nach vorstehender Übersicht betrafen die Aufträge für die Gerichtshelfer in Braunschweig zu fast 75 v. H. Aufträge nach der Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit (Arbeit statt Strafe). Daneben wurden sie noch im Vollstreckungsverfahren (über 16 v. H.) und in Bewährungsverfahren (über 7 v. H.) nennenswert in Anspruch genommen. Mit anderen für die Gerichtshilfe in Betracht kommenden Aufträgen waren sie dagegen praktisch nicht befaßt.

Für die Gerichtshilfestelle in Verden ergab sich ein gegenteiliges Bild. Die Aufgabe „Arbeit statt Strafe" spielte eine nur nebensächliche Rolle (weniger als 4 v. H.). Arbeitsschwerpunkte waren statt dessen Haftentscheidungshilfen (fast 40 v. H.), Bewährungsverfahren (über 18 v. H.), Vollstreckungsverfahren (fast 16 v. H.) sowie Einstellungen nach § 153 a StPO (über 11 v. H.).

Die Gerichtshilfestelle in Oldenburg nahm eine mittlere Position ein. Auch bei ihr lag der Schwerpunkt der Tätigkeit mit fast 50 v. H. der Aufträge eindeutig bei der Aufgabe „Arbeit statt Strafe". Sie erhielt aber auch aus anderen Aufgabenfeldern zahlreiche Aufträge.

Die festgestellten großen Unterschiede in den Arbeitsschwerpunkten dürften von den die Gerichtshilfe einschaltenden Amts- und Staatsanwälten wesentlich mit beeinflußt worden sein. Offensichtlich bestehen auch bei ihnen Unklarheiten darüber, wie diese Einrichtungen im einzelnen eingesetzt werden sollten.

Arbeitsorganisation

Der LRH ist der Frage, mit welchem Zeitaufwand sich die einzelnen Gerichtshelfer den ihnen erteilten Aufträgen widmen, im Rahmen von eingehenden Interviews nachgegangen, die er mit allen in die Erhebungen einbezogenen Gerichtshelfern unter Zuordnung von Arbeitszeiten zu den einzelnen Arbeitsschritten geführt hat. Der so ermittelte Zeitaufwand, wie er sich aus Übersicht 2 ergibt, beruht zwar nur auf geschätzten Werten, die mit Unsicherheiten behaftet sind. Gleichwohl lassen die Ergebnisse den Schluß zu, dass der durchschnittliche Arbeitsaufwand, den die drei geprüften Gerichtshilfestellen in die unterschiedlichen Aufgabenbereiche investierten, stark voneinander abwich. In fast allen Tätigkeitsfeldern lag die Gerichtshilfestelle in Oldenburg mit ihrem jeweiligen durchschnittlichen Arbeitsaufwand an der unteren Grenze, bei einigen lag sie sogar um ein Mehrfaches unter den Werten einer und zum Teil beider anderen Gerichtshilfestellen.

Die Abweichungen dürften u. a. auf unterschiedlichen persönlichen Arbeitsweisen der einzelnen Bediensteten beruhen, wie sie bei Aufgaben der hier vorliegenden Art stets anzutreffen sind und in gewissem Rahmen auch hingenommen werden müssen. Sie können die festgestellten großen Differenzen allein jedoch nicht erklären. Vorwiegend waren sie auf eine unterschiedliche Gestaltung von Arbeitsabläufen zurückzuführen, für die vielfach ein unterschiedliches Verständnis von den Aufgaben der Gerichtshilfe ursächlich zu sein schien.

­ So hat der LRH z. B. in Verden Fälle festgestellt, in denen die Gerichtshelfer mehrere Besuche durchzuführen pflegten, während bei den anderen Gerichtshilfestellen regelmäßig nur ein Besuchstermin stattfand.

­ Die Gerichtshelfer haben bestimmte entscheidungserhebliche Umstände zu erforschen und Zusammenhänge aufzuklären. Die Einleitung sozialer Hilfsmaßnahmen gehört dagegen nach den ausdrücklichen Vorgaben des Ministeriums nur im Falle offenkundiger Notlagen und die soziale Betreuung von Probanden und Familienangehörigen in keinem Fall zu ihren Aufgaben. Nach dem vom LRH vor Ort gewonnenen Eindrücken wurde diese Grenze ­ ausgelöst durch ein anerkennenswertes großes Engagement der Bediensteten für die Betroffenen ­ nicht immer und überall hinreichend eingehalten. So wurde z. B. in Verden zur Haftvermeidung nicht nur versucht, die Wohnungssituation und die Beschäftigungsmöglichkeiten aufzuklären. Vielmehr kam es häufig auch zu umfangreichen Bemühungen, Wohnungen und Arbeitsstellen zu beschaffen.

Arbeitsbelastung

Die unterschiedlichen Arbeitsweisen und die unterschiedliche Handhabung bei der Einleitung sozialer Hilfsmaßnahmen wirkte sich nach den Feststellungen des LRH erheblich auf die Arbeitsbelastung aus: Läßt man die Ungenauigkeiten der aufgrund von Interviews gewonnenen Daten einmal außer Betracht, dann wendeten, wie sich aus Übersicht 2 ergibt, die vier Gerichtshelfer in Braunschweig in dem geprüften Jahr durchschnittlich für die Erledigung von 353 Aufträgen pro Bediensteten ­ ohne Verteilzeiten und Zeiten für Verwaltungsarbeiten ­ rund 82.000 Minuten auf.