Mietwohnungsbau

Entwicklung im Anwendungsbereich des § 69 a NBauO

Mit den Vorschriften des neu eingeführten § 69 a NBauO sind Wohngebäude geringer Höhe mit nicht mehr als zwei Wohnungen sowie Garagen, Stellplätze und Nebenanlagen für diese Wohngebäude genehmigungsfrei gestellt worden. Die grundlegenden Voraussetzungen dafür bestehen darin, dass das Baugrundstück im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegt, der ein Wohngebiet festsetzt, und dass der Bauherr einen Entwurfsverfasser bestellt, der eine in § 58 Abs. 3 NBauO geregelte formelle Qualifikation besitzen und für den Entwurf die Einhaltung des öffentlichen Baurechts bestätigen muss.

Mit der Anwendung des § 69 a NBauO ist die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens auf den Entwurfsverfasser übertragen. Damit wird sowohl beim Entwurfsverfasser als auch beim Bauherrn als Auftraggeber eine entsprechende Akzeptanz für diese Verfahrensweise vorausgesetzt. Dies ist in § 69 a Abs. 8 NBauO mit der von sonstigen Verfahrensregeln im Bauordnungsrecht abweichenden Maßgabe berücksichtigt, dass der Bauherr zwischen dem Baufreigabeverfahren nach § 69 a NBauO und dem Baugenehmigungsverfahren wählen kann. Bei diesen Entscheidungen zeichnet sich nach der Einführung des § 69 a NBauO eine deutliche Entwicklung zu Gunsten des genehmigungsfreien Bauens ab. Diese Quote schwankt zwischen 42 % im Regierungsbezirk Braunschweig und 67 % im Regierungsbezirk Hannover. Dem entspricht ein Anteil der Baumaßnahmen nach § 69 a NBauO an der Gesamtzahl der Baumaßnahmen im Jahre 1998 von 15 %. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der Gewerbebau und der Mietwohnungsbau als baugenehmigungspflichtige Bauvorhaben seit 1997 erhebliche Einbußen verzeichnen, während der für die Anwendung des § 69 a NBauO in Betracht kommende Ein- und Zweifamilienhausbau hohe Zuwächse zu verzeichnen hat.

Berücksichtigung der Baurechtsanforderungen bei Baumaßnahmen nach § 69 a NBauO

Die Bedeutung der Verfahrensregelungen des § 69 a NBauO wird insgesamt von den am Bau Beteiligten noch unzureichend wahrgenommen, in Einzelfällen wird offensichtlicher Missbrauch betrieben. Baumaßnahmen werden unter Berufung auf den § 69 a NBauO, jedoch ohne die erforderliche Mitteilung und ohne Hinzuziehung eines qualifizierten Entwurfsverfassers begonnen und müssen daher untersagt werden.

Von der Architektenkammer wird über eine starke Tendenz bei den Bauherren berichtet, den Entwurfsverfasser nur im nach § 69 a NBauO unabdingbaren Umfang, d. h. bis zur Abgabe der Erklärung, zu beauftragen.

Auch bei Baumaßnahmen, bei denen qualifizierte Bauvorlageberechtigte mitwirken, sind Verfahrensmängel insbesondere auch hinsichtlich der Beteiligung der Gemeinde zur Niedersächsischer Landtag - 14. Wahlperiode Drucksache 14/851

Erklärung einer sicheren Erschließung oder hinsichtlich der Anträge für notwendige Ausnahmen und Befreiungen festzustellen. Es werden Erklärungen zur Übereinstimmung des Entwurfes mit dem öffentlichen Baurecht in Einzelfällen auch dann abgegeben, wenn die Voraussetzungen des § 69 a NBauO offensichtlich nicht vorliegen.

Der Schwerpunkt der festgestellten materiellen Baurechtsverstöße liegt bei Abweichungen von Festsetzungen in Bebauungsplänen (Zahl der Vollgeschosse, Grund- und Geschossflächenzahl, Baugrenzen, Pflanzgebote), von dem erforderlichen Grenzabstand, von Abstandsanforderungen zu Gunsten des Brandschutzes und von örtlichen Bauvorschriften. Aus den Stellungnahmen von Bauaufsichtsbehörden ist zu entnehmen, dass die nachträgliche Anpassung des Bauvorhabens an die bestehenden Anforderungen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit vielfach als nicht durchsetzbar angesehen wird.

Die Häufigkeit von materiellen Baurechtsverstößen bei der Gesamtheit der Baumaßnahmen nach § 69 a NBauO kann nur in etwa anhand der bei örtlichen Überprüfungen getroffenen Feststellungen abgeschätzt werden. Bei diesen Überprüfungen, die bei rund 8 % der Baumaßnahmen (1998: 1 478 Fälle) durchgeführt wurden, hat sich ein vorheriger Verdacht auf Baurechtsverstöße in rund 50 % der Fälle bestätigt. Auf alle Baumaßnahmen nach § 69 a NBauO bezogen ist eine niedrigere, aber dennoch erhebliche Quote anzunehmen. Aufgrund der Erfahrung im jeweiligen Zuständigkeitsbereich wird von den Bauaufsichtsbehörden ausnahmslos ein erhebliches Defizit der Rechtskonformität beim genehmigungsfreien Bauen, auch im Vergleich zu den genehmigungspflichtigen Baumaßnahmen insgesamt eingeräumt.

Aufgaben der Bauaufsichtsbehörden bei Baumaßnahmen nach § 69 a NBauO

Bei Baumaßnahmen nach § 69 a NBauO ist regelmäßig ein Bearbeitungsaufwand für die Prüfung der Vollständigkeit der mit der Mitteilung einzureichenden Unterlagen und Erklärungen erforderlich. Die Bauvorhaben sind von der Bauaufsichtsbehörde anderen Stellen bekannt zu geben. Der Aufwand für diese Bearbeitung ist mit einer Gebühr berücksichtigt, ebenso die Beratung durch die Bauaufsichtsbehörden in Einzelfällen.

Die Nichtbeachtung von Verfahrensregelungen löst Nachforderungen von Unterlagen und Angaben aus; diese Fälle verursachen nach den Feststellungen der Bauaufsichtsbehörden insgesamt einen wesentlich höheren Verwaltungsaufwand als zunächst erwartet.

Nachbareinwendungen und sonstige Anhaltspunkte für Verstöße gegen materielles Baurecht haben in den vergangenen Jahren bei rund 8 % der Baumaßnahmen zu örtlichen Überprüfungen geführt, die einen besonderen Zeitaufwand mit sich bringen.

Über den Aufwand für weitere bauaufsichtliche Maßnahmen auf der Grundlage des § 89

NBauO zur Bereinigung von Baurechtsverstößen und für Ordnungswidrigkeitsverfahren können keine Zahlenangaben gemacht werden.

In Anbetracht der Summe der Aufgaben im Zusammenhang mit den genehmigungsfreien Baumaßnahmen nach § 69 a NBauO wird von den Bauaufsichtsbehörden überwiegend nicht bestätigt, dass eine Entlastung des Aufgabenbereichs eingetreten ist. Vom Niedersächsischen Landkreistag werden die Erfahrungen als weitgehend negativ bewertet.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Kostendeckung bei repressiven bauaufsichtlichen Maßnahmen nicht in gleicher Weise gewährleistet ist wie im Bereich der präventiven Kontrolle und dass bei einer weiteren Verlagerung des Aufgabenschwerpunkts durch Ausweitung des genehmigungsfreien Bauens für die Kostendeckung des Verwaltungsaufwands gesorgt werden muss.

V. Anwendung des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens

Nach der Prüfeinschränkungs-Verordnung (PrüfeVO) vom 6. Juni 1996 (Nds. GVBl. S. 287) ist im Rahmen des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens die Prüfung der Bauvorlagen für bestimmte Gebäude eingeschränkt.

§ 2 PrüfeVO umfasst alle Wohngebäude geringer Höhe unabhängig von der Zahl der Wohnungen, bestimmte sonstige Gebäude ­ die im Umfang etwa freistehenden Wohngebäuden vergleichbar sind ­ und bestimmte landwirtschaftliche Betriebsgebäude. Für diese Gebäude entfällt die Prüfung der bauordnungsrechtlichen Anforderungen mit Ausnahme bestimmter baugrundstücksbezogener Vorschriften. In dieser Gruppe sind unter den Wohngebäuden auch die nach § 69 a NBauO zulässigen mit enthalten. Bei der Entscheidung des Bauherrn nach § 69 a Abs. 8 NBauO für das Baugenehmigungsverfahren ist dieses also nach der PrüfeVO durchzuführen.

Die Gebäude mit Arbeitsstätten bilden eine zweite Gruppe, für die nach § 3 PrüfeVO die Prüfung der Anforderungen nach der Arbeitsstättenverordnung eingeschränkt ist oder bei bestimmten Arbeitsstätten ganz entfällt.

Der Anteil der vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach § 2 PrüfeVO an den Baugenehmigungsverfahren insgesamt ist für 1997 mit rund 50 % (47 160 Fälle) und für 1998 mit rund 51 % (48 630 Fälle) ermittelt worden.

Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren müssen die Entwurfsverfasser, soweit die Prüfung entfällt, eine Erklärung über die Übereinstimmung des Entwurfs mit dem öffentlichen Baurecht, also mit der gleichen Bedeutung wie bei den Baumaßnahmen nach § 69 a NBauO abgeben.

Im Zusammenhang mit diesen Erklärungen und mit der Prüfeinschränkung ergibt sich insoweit ein ähnlicher Aufgabenbereich für die Bauaufsichtsbehörden wie bei den Baumaßnahmen nach § 69 a NBauO. Aufgrund der noch zu prüfenden Bauvorlagen werden jedoch auch baurechtliche Mängel im Bereich der nicht mehr zu prüfenden Anforderungen vielfach offensichtlich und es können entsprechende Hinweise gegeben werden.

Dadurch besteht in größerem Umfang als bei den Baumaßnahmen nach § 69 a NBauO die Möglichkeit, Verstöße gegen materielles Baurecht noch vor der Bauausführung und daher insgesamt mit geringerem Verwaltungsaufwand zu vermeiden.

Aufgrund dieser Erfahrungen haben die Bauaufsichtsbehörden auch für den Aufgabenbereich der vereinfachten Baugenehmigungsverfahren feststellen können, dass materielle Baurechtsanforderungen in erheblichem Umfang nicht beachtet werden und dass die entsprechenden Kenntnisse bei den Bauvorlageberechtigten nicht im erforderlichen Maße vorausgesetzt werden können. Von Gewerbeaufsichtsämtern sind Überprüfungen über die Einhaltung der Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung bei entsprechenden Baumaßnahmen nach dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren durchgeführt worden. Die Ergebnisse bestätigen die Feststellungen der Bauaufsichtsbehörden; es wird auch darauf hingewiesen, dass die Bauvorlageberechtigten im Hinblick auf besondere bauliche Anforderungen nicht ausreichend die Beratung durch die Fachbehörden in Anspruch nehmen.

In der Gesamtbetrachtung der vereinfachten Baugenehmigungsverfahren haben die Bauaufsichtsbehörden teilweise eine spürbare Entlastung feststellen können.

VI. Änderungen bei der Bauvorlageberechtigung

In § 58 Abs. 3 NBauO in der Fassung vom 28. Mai 1996 (Nds. GVBl. S. 252) ist eine formelle Qualifikation der Entwurfsverfasserinnen und Entwurfsverfasser aufgrund der Registrierung in Listen bei den berufsständischen Kammern eingeführt worden. Dies gilt für uneingeschränkt Bauvorlageberechtigte, u. a. auch für Entwurfsverfasser nach § 69 a NBauO. Mit dieser Regelung sind die Bauaufsichtsbehörden insoweit von der Prüfung der Bauvorlageberechtigung im Einzelfall entlastet worden.

Bis zum Jahresende 1998 sind in die Liste bei der Architektenkammer 247 Personen eingetragen, in die Liste bei der Ingenieurkammer 6 451 Personen. Die abgelehnten Anträge auf Eintragung machten nur einen unbedeutenden Anteil von 1 % bis 3 % aus.

Da sich die tatsächlichen Qualifikationsanforderungen für die Bauvorlageberechtigten nicht geändert haben, ist mit der Registrierung eine Erweiterung dieses Personenkreises nicht verbunden.