DNA

Auf welche tatsächlichen Umstände (Prognosekriterien) stützen sich in diesen Fällen die Anträge der Ermittlungsbehörden in der Regel?

24. Welche Dateien, Verzeichnisse und Akten werden zur Gewinnung von Daten über Personen herangezogen, denen nachträglich eine DNA-Materialprobe entnommen werden soll?

25. In wie vielen Fällen haben die Betroffenen die Speichelprobe freiwillig abgegeben, so dass auf eine gerichtliche Anordnung verzichtet wurde?

26. In wie vielen Fällen wurden Anträge bei Gericht auf Anordnung einer Speichelprobe gestellt, in wie vielen Fällen wurde diese verweigert, und in wie vielen Fällen wurde von den Betroffenen gegen die richterliche Anordnung Beschwerde ­ mit welchen Ergebnissen ­ eingelegt?

27. Gibt es insoweit personelle bzw. organisatorische Engpässe bei den ersuchten Gerichten und bei den Staatsanwaltschaften?

28. Wie viele Kriminalakten sollen noch ausgewertet, wie viele Strafgefangene in niedersächsischen Haftanstalten und wie viele bereits entlassene Personen werden schätzungsweise noch rückwirkend erfaßt werden?

29. Auf welche Art und Weise erfolgt bislang die Erfassung der „Altfälle", und erfolgt sie systematisch oder eher sporadisch und „bei Gelegenheit"? 30. Worin besteht die bisherige Rechtsgrundlage für ein systematisches Auffinden von „Altfällen" (aus dem Bundeszentralregister), für die Daten-Übermittlung und den maschinellen Datenabgleich mit den Haftdateien?

31. Welche Prioritäten gelten dabei bezüglich der Straftaten, und ist an eine Ausweitung über Sexualverbrechen, Mord und Totschlag hinaus gedacht, ggf. auf welche Straftatbestände (Erpressung, schwerer Diebstahl, Körperverletzung etc.)? 32. Konnten aufgrund der Altfall-Erfassung bereits Ermittlungserfolge/Identifizierungen erzielt werden, und wenn ja, welche?

33. Wie lässt sich nach Auffassung der Landesregierung die systematische, umfangreiche und langfristige Erfassung von „Altfällen" in der Gen-Datei mit dem Resozialisierungsgebot des Strafvollzugsgesetzes vereinbaren?

Stellen und Kosten für die Bewältigung der Umsetzung

Wie viele Auswertungsgruppen mit wie vielen Personalstellen sind bisher im Landeskriminalamt und bei welchen niedersächsischen Polizeidienststellen gebildet worden?

35. Wie viele zusätzliche Planstellen beim Landeskriminalamt sind erforderlich, um die Erfassung der „Altfälle" und die zügige Einspeisung der Daten in die Gen-Datei zu bewerkstelligen, und welche Kosten werden insgesamt veranschlagt?

36. Wie viele Computer und Labor-Analysegeräte wurden bislang angeschafft, wie viele sollen bis zum Jahr 2000 angeschafft werden, und wie hoch werden die Kosten hierfür veranschlagt?

37. Wann ist mit dem Bericht der Arbeitsgruppe aus den Innen- und Justizressorts der Länder zu rechnen, die sich mit den praktischen Auswirkungen und Problemen der gegenwärtigen Rechtslage beschäftigt?

Die Niedersächsische Landesregierung hat zu dem 14. Bericht über die Tätigkeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz zu der Genomanalyse im Strafverfahren bereits Stellung genommen und die Zulässigkeit von DNA-Massenreihenuntersuchungen auf freiwilliger Basis dargelegt (vgl. hierzu Drs. 14/831 zu Nr. 27.5 und 27.5.2). Hierauf wird verwiesen.

In die seit 16. April 1998 beim Bundeskriminalamt eingerichtete DNA-Analysedatei (DOK-DNA) werden Personendaten, DNA-Identifizierungsmuster, Spuren und Vorgangs-/Verwaltungsdaten von Beschuldigten gespeichert. Die rechtliche Grundlage der Errichtung der DOK-DNA hat die Landesregierung in der o. g. Stellungnahme zu Nr. 27.5.3 dargelegt. Eine Übermittlung der in der DOK-DNA gespeicherten Daten ist aufgrund der Errichtungsanordnung der DNA-Analysedatei ausschließlich zu Zwecken der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr sowie der internationalen Rechtshilfe zulässig.

Die in den §§ 81 a, e und f Strafprozessordnung (StPO) getroffenen Regelungen beinhalten Bestimmungen über Zweck und Umfang der gerichtlich anzuordnenden molekulargenetischen Untersuchung, ein Verbot darüber hinausgehender Feststellungen und Untersuchungen sowie das Gebot der Vernichtung des nicht mehr erforderlichen Spurenmaterials. Bereits hierdurch sind Untersuchungen ausgeschlossen, die etwa den Nachweis von Krankheiten oder bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen zum Ziel haben. So ist sichergestellt, dass die DNA-Analyse im Hinblick auf die Eingriffstiefe der Fingerabdruckdatei „AFIS" entspricht. Tatverdächtige, Straftäterinnen und Straftäter werden in der DNAAnalysedatei daher nicht genetisch erfasst, sondern es wird lediglich ein Identifizierungsmuster in Form eines Strichcodes gespeichert. Auch kann nicht von einer genetischen „Schleierfahndung" gesprochen werden. Die Voraussetzungen für eine Genomanalyse sind in den §§ 81 a, e, f und g StPO und in § 2 DNA-Identitätsfeststellungsgesetz (DNA-IFG) geregelt. Demnach dürfen zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren dem Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere eines Verbrechens, eines Vergehens gegen die sexuelle Selbstbestimmung, einer gefährlichen Körperverletzung, eines Diebstahls in besonders schwerem Fall oder einer Erpressung verdächtig ist, Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNAIdentifizierungsmusters molekulargenetisch untersucht werden, wenn wegen der Art und Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen einer der vorgenannten Straftaten zu führen sind.

Diese Regelung gilt gleichermaßen für rechtskräftig Verurteilte und für Betroffene, die nur wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit, auf Geisteskrankheit beruhender Verhandlungsunfähigkeit oder fehlender oder nicht ausschließbar fehlender Verantwortlichkeit nicht verurteilt worden sind und bei denen die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister oder Erziehungsregister noch nicht getilgt ist.

Die Formulierung „und sonstige Straftaten von erheblicher Bedeutung" kann in diesem Zusammenhang keineswegs als Öffnungsklausel bezeichnet werden. Vielmehr ist der Begriff bereits im Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz (NGefAG) legal definiert (vgl. § 2 Nr. 10 NGefAG). Niedersächsischer Landtag - 14. Wahlperiode Drucksache 14/903

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die 37 Einzelfragen der Kleinen Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Massen-Gentests in den Regionen Cloppenburg/Strücklingen, Wunstorf und Peine:

Zu 1: Ja. Bereits die im Vorfeld der Maßnahmen erfolgten Aufrufe zum Speicheltest über die Medien, Plakate, Vereine pp. sowie die von der Polizei abgegebenen Presseerklärungen legten dezidiert die Inhalte und Verfahrensweise der Reihenuntersuchungen dar. Des Weiteren ergingen mit der schriftlichen Bitte zur freiwilligen Körperzellenentnahme erste Informationen an die Betroffenen.

Vor einer Körperzellenentnahme erläuterten die verantwortlichen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten eingehend die Bedeutung und die Reichweite der Einverständnisse zur Entnahme von Körperzellen (Speichel) und informierten über die Erstellung der DNAIdentifizierungsmuster sowie über die ausschließliche Verwendung in dem betreffenden Verfahren.

Zu 2: In allen Fällen wurde das Einverständnis von den Betroffenen schriftlich erklärt. Belehrungen, die ausführlich über Umfang, Bedeutung und Reichweite der Maßnahme informierten, erfolgten mündlich durch die verantwortlichen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten.

Zu 3: Keine! Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet die Befugnis der oder des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung ihrer oder seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfGE 65,1; BAnz. V. 24. Dezember 1983). Insoweit bedarf es keiner gesetzlichen Grundlage, wodurch wiederum keinerlei gesetzlich vorgesehene verfahrenssichernde Maßnahmen entfallen. Wie bereits ausgeführt sind die Betroffenen über ihre Rechte eingehend belehrt worden.

Zu 4: Cloppenburg/Strücklingen:

Alle Speichelproben wurden zunächst anonymisiert dem Landeskriminalamt Niedersachsen zwecks Untersuchung übersandt. Nach Abschluss der Untersuchungen wurde von allen Unverdächtigen das gesamte Datenmaterial sowie sämtliche Wattetupfer und Extrakte zur sachbearbeitenden Dienststelle gesandt und durch diese auf der Mülldeponie des Landkreises Cloppenburg in Sedelsberg unter staatsanwaltschaftlicher Aufsicht am 21. Oktober 1998 vernichtet.

Peine:

Die entnommenen Speichelproben wurden zwecks Untersuchung der Universität Münster überbracht, wo sie nach Erstellung der DNA-Identifizierungsmuster bis zum heutigen Zeitpunkt asserviert sind. Nach Abschluss des Verfahrens wird der gesamte Datenbestand nebst Proben und Extrakt auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Hildesheim vernichtet.

Wunstorf:

Zu den entnommenen Speichelproben wurden durch das Landeskriminalamt Niedersachsen DNA-Identifizierungsmuster erstellt und mit dem des unbekannten Täters verglichen.

Die aufbereiteten Proben sind Bestandteil des Verfahrens und werden im Anschluss auf staatsanwaltschaftliche Weisung samt vorhandener Daten vernichtet.