Erneuter Schaden für das Land und für das Ansehen des Staatsbades Nenndorf durch den Kurdirektor

Das Staatsbad Nenndorf hat offenbar eine vertragliche Übereinkunft mit dem Verein Hannover 96 über die medizinische Betreuung der ersten Fußballmannschaft des Vereins.

Über die Frage einer Fehlbehandlung eines Spielers durch den Kurdirektor und Arzt Knut Wähling ist es zum Streit zwischen den Vertragspartnern gekommen. Wähling soll eine „Prellung" falsch behandelt haben, so dass der Spieler über fünf Wochen nicht zur Verfügung stand. Die ungewöhnlich lange Behandlungsdauer im Staatsbad Nenndorf (Werbeslogan: „Gesünder mit uns") hat dazu geführt, dass der Verein seinen Spieler in andere ärztliche Behandlung gegen den Willen von Kurdirektor Wähling gab. Daraufhin schrieb der Kurdirektor an Hannover 96: „Deshalb werde ich mich per sofort aus der sportärztlichen Betreuung der Mannschaft während des Trainingsbetriebes und sonstiger Veranstaltungen und Spiele zurückziehen." (Zitiert nach „Bild-Zeitung" 1. Juni 1999)

Inzwischen sieht der Kurdirektor „die Grenzen seiner eigenen Belastbarkeit erreicht" („Schaumburger Nachrichten" 4. Juni 1999). Allein der Wert des zeitlichen Aufwandes von Wähling und Staatsbadtherapeuten betrage rund 20 000 DM im Monat. Zudem stünden Sachleistungen von rund 30 000 DM für Hannover 96 zur Verfügung („GeneralAnzeiger" 3. Juni 1999)

Wir fragen die Landesregierung:

1. Seit wann besteht die vertragliche Übereinkunft zwischen dem Staatsbad Nenndorf und dem Verein Hannover 96 über sportärztliche Betreuung der Fußballmannschaft?

2. Ist es richtig, dass Hannover 96 für die Inanspruchnahme von Leistungen des Staatsbades keinerlei Entgelte entrichten mußte („Geld ist nie geflossen", so Wähling, SN 4. Juni 1999)?

3. a) Treffen die Summen zu, wonach monatlich Dienstleistungen vom Staatsbad in einem Wert von 20 000 DM in Anspruch genommen wurden, zuzüglich von Sachleistungen von rund 30 000 DM, die „zur Verfügung" stünden?

b) Wie hoch ist die Gesamtsumme der Leistungen des Staatsbades für Hannover 96 bislang?

4. Ist es üblich, dass ein Staatsbad des Landes Niedersachsen seine Einrichtungen und Dienstleistungen (Steuergelder) unentgeltlich im Zuge von Sponsoring zur Verfügung stellt?

5. Wie hoch ist der Einnahmeverlust für die öffentliche Hand durch die Tatsache, daß von Hannover 96 keine Entgelte verlangt worden sind?

6. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass das Verhalten von Kurdirektor Wähling in dieser Angelegenheit (Verträge ohne geldliche Gegenleistung, anscheinende Fehldiagnose bei dem Spieler, anschließender Rückzug von der medizinischen Betreuung) Niedersächsischer Landtag - 14. Wahlperiode Drucksache 14/919 den Anforderungen entsprochen hat, die an einen leitenden Angestellten in einem derart sensiblen Umfeld zu stellen sind?

Sinn und Zweck der Kooperation des Staatsbades Nenndorf mit der Lizenzspielermannschaft von Hannover 96 ist, den im Großraum Hannover beliebten Fussballverein als Werbeträger für das im Einzugsgebiet von Hannover liegende Staatsbad Nenndorf zu gewinnen. Es dürfte einen Imagegewinn für das staatsbadeigene Therapiezentrum mit sich bringen, wenn sich Profifußballer dort behandeln lassen. Denn wo sich Spitzensportler behandeln lassen vermutet die Öffentlichkeit zu Recht vorhandene Fachkompetenz. Die so publizierte medizinische und therapeutische Kompetenz soll dem defizitären Bad Nenndorfer Therapiezentrum nach den schwerwiegenden Umsatzeinbrüchen durch die Gesundheitsreform neue Patientenkreise erschließen.

Zur Frage, ob durch Verantwortliche des Staatsbades eine Fehlbehandlung des Spielers

B. vorgenommen wurde, wird auf die unwidersprochene Aussage dieses Spielers in den „Schaumburger Nachrichten" vom 4. Juni 1999 verwiesen; dort bescheinigt der Spieler

B. Herrn Wähling, die richtige Diagnose Muskelfaserriss gestellt zu haben, und lobt dessen Qualifikation als Arzt. Auch der Mannschaftskapitän R. hat dieser Meldung nach die professionelle Arbeit der Mitarbeiter des Staatsbades gelobt.

Angesichts der in diesem Punkt eindeutigen und den Fragestellern bekannten Faktenlage sieht die Landesregierung jedoch die Gefahr, dass Anfragen, die die medizinische Qualifikation der für das Staatsbad Nenndorf tätigen (leitenden) Mitarbeiter in Frage stellen, den Ruf des Staatsbades ohne Not beschädigen.

Es bestehen seitens der Landesregierung keine Zweifel an der grundsätzlichen Vorteilhaftigkeit einer Zusammenarbeit mit Hannover 96. Allerdings ist die Zusammenarbeit mit einer derart im öffentlichen Interesse stehenden „Institution" ­ samt den damit verbundenen Emotionen ­ nicht ohne jedes Risiko. Der Vorgang lag und liegt in der Kompetenz der Geschäftsführung und bedarf nicht der Zustimmung des Aufsichtsrates.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1: Die Kooperationsvereinbarung mit Hannover 96 besteht in mündlicher Absprache seit Februar 1999 und wurde vom Präsidenten von Hannover 96, Herrn Kind, und Herrn Wähling für das Staatsbad Nenndorf zusammen im Rahmen einer Pressekonferenz mitgeteilt. Einen vollständig ausgehandelten und unterzeichneten Kooperationsvertrag gibt es nicht. Es liegt jedoch der Entwurf eines Kooperationsvertrages vor; dieser gibt in Teilen die Leistungen und Gegenleistungen wieder, die von beiden Seiten erbracht wurden.

Der Vertragsentwurf ist aber bisher von keiner Seite unterschrieben worden. Mit Ende der Saison endete vorläufig die praktische Zusammenarbeit. Verhandlungen über eine weitere Zusammenarbeit wurden erst wieder am 15. Juli 1999 zwischen Geschäftsführung und dem Vorstandsvorsitzenden von Hannover 96 aufgenommen. Es wurde verabredet, eine etwaige Zusammenarbeit durch ein von beiden Verhandlungspartnern jeweils zu erstellendes Leistungsangebot vorzubereiten. Im Zusammenhang mit dem o. a. Gespräch hat das Staatsbad seit der 28. Woche einen Masseur abgestellt, um das Vorbereitungstraining fachlich zu begleiten. Im Falle des Nichtzustandekommens des anvisierten Niedersächsischer Landtag - 14. Wahlperiode Drucksache 14/919

Vertrages muss diese Leistung gesondert abgerechnet werden; dies gilt auch für etwaige von Hannover 96 erbrachte Leistungen.

Zu 2: Es trifft zu, dass Hannover 96 für die in Anspruch genommenen Leistungen im Bereich Fitness keine Geldzahlungen zu leisten hatte. Stattdessen sind diverse Werbemaßnahmen für das Staatsbad u. a. im Rahmen der Heimspiele erbracht worden (bspw. Bandenwerbung, Werbung im Bundesligakurier und Logo am Mannschaftsbus). Dagegen wurden die Behandlungen verletzter Spieler wie bei jedem Patienten üblich über Rezept und über die Versicherungen abgewickelt.

Zu 3 a und 3 b:

Die bislang öffentlich genannten Beträge sind überhöht. Der Wert der gegenüber Hannover 96 erbrachten Leistungen wird vom Staatsbad für die Zeit vom 1. Februar bis 30. Juni 1999 mit 45 400 DM angegeben. Darin enthalten sind im Wesentlichen die anteiligen Kosten für einen für Hannover 96 abgestellten Masseur. Darüber hinaus wurden Massagebänke und Therapiegeräte zur Verfügung gestellt, die für insgesamt 15 565 DM angeschafft wurden. Diese befinden sich aber bis auf eine vier Jahre alte Massagebank mit Anschaffungskosten von ca. 2 300 DM zwischenzeitlich wieder im Staatsbad. Die anteiligen Abschreibungsbeträge sind in den 45 400 DM enthalten. Zu diesem Betrag sind zusätzlich von Herrn Wähling und einem Mitarbeiter des MEDIFit in ihrer Freizeit erbrachten Leistungen in Höhe von 21 800 DM anzusetzen, die jedoch die Kosten auf Seiten des Staatsbades nicht erhöhen. Die in Presseberichten genannten Beträge sind auch unter dem Blickwinkel zu bewerten, dass sich das Staatsbad Nenndorf in Verhandlungen mit Hannover 96 über den o. a. Kooperationsvertrag befand.

Zu 4: Es handelt sich nicht um „unentgeltliches Sponsoring", sondern um eine Kooperation, bei der im Sinne eines Leistungsaustausches Werbemaßnahmen durch Hannover 96 (mit den eingangs genannten positiven Folgen für das Staatsbad) gegen die Abgabe der sport-/ physiotherapeutischen Betreuung durch das Staatsbad zu verrechnen sind.

Zu 5: Die Landesregierung geht nicht von einem Einnahmeverlust aus, da die vom Staatsbad erbrachten Leistungen im Rahmen der Kooperation gegen die von Hannover 96 erbrachten Leistungen gegenzurechnen sind. Durch die Kooperation kam es durch die Gewinnung neuer Kunden zu zusätzlichen Einnahmen; im Vordergrund steht jedoch ­ wie bei jeder Werbemaßnahme eines Unternehmens ­ die Chance neue Kundenschichten für das Staatsbad Nenndorf zu gewinnen. Den genannten Aufwendungen des Staatsbades standen Werbeleistungen des Vereins mit einem von Hannover 96 bezifferten Marktpreis von insgesamt 84 700 DM gegenüber. Beide Parteien unterstellen dabei aus ihrer jeweiligen Sicht, dass sich Leistung und Gegenleistung in etwa gleichwertig gegenüberstehen.

Zu 6: Aus Sicht der Landesregierung liegen somit weder Verträge ohne Gegenleistung noch ärztliche Fehlleistungen vor. Es wird daher kein Anlass gesehen, das Verhalten von Herrn Wähling aus diesen Gründen zu rügen.