Vollzug der Wärmeschutzverordnung in Niedersachsen

In der seit 1995 geltenden Wärmeschutzverordnung (WSchV) sind die Anforderungen an den Wärmeschutz bei Neubauten gegenüber der WSchV von 1984 um ca. 30 % heraufgesetzt worden. In der Praxis werden aber die möglichen Energieeinsparpotentiale oft nicht erreicht. Das Umweltbundesamt hat in seinem Jahresbericht 1997 erhebliche Defizite beim Vollzug der Wärmeschutzverordnung als eine Ursache festgestellt. Die Vorlage des Wärmeschutznachweises sei zwar einheitlich geregelt, doch finde eine Kontrolle der Berechnungen derzeit nur in NRW statt. Bei Sanierungsmaßnahmen im Gebäudebestand und bei genehmigungsfreien Baumaßnahmen wird zudem in den meisten Fällen auf eine Überprüfung des Wärmeschutznachweises verzichtet, stellt das UBA fest.

Das Umweltbundesamt schlägt im Jahresbericht 1997 vor: „Eine mögliche Verbesserung der Situation könnte, wie z. B. in Nordrhein-Westfalen geschehen, durch die Einschaltung staatlich anerkannter unabhängiger Sachverständiger erreicht werden. Ihnen soll die Kontrolle der Bauausführung und die Überprüfung der Wärmeschutznachweise obliegen."

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie stellt sich nach ihrer Kenntnis der Vollzug der Wärmeschutzverordnung in Niedersachsen dar?

2. Mit welchen Vorgaben und Handreichungen hat sie Einfluss auf den Vollzug der WSchV bei den zuständigen Baubehörden genommen?

3. Wie wird bei Bauten, bei denen die Bauherren auf eine Baugenehmigung verzichten, die Einhaltung der Wärmeschutzverordnung sichergestellt?

4. Wie bewertet sie den Vorschlag des Umweltbundesamtes, staatlich anerkannte unabhängige Sachverständige mit Kontrollaufgaben in diesem Bereich zu betrauen?

5. Welche anderen Maßnahmen sind nach ihrer Ansicht geeignet, den Vollzug der Wärmeschutzverordnung in Niedersachsen zu verbessern?

6. Welche Beschäftigungswirkung ist von einer konsequenten Umsetzung des geltenden Rechtes mit entsprechender Vollzugskontrolle zu erwarten?

7. Wie beurteilt sie die Amortisationszeiten für WSchV-gerechte Neubauten in Bezug auf die eingesparten Energieverbrauchskosten, und welche Amortisationszeiten wären bei nachzurüstenden Altbauten zu erwarten?

8. Welche Potentiale zur Energieeinsparung und CO2-Minderung könnten überschlägig durch ein schrittweises Nachziehen der vorhandenen Gebäudesubstanz in Niedersachsen auf den Standard der geltenden WSchV für Neubauten gewonnen werden?

Der zitierte Bericht des Umweltbundesamtes kann zu der Schlussfolgerung verleiten, die anderen Länder außer Nordrhein-Westfalen seien ihrer Aufgabe, die Anforderungen der Wärmeschutzverordnung (WärmeschutzV vom 16. August 1994, BGBl. I S. 2121) zu überwachen, nicht hinreichend nachgekommen. Dadurch sei in diesen Ländern ein geringerer Erfolg bei der Verbesserung des Wärmeschutzes zu verzeichnen. Dies ist jedoch nicht belegt.

In Nordrhein-Westfalen wurde 1996 aufgrund der Ermächtigung in § 7 Abs. 2 Energieeinsparungsgesetz (EnEG vom 22. Juli 1976, BGBl. I S.1873) die Verordnung zur Umsetzung der Wärmeschutzverordnung (WärmeschutzUVO) eingeführt. Diese Verordnung überträgt staatlich anerkannten Sachverständigen für Schall- und Wärmeschutz neben den unteren Bauaufsichtsbehörden die Überwachung der Einhaltung der in der WärmeschutzV festgesetzten Anforderungen. Nachweise des Wärmeschutzes sind von einer oder einem staatlich anerkannten Sachverständigen für Schall- und Wärmeschutz aufzustellen und spätestens vor Baubeginn bei der unteren Bauaufsichtsbehörde einzureichen.

Während der Bauausführung hat sich die oder der Sachverständige durch stichprobenhafte Kontrollen davon zu überzeugen, dass die baulichen Anlagen entsprechend dem Wärmeschutznachweis errichtet werden. Über diese stichprobenhafte Kontrolle wird eine Bescheinigung ausgestellt, die der Bauaufsichtsbehörde mit der Anzeige über die abschließende Fertigstellung vorzulegen ist. Die Kosten für die Überprüfung und die Kontrolle durch eine oder einen Sachverständigen hat die Bauherrin oder der Bauherr zu tragen. Diese Regelungen für den Vollzug der WärmeschutzV gelten in Nordrhein Westfalen für genehmigungsbedürftige Bauvorhaben, für Bauvorhaben im vereinfachten Genehmigungsverfahren und für genehmigungsfreie Wohngebäude.

In Niedersachsen ist von der Verordnungsermächtigung in § 7 EnEG kein Gebrauch gemacht worden. Der Vollzug der WärmeschutzV erfolgt, soweit bauliche Anforderungen gestellt sind, nach dem Bauordnungsrecht.

Nach Auffassung des Umweltbundesamtes ist der Vollzug der WärmeschutzV auf der Grundlage der Landesbauordnung hauptsächlich durch die Freistellung von Bauvorhaben von der Baugenehmigung infrage gestellt. Diese Freistellungsregelung ist in Nordrhein Westfalen in erheblich größerem Umfang vorgenommen worden als in Niedersachsen.

Nach § 67 BauONRW sind Wohngebäude bis zur Hochhausgrenze ohne Begrenzung der Zahl der Wohneinheiten genehmigungsfrei. Nach § 69 a NBauO sind aber nur Wohngebäude geringer Höhe mit nicht mehr als zwei Wohneinheiten genehmigungsfrei. Diese Unterschiede im Baugenehmigungsverfahren haben bei der Bewertung des Umweltbundesamtes offenbar keine Berücksichtigung gefunden.

Dieses vorausgeschickt beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu 1: Der Umfang des genehmigungsfreien Bauens und der Bauüberwachung ist in der NBauO abschließend geregelt. Nach § 69 a NBauO sind Wohngebäude geringer Höhe mit nicht mehr als zwei Wohnungen genehmigungsfrei. Bei genehmigungsfreien Baumaßnahmen findet nach § 79 NBauO keine Bauüberwachung und nach § 80 NBauO keine Bauabnahme statt.

Der Wärmeschutznachweis entsprechend der WärmeschutzV ist für ein Neubauvorhaben oder für eine bauliche Änderung eines bestehenden Gebäudes, soweit nicht eine Prüfung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Prüfeinschränkungs-Verordnung (PrüfeVO) entfällt oder das Bauvorhaben genehmigungsfrei ist, mit den nach Bauvorlagenverordnung erforderlichen Unterlagen bei Stellung des Bauantrages der Bauaufsichtsbehörde vorzulegen. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wird geprüft, ob der Wärmeschutznachweis die Anforderungen der WärmeschutzV erfüllt.

Die Bauaufsichtsbehörden überwachen die Durchführung von genehmigungsbedürftigen Baumaßnahmen gem. § 79 Abs. 1 NBauO soweit es erforderlich ist. Sie können sich dabei auf Stichproben beschränken.

Die Überwachung einer Baumaßnahme auf Einhaltung der Anforderungen der WärmeschutzV während der gesamten Bauausführung ist aufgrund des dafür anfallenden Arbeitsumfanges durch die Bauaufsichtsbehörden nicht realisierbar. Daher verlangt § 79 Abs. 4 NBauO von der Bauherrin oder dem Bauherrn, vor Ingebrauchnahme der baulichen Anlage der Bauaufsichtsbehörde eine Bescheinigung eines oder einer Sachverständigen darüber vorzulegen, dass die Baumaßnahme entsprechend dem Wärmeschutznachweis durchgeführt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine genehmigungspflichtige Baumaßnahme mit eingeschränkter Prüfung nach PrüfeVO handelt.

Wird für ein Bauvorhaben eine Schlussabnahme angeordnet, ist diese Bescheinigung über die Ausführung des Wärmeschutznachweises Voraussetzung für die Ausstellung des Schlussabnahmescheines durch die Bauaufsichtsbehörden.

Sachverständige für die Berechnung und die Ausführung des Wärmeschutzes müssen die Qualifikation einer Entwurfsverfasserin oder eines Entwurfsverfassers nach § 58 Abs. 3 oder 5 NBauO haben.

Zu 2 und 4: Mit der Novellierung der NBauO 1995 war die Zielsetzung verbunden, den Umfang des Baugenehmigungsverfahrens abzubauen, um die Bauaufsichtsbehörden zu entlasten und der Eigenverantwortung der am Bau Beteiligten, insbesondere der Entwurfsverfasserinnen oder der Entwurfsverfasser, Vorrang gegenüber der behördlichen Prüfung einzuräumen. Dieser Zielsetzung sieht sich die Landesregierung verpflichtet und hat daher keine Veranlassung dafür gesehen, das genehmigungsfreie Bauen und das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren nach der PrüfeVO durch besondere Kontrollen des Wärmeschutzes erneut zu regulieren. Der Wärmeschutz von Gebäuden würde damit gegenüber anderen in die Verantwortung der am Bau Beteiligten gelegten Anforderungen an Gebäude, wie z.B. Standsicherheit, Brand- oder Schallschutz, ungerechtfertigt hervorgehoben werden.

Die Landesregierung informiert in Zusammenarbeit mit dem Institut für Bauforschung e.V. in Hannover Bauherrinnen und Bauherren, Architektinnen und Architekten, Ingenieurinnen und Ingenieure und Bauaufsichtsbehörden zur Einführung und Anwendung der WärmeschutzV umfangreich. Zu dem Thema Wärmeschutz wurden folgende Informationsbroschüren herausgegeben:

­ Niedrigenergiehäuser (1992 u. 1995)

­ Baustoffinformation Wärmeschutz (1994)

­ Niedrigenergiehausstandard im Geschosswohnungsbau (1994)

­ Wärmeschutz im Baubestand (1995)

­ Ökologische Maßnahmen im Bestand (1996)

­ Wärmeschutz im Wohnungsbau (1997)

­ Eigenheime in Niedrigenergiebauweise (1998)

­ Wärmedämmstoffe (in Vorbereitung).