Umgang mit TBT-belastetem Baggergut an der Ems

Über Presseveröffentlichungen ist bekannt geworden, dass das Sediment im Papenburger Hafen hoch mit Tributylzinn (TBT) belastet ist. Die Belastung lässt sich durchaus mit den Belastungen vergleichen, die an den Seehäfen der Küste vorzufinden sind. Diese Tatsache ist nicht verwunderlich, ist doch im Papenburger Hafen eine weltbekannte Werft ansässig und erfolgreich im Großschiffbau tätig. Große Seeschiffe werden nicht nur gebaut, sondern in Docks und am Ausrüstungskai überholt, um- und ausgebaut. Schadstoffe im Hafensediment Papenburgs sind also Folge von in Häfen üblichen Vorgängen. Der Verzicht auf den Einsatz von TBT-haltigen Anstrichen und damit eine durchgreifende Lösung für dieses Schadstoffproblem wird sich bei den großen Seeschiffen erst in den kommenden Jahren auf der Grundlage internationaler Regelungen erreichen lassen. Der Stand der Diskussion etwa bei der IMO, der für maritime Fragen zuständigen Unterorganisation der UNO, lässt hoffen, dass dieses Ziel erreichbar ist. Anders bei der Küstenschifffahrt: Hier gibt es in Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein vielversprechende Ansätze. Praxisversuche mit TBT-freien Anstrichen und Beschichtungen lassen erwarten, dass ein Umstieg auf umweltverträgliche und bei der Anwendung weniger gesundheitsschädigende Anstriche mit Unterstützung der jeweiligen Landesregierungen schon bald möglich ist.

Das Problem in Papenburg liegt im Umgang mit dem schadstoffbelasteten Schlick. Der „Weser-Kurier" vom 16. Juni 1999 zitiert die Sprecherin des Umweltministeriums, die das „Schlickeggen" auch bei einer TBT-Belastung über dem Richtwert von 100 Mikrogramm/kg TBT für genehmigungsfrei zulässig hält, während die Sprecherin der Bezirksregierung Weser-Ems klaren Handlungsbedarf sieht, „sollte so hoch belasteter Schlick tatsächlich in die Ems gespült werden". Es ist erklärungsbedürftig, wenn die Verklappung von Hafenschlick in Außenems und im Wattenmeer genehmigungspflichtig ist und nur in den Grenzen des Richtwertes genehmigt wird, aber eine faktische Verklappung in die Ems vor dem Papenburger Hafen unabhängig von der Schadstoffbelastung genehmigungsfrei möglich sein soll, wie zumindest die Sprecherin des Umweltministeriums meint. Unabhängig von der rechtlichen Beurteilung dieser Situation ist hier auch zu bewerten, welche schädlichen Auswirkungen diese in Papenburg praktizierte Entsorgung auf das Ökosystem Ems hat.

Ein Teil des im Papenburger Hafenbecken anfallenden Schlicks wird über das „Schlickeggen" direkt in die Ems eingeleitet. Ca. 100 000 Tonnen jährlich werden nach Presseberichten auf Spülfeldern untergebracht. Da Spülfelder nach Beendigung der Überspülung in der Regel wieder landwirtschaftlich genutzt werden, müssen Befürchtungen ausgeräumt werden, ob denn überhaupt eine landwirtschaftliche Nutzung der Papenburger Spülflächen vertretbar ist. Die Landesregierung ist im Interesse der betroffenen Bevölkerung, der Landwirte und Verbraucher aufgefordert, Klarheit darüber zu schaffen, bis zu welchen Grenzen der Schadstoffbelastung Hafensedimente auf Spülflächen untergebracht werden können bzw. ab welcher Belastung eine Deponierung des Schlicks zwingend erforderlich ist. Die Gemeinde Papenburg darf nicht mit ihrem Schlick-Problem allein gelassen werden.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Seit wann wird in Papenburg das Aufwühlen (Schlickeggen) und die Entsorgung des Hafenschlicks mit dem ablaufendem Wasser in die Ems praktiziert? In welchem Umfang wurde dabei jährlich Hafenschlick in die Ems gespült?

2. Ist die Entsorgung von Hafensedimenten durch Aufwühlen (Schlickeggen) und anschließenden Transport des Materials durch das ablaufende Hochwasser aus dem durch Schleusen abgetrennten Hafenbecken in ein Gewässer mit der Technik des Ausbaggerns und der anschließenden Verbringung an eine Verklappstelle faktisch und rechtlich gleichzusetzen, da in beiden Fällen das Material an anderer, deutlich geringer belasteter Stelle in ein Gewässer eingebracht wird? Ist im Fall des Schlickeggens, wie in Papenburg und anderorts praktiziert, auch der Richtwert von 100 Mikrogramm/kg für TBT einzuhalten?

3. Auf Grundlage welcher Genehmigungen wird Baggergut bzw. Schlick aus dem Hafen Papenburg seit 1990 entsorgt? Was sagen diese Genehmigungen zum Umgang mit schadstoffbelastetem bzw. TBT-belastetem Baggergut bzw. Sedimenten aus?

4. Auf welche möglichen vorzufindenden Schadstoffe wurde seit 1990 das Sediment im Papenburger Hafen mit welchen Ergebnissen nach Kenntnis der Landesregierung untersucht?

5. Bis zu welcher Belastung mit Schadstoffen ist nach Ansicht der Landesregierung eine Aufbringung von Baggergut auf Spülflächen, die in der Regel nach der Überspülung landwirtschaftlich genutzt werden, unter umwelt- und gesundheitspolitischen Gesichtspunkten zu akzeptieren? Ab welcher Belastung muss nach Ansicht der Landesregierung Baggergut auf einer geeigneten und zugelassenen Deponie untergebracht werden bzw. besonders vorbehandelt werden?

6. Auf welche Flächen wurde in den letzten 15 Jahren Baggergut aus dem Papenburger Hafen aufgespült? Wurden auch frühere Kies- und Sandentnahmestellen (Kiesseen) mit Papenburger Hafenschlick aufgefüllt?

7. In welchem Umfang sind diese Spülflächen bzw. Gewässer mit möglicherweise schädlichen und umweltgefährdenden Stoffen wie TBT, Schwermetallen und anderen Stoffen belastet? Ergibt sich aus der möglicherweise vorhandenen Schadstoffbelastung ein Handlungs- oder gar Sanierungsbedarf?

8. Wie werden diese Flächen bzw. Gewässer heute genutzt?

9. Sind aufgrund der möglicherweise vorhandenen Belastungen mit Schadstoffen aus dem Hafensediment die dort praktizierten Nutzungen nach Ansicht der Landesregierung vertretbar?

10. Kann die Landesregierung begründet ausschließen, dass Schadstoffe etwa durch den Verzehr von Fischen, Milchprodukten oder anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus dem Umfeld der Spülflächen in die Nahrungsmittelkette gelangt sind?

11. Welche weiteren Kenntnisse liegen ihr zur Schadstoffbelastung von Baggergut und Sedimenten der Bundeswasserstraße Ems und der Häfen an der Ems vor? Wie hoch liegen im Einzelnen die Belastungen, und wie werden sie von der Landesregierung bewertet?

12. Welche Hilfestellungen und welche andere Unterstützung bei der Unterbringung des belasteten Baggerguts aus dem Papenburger Hafen wird bzw. hat die Landesregierung bereits der Stadt Papenburg gegeben?

Die Stadt Papenburg hat in einer Pressemitteilung im Juni 1999 bekanntgegeben, dass das Sediment im Papenburger Hafen mit Tributylzinn belastet ist. Diese Information der Öffentlichkeit geschah im Vorgriff auf die Anfang Juli zu erwartende Fertigstellung eines von der Stadt Papenburg in Auftrag gegebenen Gutachtens zu Belastungen mit Schadstoffen im Papenburger Hafen. Dieses Gutachten liegt mittlerweile vor.

Derzeit wird abgesetzter Hafenschlick in Papenburg nur im abgeschleusten Teil des Hafens gebaggert und an Land gebracht. Eine Verklappung von Hafenschlick in die Außenems findet nicht statt. Im so genannten Vorhafen ­ emsseitig der Schleuse ­ wird die Befahrbarkeit der Zufahrt zur Schleuse durch das so genannte Schlickeggen gewährleistet. Das Schlickeggen ist eine Maßnahme zur Gewässerunterhaltung, bei der der Schlick vom Grund gelöst, jedoch nicht dem Gewässer entnommen wird. Es handelt sich daher nicht um eine erlaubnispflichtige Gewässerbenutzung.

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Fragen im Einzelnen:

Zu 1 und 2: Seit 1986 wird im Seitenraum der Ems vor der Schleuse die emsseitige Zufahrt zur Schleuse durch Schlickeggen frei gehalten. Eine Entsorgung des Hafenschlicks mit dem ablaufenden Wasser in die Ems wird nicht praktiziert; Hafenschlick wird nicht in die Ems gespült.

Das Schlickeggen ist mit dem Ausbaggern und anschließendem Verbringen an eine Klappstelle weder faktisch noch rechtlich gleichzusetzen.

Zu 3: Die Schlickbaggerung mit landseitiger Verbringung begann 1997. Vorherige Baggerungen waren in der Regel ausgelöst durch den Bau von neuen Hafenbecken; die hier gewonnenen Sande wurden unmittelbar auf die benachbarten Industrieflächen zur Geländeerhöhung aufgespült.

Für die Jahre 1997, 1998 und 1999 hat die Stadt Papenburg baurechtliche Genehmigungen für die Ablagerung des Baggerguts zur Verbesserung der Bodenqualität bzw. für die Errichtung von Spülfeldern zur Gewinnung von Boden für Deichbaumaßnahmen erteilt.

Die zuständigen Fachbehörden und Verbände gemäß Niedersächsischem Naturschutzgesetz wurden in den Verfahren beteiligt. Über die vorgebrachten Einwendungen ist eine ordnungsgemäße Abwägung erfolgt. Die beteiligten Stellen und Verbände wurden über das Ergebnis des Baugenehmigungsverfahrens unterrichtet. Widersprüche gegen die erteilten Baugenehmigungen sind nicht eingelegt worden.

Die Genehmigungen besagen, dass die Bodengrenzwerte der Klärschlammverordnung gemäß § 4 Abs. 8 (Aufbringungsverbote und Beschränkungen) nicht überschritten werden dürfen. Die Untersuchungen, die im Rahmen des vorgenannten Gutachtens durchgeführt wurden, haben ergeben, dass die Belastung des Baggergutes mit Schwermetallen unterhalb der zulässigen Bodengrenzwerte der Klärschlammverordnung liegt. Für die TBT-Belastung gibt es derzeit keinen Grenzwert bei der Ausbringung von Baggergut an Land.