Pflegeversicherung

Das sind Organisationen, mit denen wir viel enger politisch zusammenarbeiten als Sie, Herr Zachau!

Das müsste Ihnen mittlerweile klar geworden sein.

(Heiterkeit)

Ein Organisationsgefüge, das mit der Metapher von der Wiege bis zur Bahre umschrieben wurde und damit neudeutsch ein altersübergreifendes, integrierteres Gesamtangebot eben auch für Senioren darstellt, das ist unsere Tradition, und das ist unsere Identität, und die wird es bleiben, Herr Eckhoff.

(Beifall bei der SPD - Abg. Frau Dreyer [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage - Glocke) Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Abg. Pietrzok (SPD): Im Moment nicht, Frau Dreyer!

Die Angebotsstruktur, das ist der zweite Punkt, von der politischen Interessenvertretung zu Freizeitgestaltung und ehrenamtlichen Arbeitsmöglichkeiten hat in Bremen eine Dichte und Qualität, von der andere Städte nur träumen, etabliert in Zeiten sozialdemokratischer Alleinregierung. Aber das ist kein Luxus, denn wir wissen, jede Mark, die hier an der richtigen Stelle ausgegeben wird, ermöglicht, dass die Älteren so lange für sich selbst sorgen, wie sie können. Ich verweise hier auf die Seniorenvertretung. Gewählte Delegierte mischen sich hier ehrenamtlich ein und engagieren sich politisch für ihre Interessen und für ihresgleichen. Sie haben dabei richtig etwas bewegt, meine Damen und Herren, das muss man deutlich sagen.

Die Einrichtung eines Beschwerdetelefons, um Probleme in der Pflege und Heimunterbringung loszuwerden, wurde erst auf Initiative der Seniorenvertretung durchgesetzt. Mittlerweile gibt es einmal in der Woche eine spezielle Radiosendung mit Themen für die älteren Menschen. Durchgesetzt haben sie eine enge Kooperation mit den Kontaktbereichsbeamten, mit den ehrenamtlichen Sicherheitsberatern.

Seniorenspezifische Probleme sind so viel deutlicher in das öffentliche Bewusstsein geraten, übrigens auch in mein persönliches Bewusstsein. Die federführende Einmischung der Bremer Senioren im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung hat ein weiteres Mal sehr deutlich gezeigt, die Bremer Senioren gehören zu den engagiertesten bundesweit.

Ich möchte an dieser Stelle auch auf die Seniorenbegegnungsstätten verweisen. Ein hohes Maß freiwilliger Arbeit ermöglicht erst die vielfältige Angebotsstruktur für Senioren in Gesprächskreisen, Ausflügen, sogar speziellen Sportangeboten und so weiter. Hier ein kleiner Hinweis an die Statistiker: Zählt hier nicht nur die Ältestenräte zu den Freiwilligen, sondern dort engagieren sich viel mehr Menschen, als in Ihren Zahlen wiedergegeben!

Selbsthilfeinitiativen, Seniorenbüro, all diese Aktivitäten der Senioren können und sollen nicht ohne das Engagement Älterer funktionieren. Wenn wir mit entsprechenden Beträgen diese Strukturen finanziell fördern, so ist dies nur das Knochengerüst. Das gesamte Gebilde trägt erst durch die freiwillige Arbeit der Senioren selbst. Unsere Botschaft heißt bei allen diesen Angeboten in Anlehnung an den Slogan der Freiwilligenagentur ohne Geld, aber nicht umsonst. (Beifall bei der SPD)

An dieser Stelle sind drei Aspekte wichtig: Erstens:

Die Angebote für die Senioren tragen sich zu großen Teilen erst durch den Einsatz der Senioren selbst.

Zweitens: Die Verbindlichkeiten durch Verantwortlichkeiten, das Eingebundensein in eine Tagesstruktur bedeutet für die Senioren, dass sie mehr Respekt erfahren, dass sie eigenes Selbstwertgefühl entwickeln können oder es stärken. Es verhindert auch, dass sie zu viel Zeit haben oder gar, ich will es etwas drastisch formulieren, verlottern. Man muss sich eben selbst auch immer bei der Stange halten. Drittens: Die gesellschaftliche Teilhabe der Älteren ist auch für die jüngeren Menschen wichtig. Sie zwingt uns zur Aufmerksamkeit, zur Sensibilität für die Bedürfnisse von Älteren. Es ermöglicht uns auch, an den Erfahrungen der Älteren teilzuhaben.

Für meine Fraktion, ich hoffe, das ist deutlich geworden, ist die Partizipation von Älteren von elementarer Bedeutung. Aber angesichts der Haushaltslage müssen wir in diesem Haus Klartext reden, und auch bei der Förderung von Strukturen, die ehrenamtliches Engagement der Senioren fördern, muss gekürzt werden. Die Haushaltslage zwingt uns dazu trotz aller Wertschätzung der Seniorenangebote in dieser Stadt. In diesen Zeiten ist eine Wertschätzung ja manchmal schon allein daran zu erkennen, dass das Ausmaß an Kürzungen für bestimmte Angebote möglichst gering gehalten wird.

Vielleicht liegt es an der Lebenserfahrung der Senioren, dass sie am ehesten nachvollziehen können, dass den fetten Jahren nunmehr möglicherweise magere folgen müssen. Es wird also zu Leistungseinschränkungen kommen, aber das bedeutet auch, die Ehrenamtlichen werden noch mehr gefordert als jetzt schon. Um wenigstens Planbarkeit in diesen schweren Zeiten sicherzustellen, werden wir langfristige Zuwendungsverträge ermöglichen, damit die An gebotsstruktur soweit irgend möglich erhalten werden kann, weil sie erhalten werden muss.

Ich habe vorhin über die sozialdemokratische Identität und Tradition gesprochen, aber Tradition heißt für uns nicht, die Asche aufzunehmen, sondern die Flamme weiterzureichen.

Was heißt das konkret? Wir müssen bestehende Angebote, wo sich Senioren tatsächlich engagieren, weiterhin fördern und nach Wegen der Verbesserung suchen, um möglicherweise mit weniger Mitteln auszukommen. Aber wir müssen außerdem heraus aus dem Image der für die Familie immer nur selbstlos Kuchen backenden Omi. Die Senioren nur auf die Familie zu weisen nach dem Motto, dreimal K für Kirche, Kinder und Küche, damit geben sich die Älteren nicht mehr zufrieden. Gute Angebote für Ältere wollen wir, nicht altmodische Angebote. Die Veränderungen der Freiwilligenarbeit stellen Politik und Verwaltung auch bei den Älteren unter Modernisierungsdruck. Die Entwicklung für die Freiwilligenarbeit gilt auch für die Senioren. Auch Senioren wollen zeitlich befristet entsprechend ihrer eigenen Vorstellungen eigene Ziele entwickeln und diese Ziele mit möglichst viel Eigenverantwortung verfolgen. Sie tun das nicht aus Selbstlosigkeit, sondern in der Erkenntnis, dass ihre freiwillige Arbeit auch ihnen selbst nützt. Modernisierung ist gefordert, neue Formen der Hilfestellung sind notwendig. Neue Informations- und Kommunikationswege erhalten dabei zunehmend Bedeutung.

Denken Sie dabei an Senioren ans Netz! Neue Einflussbereiche für Senioren sind gefordert. Unser sozialdemokratisches Ziel heißt dabei, wir wollen eine kunterbunte Trägerlandschaft für die Freiwilligen einerseits, eine knallharte Interessenvertretung, hier die Seniorenvertretung beispielsweise genannt, andererseits. Über einige Punkte werden wir hier noch zu reden haben.

Die Senioren fordern völlig zu Recht mehr Einfluss auf die Planung von Neubauten. Gleiches gilt für Verkehrsprojekte. Engagement der Freiwilligen muss erleichtert werden. Weiterbildung zu diesem Zwecke muss Berücksichtigung finden, und das sind Ziele, die wir zu verfolgen haben. Unsere Botschaft an die Senioren lautet: mitmachen!

Noch eines an die Abgeordneten hier im Haus: Nehmen Sie dieses Thema nicht allzu sehr auf die leichte Schulter! Belächeln Sie dieses Politikfeld nicht

(Zurufe von der CDU: Wer macht das denn?)

Die älteren Menschen sind eine der größten Bevölkerungsgruppen in der Stadt, und Sie selbst gehören irgendwann auch dazu. Während ich hier gesprochen habe, sind Sie alle auf das Seniorenalter ein kleines Schrittchen zugegangen, Frau Dreyer. Präsident Weber: Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Abg. Tittmann (DVU): Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Pietrzok, Sie können sich darauf verlassen, dass ich jetzt Klartext reden werde.

Meine Damen und Herren, aus der Mitteilung des Senats, Drucksache 15/215, zur Großen Anfrage von CDU und SPD mit der Drucksachen-Nummer 15/138 geht für mich eindeutig hervor, dass eine gesellschaftliche Mitwirkung von Seniorinnen und Senioren kaum oder fast gar nicht stattfindet. Diese traurige Tatsache ist bezeichnend für Ihre Politik im Bereich der Senioren- und Rentenpolitik, die man in allen Bereichen als gescheitert ansehen kann und muss.

Meine Damen und Herren von CDU und SPD, Sie bringen hier eine scheinheilige Große Anfrage ein und verhindern mit Ihrer Politik ein Mitwirken von Senioren in unserer Gesellschaft. Ich sage Ihnen, schaffen Sie erst einmal die Grundvoraussetzungen dafür, dass Seniorinnen und Senioren in unserer Gesellschaft mitwirken können!

(Abg. Frau Schreyer [CDU]: Ich bin doch ein gutes Beispiel dafür! - Heiterkeit) Sorgen Sie dafür, dass unsere Rentner nicht durch eine Rentenlüge belogen werden! Sorgen Sie lieber dafür, dass unsere Senioren durch Ihre Politik nicht um einen gerechten und verdienten Lebensabend gebracht werden. Sorgen Sie sich lieber darum, dass nicht viele Senioren und Rentner am Rande des Existenzminimums leben müssen, das zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig ist, meine Damen und Herren! Sorgen Sie mit einer verbesserten Gesundheitsreform dafür, dass unsere älteren Menschen nicht einsam, krank und verlassen in unserer Wohlstandsgesellschaft in irgendeinem Altenheim dahinvegetieren müssen, meine Damen und Herren! Bevor wir uns hier über eine gesellschaftliche Mitwirkung von Senioren unterhalten, geben Sie unseren Senioren erst einmal den Respekt, die Achtung und die Würde, also den Stellenwert in unserer Gesellschaft wieder, den sie auch verdient haben!

Meine Damen und Herren, Sie suggerieren in der Mitteilung des Senats unseren Senioren, dass sie quasi auf einer Insel der Glückseligkeit leben würden. Aber das stimmt nicht. Sie lassen es zu, dass Menschen aus aller Herren Länder nach Deutschland hereinströmen können, die dann, ohne jemals einen Pfennig einbezahlt zu haben, hier das Vielfache an Geld abzocken, was unsere Rentner an Rente bekommen, meine Damen und Herren. Das ist Fakt.

Unsere Senioren können nur dann in unserer Gesellschaft wieder mitwirken, wenn ihnen Achtung, Würde und Respekt entgegengebracht werden. Aber Sie, meine Damen und Herren, lassen es unwidersprochen zu, dass arbeitslose ausländische Jugendliche behaupten dürfen, sie hätten Deutschland wieder aufgebaut. Ich habe viele Bilder von deutschen Trümmerfrauen mit Kopftüchern gesehen, aber nicht ein einziges Kopftuch mit Türkinnen darin, meine Damen und Herren!

(Abg. Frau Möbius [SPD]: Hören Sie auf! Das ist ja eine Unverschämtheit!) Tatsache ist, dass dieses Land einzig und allein von unseren Eltern wieder aufgebaut worden ist und von keinem anderen, und unsere Eltern haben dieses Land mit viel Blut, Schweiß, Leid, Entbehrungen und mit eigenen Händen wieder aufgebaut.

(Abg. Frau Möbius [SPD]: Vor allen Dingen Sie!)

Da war kein Ausländer hier, der uns geholfen hat, meine Damen und Herren! Ich werde es im Namen der Deutschen Volksunion niemals zulassen, dass Sie diese einzigartige Aufbauleistung unserer älteren Generation durch den Schmutz ziehen und missachten!

(Abg. Frau Schreyer [CDU]: Hat doch keiner gemacht hier!) Sie sehen, meine Damen und Herren, um eine gesellschaftliche Mitwirkung von Senioren zu garantieren, gehört schon etwas mehr dazu, als einmal kurz vor den Wahlen mit Kaffee und Kuchen unsere älteren Mitmenschen quasi als nützliches Stimmvieh zu missbrauchen. Es gehört schon etwas mehr dazu, als eine scheinheilige Große Anfrage hier einzubringen. Wir von der Deutschen Volksunion lassen es niemals zu, dass die Achtung und die Würde unserer älteren Generation von Altparteien mit Füßen getreten werden, und wir setzen uns vehement für eine Mitwirkung der Senioren in unserer Gesellschaft uneingeschränkt ein. - Ich bedanke mich!

Präsident Weber: Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Linnert.

Abg. Frau Linnert(Bündnis 90/Die Grünen): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, Herr Tittmann hat noch nicht verstanden, dass wir ein allgemeines und gleiches Wahlrecht in Deutschland haben und dass das die Grundlage unserer Gesellschaft und Demokratie ist. Die älteren Menschen, die ich kenne, würden sich von den ausländerfeindlichen Äußerungen, die Sie hier gemacht haben, abgestoßen fühlen.

(Beifall - Abg. Tittmann [DVU]:

Das glaube ich nicht!)

Vor allen Dingen erleben sie in ihrem Alltag, dass ganz viele Dienstleistungen in Deutschland von Ausländern erbracht werden. Wenn man sich zum Beispiel die Belegschaften in den Pflegeheimen anschaut, sind viele ausländische Frauen darunter, und das haben wir auch beschäftigungspolitisch gefördert. Wenn man mit den Menschen redet, dann sagen sie, dass oft ganz besonders viel Wärme von diesen Frauen ausgeht, weil sie aus einer Gesellschaft kommen, in der der Familienzusammenhang noch besser funktioniert. Deshalb ist das, was Sie sagen, einfach an der Sache vorbei.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich bin 41 Jahre alt.

Ich darf immer zu den Themen reden, zu denen ich mich ein bisschen schlau gemacht habe. Ich darf also auch zu dem Thema reden, was jüngere oder ältere Menschen betrifft. Ich möchte gern Ringelnatz zitieren. Er hat nämlich in einem Anfall von Wut, da ging es auch schon darum, das Ehrenamt so oder so zu bewerten, gesagt: Willst du in Ruh und Frieden leben, lass kein Ehrenamt dir geben. Ich glaube, dass es ganz gut ist, dass dieser aus der Wut geborene Rat in unserer Gesellschaft nicht von zu vielen Menschen berücksichtigt wird.

Aber eingangs muss man auf jeden Fall eines feststellen: Die Veränderung der Gesellschaft hat es mit sich gebracht, dass es eine Abnahme von unentgeltlicher gesellschaftlicher Arbeit gibt. Das ist, glaube ich, auch eines der Motive, warum Politik sich in den letzten Jahren diesem Thema so besonders zugewandt hat. Ich sage gleich noch etwas darüber, wie ich das bewerte.

Man muss sich aber darüber klar sein, dass ein gesellschaftlicher Wandel, der auf größere Mobilität setzt, auf kleinere Familien, eine Abnahme des Engagements mit sich bringt, bei dem Menschen, ob sie miteinander zusammenleben oder miteinander verwandt sind, füreinander einstehen. Das wird eine Herausforderung für unsere Gesellschaft sein,