Staatsbadaffäre in Bad Nenndorf, aber nichts ändert sich

Seit mehr als einem halben Jahr muss das Staatsbad Nenndorf hinnehmen, dass sein Ruf durch die sogenannte Familienfilz- oder Staatsbad-Affäre schwer geschädigt wird. Sowohl der Landesrechnungshof als auch der interne Prüfbericht des Niedersächsischen Finanzministeriums haben schwerwiegende Mißstände festgestellt und bestätigt, dass für das Land Niedersachsen ein großer finanzieller Schaden entstanden ist. Darüber hinaus ist für Bad Nenndorf eine nachhaltige Rufschädigung entstanden. Finanzminister Aller hat die Staatsbad-Affäre zur „Chefsache" erklärt. Inzwischen liegt der Prüfbericht des Finanzministeriums vor, ohne dass sich in Bad Nenndorf viel verändert hat. So wirbt das Staatsbad Nenndorf im Rahmen einer Werbung für „Die neue NTB-Card" (Niedersächsischer Turnerbund) für das Hotel Esplanade. Weiterhin benutzt Herr Wähling offenbar das Dienstfahrzeug des Kurdirektors. Eine arbeitsrechtliche Konsequenz hat das Fehlverhalten des ehemaligen Kurdirektors bis heute nicht gehabt. Auch eine Versetzung ist nicht erfolgt. Das Pachtverhältnis zwischen dem Land und dem Direktor des Hotels Esplanade, Herrn Busch, besteht ohne Veränderungen fort. Bislang wurde nicht die Chance genutzt, ein wirklich neues Management in der Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft einzusetzen. Statt dessen wurde ein neuer Kurdirektor ernannt, der schon während der „Staatsbad"-Affäre Verantwortung getragen hat. Der alte Kurdirektor tritt weiterhin nach außen offiziell für das Staatsbad auch in wichtigen Verhandlungen auf. Der Bewirtschaftungsvertrag für Veranstaltungen des Staatsbades mit dem „Bayern-Stadl" besteht nach wie vor weiter. Ein Konzept für die dauerhafte Kontrolle der Staatsbäder liegt nicht vor.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Schritte gedenkt sie zu unternehmen, um im Staatsbad Nenndorf tatsächlich Änderungen einzuleiten, die Grundlage für eine gute zukünftige Entwicklung sein können?

2. Wird sie die im Prüfbericht des Finanzministeriums empfohlenen Regreßansprüche auch tatsächlich durchsetzen wollen?

3. Wird sie nach dem Versagen des Finanzministeriums ein Konzept für die wirksame Kontrolle der Staatsbäder vorlegen?

4. Trifft es zu, dass Kurdirektor Wähling nach wie vor in leitender Position im Staatsbad tätig ist?

5. Wie unterscheidet sich der jetzige Verantwortungsbereich von Herrn Wähling von seinem vorherigen?

6. Trifft es zu, dass der frühere Kurdirektor bis heute das Dienstfahrzeug des Kurdirektors mit dem Kennzeichen SHG­KD 72 fährt?

7. Trifft es zu, dass der frühere Kurdirektor Wähling das Staatsbad nach außen hin weiterhin offiziell vertritt, wie z. B. beim Besuch des Hildesheimer Bischofs Hohmeyer?

8. Wird die Landesregierung arbeitsrechtliche Schritte gegen Herrn Wähling einleiten?

9. Warum versetzt sie Herrn Wähling nicht in einen anderen Ort?

10. Welche Änderungen hat sie im Pachtverhältnis mit Herrn Dirk Busch bezüglich des Hotels Esplanade vorgenommen oder beabsichtigt sie vorzunehmen?

11. Wie erklärt sie, dass das Staatsbad Nenndorf im Rahmen einer Werbung für „Die neue NTB-Card" (Niedersächsischer Turnerbund) für das Hotel Esplanade wirbt, das doch bekanntermaßen an Herrn Busch verpachtet worden ist?

12. Wer bezahlt diese Anzeige?

13. Wer bezahlt den Telefonanschluß, unter dem man bei Buchungen im Hotel Esplanade anrufen soll, der jedoch offenbar der Telefonanschluß des Staatsbades ist?

14. Sieht die Landesregierung in der Werbung des Staatsbades für das Hotel Esplanade einen unlauteren Wettbewerb, oder beabsichtigt sie in Zukunft auch, das Staatsbad für andere Hotels in Bad Nenndorf werben zu lassen?

15. Warum hat sie nicht die Chance genutzt, um ein wirklich neues Management in der Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft einzusetzen und statt dessen einen Kurdirektor ernannt, der schon während der „Familienfilz"-Affäre Verantwortung getragen hat?

16. Hält sie es für einen angemessenen Umgang mit der Bevölkerung in Bad Nenndorf, auf Briefe der Interessengemeinschaft Bad Nenndorf nicht zu antworten?

17. Hat sie Schritte unternommen, um den Bewirtschaftungsvertrag für Veranstaltungen des Staatsbades mit dem „Bayern-Stadl" zu kündigen und neu auszuschreiben?

18. Hat sie Erkenntnisse darüber, wie es sich mit dem symbolischen Preis von einer Mark verhält, für den Frau Cordula Wähling ihre Anteile an den geschäftsführenden Agricola-Gesellschafter Dirk Busch veräußert hat, obwohl sie eine Beteiligung von 25 000 DM gehabt hat?

19. Ist die Zusammenarbeit zwischen dem Staatsbad und Hannover 96 inzwischen auf eine vertragliche Grundlage gestellt worden?

Nach langwierigen, sich über rund sechs Monate erstreckenden Verhandlungen der Geschäftsführung und des Gesellschafters mit den Betriebsräten der Staatsbäder, dem Gesamtbetriebsrat der NBG und den Gewerkschaften ÖTV und DAG wurde der notarielle Spaltungsvertrag am 29. Juni 1999 beurkundet. Die Anmeldung der Spaltung zu den Handelsregistern bei den Amtsgerichten Hameln, Norden und Stadthagen erfolgte am 12. Juli 1999. Damit wurde der Beschluss des Landtages vom 17. Dezember 1998 in einem ersten Schritt faktisch umgesetzt, die Niedersächsische Bädergesellschaft mbH (NBG) zum 1. Juli 1999 in drei selbständige regionale Betriebsgesellschaften aufzuspalten und die Zentrale aufzulösen.

Entgegen den Erwartungen des Gesellschafters hat sich die Eintragung der Gesellschaftsspaltung im Handelsregister verzögert. Nachdem die Niedersächsische Staatsbad Norderney Betriebsgesellschaft mbH durch das Amtsgericht Norden am 23. September 1999 und die Niedersächsische Staatsbad Pyrmont Betriebsgesellschaft mbH durch das Amtsgericht Hameln am 14. Oktober 1999 eingetragen wurde, hat nun auch das für die Niedersächsische Bädergesellschaft zuständige Amtsgericht in Stadthagen die Eintragung mit Datum vom 5. November 1999 vorgenommen. Damit wurde auch die rechtliche Auflösung der NBG alter Form rechtswirksam.

Eine Reihe von Fragen sind inzwischen ganz oder teilweise Gegenstand von Beratungen im Landtag bzw. im Haushaltsausschuss gewesen. Auf die entsprechenden Informationen weise ich hin.

Darüber hinaus habe ich inzwischen durch Besuch im Staatsbad, bei der politischen Gemeinde und in Gesprächen mit den wichtigen Vertretern „vor Ort" positive Schritte für die künftige Zusammenarbeit zwischen Land, Staatsbad, Kommune und örtlichen Organisationen einleiten können. Zuletzt am 23. November 1999.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1: Ebenso wie in Bad Pyrmont und Norderney werden auch in Bad Nenndorf die Gespräche mit der Kommune und interessierten Dritten über eine Beteiligung am Staatsbad intensiv fortgesetzt, um künftig in gemeinsamer Verantwortung die Weichen für eine positive Entwicklung Nenndorfs zu einem attraktiven Kurort zu stellen. Dies bleibt unbeschadet der aktuellen Vorkommnisse, die es rückhaltlos aufzuklären gilt, primäres Ziel der Landesregierung. Wie bereits eingangs ausgeführt, hat in Bad Nenndorf zuletzt am 23. November 1999 ein konstruktives Gespräch mit den maßgeblichen Vertretern vor Ort stattgefunden.

Zu 2: Der vom Justiziar des MF vorgelegte Bericht vom 17. September 1999 ist nach Lage der Akten und ergänzender Auskünfte des Beteiligungsreferats, der NBG, des LRH und der Auswertung von Gutachten erstellt worden. Vor diesem Hintergrund ist die Empfehlung des Justiziars zu werten. Der Justiziar hat den Betroffenen unter Übersendung des Berichts (einen diese betreffenden Auszug) Gelegenheit gegeben, zu den Ausführungen bis zum 15. November Stellung zu nehmen. Zusätzlich erhalten die Betroffenen seit dem 16. November 1999 Gelegenheit, in einem persönlichen Gespräch ihren Standpunkt darzulegen. Die endgültige Entscheidung, welche Schadensersatzansprüche geltend zu machen und ggf. auch auf dem Gerichtswege zu verfolgen sind, wird danach von Herrn Minister Aller entschieden. Es besteht der ernste Wille, erfolgversprechende Ansprüche zu realisieren. Dies verlangt schon die Haushaltsordnung.

Zu 3: Die Landesregierung stellt klar, dass ein Kontrollversagen des Finanzministeriums weder vom Landesrechnungshof noch vom Justiziar des MF im Rahmen seines Prüfungsberichts festgestellt wurde.

Die wirtschaftliche Betätigung des Landes im Rahmen einer Kapitalgesellschaft bedingt zugleich, dass sich die organschaftlichen Zuständigkeiten von Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung nach den Regeln des Gesellschaftsrechts und der Satzung der Gesellschaft zu richten haben. Hierzu gehört entsprechend § 111 Abs. 4, S. 1 AktG, dass der Geschäftsführung ein eigenverantwortlicher Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich für das operative Geschäft zuzuweisen ist. Hierdurch entsteht zwangsläufig eine Distanz des Landes als Gesellschafter und des Aufsichtsrates zum operativen Geschäft. Die Aufsichtsfunktion des Aufsichtsrates bei der Überwachung der Geschäftsführung bei der Erledigung des ihr übertragenen Aufgabenbereiches setzt dort ein, wo ihm Umstände bekannt werden, die die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung zweifelhaft erscheinen lassen.

Dieser Verantwortung ist der Aufsichtsrat der NBG gerecht geworden, indem er der Geschäftsführung für das Geschäftsjahr 1998 die Entlastung verweigert hat.