Sicherheitskonzept zur Weltausstellung „EXPO 2000" in Hannover

Seit dem 1. Juli 1997 bereitet sich der bei der Polizeidirektion Hannover angesiedelte „Vorbereitungsstab EXPO" auf die Bewältigung des polizeilichen Großeinsatzes „EXPO 2000" vor. „Der friedliche Charakter der Veranstaltung zur EXPO spiegelt sich in der gesamten Einsatzvorbereitung und -planung wider. Unser Ziel ist es, der multikulturellen Herausforderung gerecht zu werden und uns als bürgerfreundliche Polizei zu präsentieren", so der EXPO-Vorbereitungsstab im Internet. Die Polizeidirektion Hannover erwartet den „größten Polizeieinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland". Ein Großaufgebot von rund 5000 Polizeibeamten soll die Sicherheit gewährleisten. 2900

Polizeibedienstete aus anderen Bundesländern werden für die Dauer der EXPO die niedersächsischen Polizeikräfte unterstützen. Bundesweit wird bei der Polizei für den freiwilligen EXPO-Einsatz geworben. Versprochen wird eine angemessene Unterbringung und ein breitgefächertes Betreuungsangebot. Im Rahmen eines Projektes der Europäischen Union werden zusätzlich 200 Polizeibeamte aus 19 Nationen eingeladen. Sie sollen die internationale polizeiliche Zusammenarbeit im täglichen Dienst praxisnah erproben.

Der Bundesgrenzschutz will seine Planstellen zur EXPO in Hannover verdoppeln. Private Sicherheitsdienste übernehmen die Überwachung des EXPO-Geländes und der Ausstellungspavillons. Jeder Winkel des Geländes soll durch die Videoüberwachung der privaten Sicherheitszentrale erfasst werden. Zusätzlich wird die Polizei mehrere Polizeikommissariate auf dem EXPO-Gelände einrichten.

Erwartet werden 130 Staats- und Regierungschefs und 500 Staatsminister, die alle während ihres Aufenthaltes in Hannover geschützt werden müssen. Über 70 Exponate außerhalb des Ausstellungsgeländes und zahlreiche Veranstaltungen in der Stadt müssen polizeilich geschützt werden. Die Polizei geht von einem erheblich erhöhten Kriminalitätsaufkommen aus, bereitet sich auf mögliche Terroranschläge vor und erwartet vielfältige Aktionen und Demonstrationen zur EXPO. Auch Justiz und Verfassungsschutz sehen zusätzliche Aufgaben durch die EXPO auf sich zukommen. In Hannover-Langenhagen wird für 18 Millionen DM ein EXPO-Gefängnis mit 185 Haftplätzen gebaut. Zusätzliche Mittel werden für Justizpersonal, Informationstechnologie und Unterbringung und Versorgung von Gefangenen kalkuliert. Es wird davon ausgegangen, dass die Zahl der Asylantragsteller erheblich ansteigt. Das Landesamt für Verfassungsschutz sieht einen Bedarf von 64 zusätzlichen Stellen und fordert Sondermittel für die technische Ausstattung. Für die Zeit der EXPO soll der Verfassungsschutz aus anderen Bundesländern und vom Bundesamt für Verfassungsschutz unterstützt werden.

Ich frage die Landesregierung: Gefährdungsanalyse und Prävention

1. Wurde für das Einsatzkonzept EXPO 2000 eine Gefährdungsanalyse erstellt? Wenn ja, von welchen Stellen, und welche konkreten Erkenntnisse liegen der Gefährdungsanalyse zu Grunde?

2. Ist für das EXPO-Sicherheitskonzept ein Controlling-Verfahren eingeführt, welches den Kräfteeinsatz, den Mitteleinsatz und die Notwendigkeit, die Verhältnismäßigkeit und die Effizienz der eingeleiteten Maßnahmen begleitend überprüft und anpasst?

3. Von welcher Besucherzahl ­ insgesamt und pro Tag ­ wird bei der Gefährdungsanalyse ausgegangen?

4. Wurden die Erfahrungen mit der EXPO in Sevilla detailliert ausgewertet? Wenn ja, welche Erkenntnisse haben die Sicherheitsbehörden dadurch im Einzelnen gewonnen, und welche können auf Hannover übertragen werden?

5. Wie hat sich in Sevilla die Kriminalität in Relation zu den Besucherzahlen während der EXPO entwickelt, und welche Maßnahmen wurden dort getroffen?

6. Welche präventiven Maßnahmen wurden bereits ergriffen, um mögliche Gefährdungen zu reduzieren?

7. Trifft es zu, dass im Rahmen des EXPO-Präventions-Programms alle islamischen Vereine und Moscheen in Hannover aufgesucht wurden? Und welche weiteren Organisationen, Vereine oder Treffpunkte wurden im Rahmen dieses Präventions-Programms aufgesucht?

Auswirkungen auf das Leben in der Landeshauptstadt Hannover

8. Welche Auswirkungen werden die Sicherheitsstufen für die zahlreichen in- und ausländischen Staats- und Regierungsgäste für die Bevölkerung haben? Zu welchen Begrenzungen der Freizügigkeit wird es im Rahmen des Personen- und Objektschutzes in Hannover kommen?

9. Sind während der EXPO zeitliche oder räumliche Demonstrationsverbote geplant?

Wird es um das EXPO-Ausstellungsgelände und den EXPO-Bahnhof eine Demonstrationsverbotszone geben? Wenn ja, in welchem räumlichen Ausmaß?

10. Wird es während der EXPO eine Veränderung/Ausweitung der Aufenthaltsverbotszonen geben?

Auswirkungen auf die sonstige polizeiliche Arbeit

11. Wie hoch ist der aktuelle Überstundenstand bei der niedersächsischen Polizei? Und von welchem Überstundenbestand geht die Landesregierung nach Abschluss der EXPO aus? Wie soll dieser abgebaut werden?

12. Hält die Landesregierung es für vertretbar, die Polizei im EXPO-Jahr 2000 zusätzlich mit Atomtransporten nach Gorleben zu belasten?

13. Wie wird sich die Massierung von niedersächsischen Polizeikräften in Hannover auf die ländlichen Kreise und die Besetzung der dortigen Polizeidienststellen auswirken, und welche Maßnahmen sollen ergriffen werden, um einer drohenden personellen Ausdünnung zu begegnen?

14. Wird die Landesregierung einen „Sondertitel EXPO 2000" einrichten und damit gewährleisten, dass die EXPO-bedingten finanziellen Lasten ohne Kürzung Streichung anderer, die Polizei betreffender Titel im Haushalt finanziert werden?

Polizei

15. Welche Rolle spielen der Erlass „Sicherheitspartnerschaft" sowie das Projekt „Sicherheitsnetz" im Zusammenhang mit der EXPO-Sicherheitskonzeption, und wie sollen sie vor und während der EXPO umgesetzt werden? Welche konkreten Aufgaben wird der Bundesgrenzschutz übernehmen?

16. Welche Rolle werden die bereits bestehenden Kriminalpräventionsräte in Hannover sowie der Landespräventionsrat spielen, und wie werden diese in das EXPOSicherheitskonzept einbezogen? In welcher Form ist der Sozialwissenschaftliche Dienst der Polizei an der Erstellung und Umsetzung des EXPO-Sicherheitskonzeptes beteiligt?

17. Wie wurde die Kräfteanforderung der Polizeidirektion Hannover berechnet und begründet? Wie viele Polizeibedienstete aus anderen Ländern und dem Bund werden nach derzeitigem Planungsstand eingesetzt?

18. Wie viele Polizeibeamte haben sich bereits freiwillig für den Dienst in Hannover gemeldet? Wie werden die Polizeikräfte untergebracht, und welche konkreten Planungen gibt es für das angekündigte Betreuungsangebot?

19. Welche besonderen Zulagen erhalten die zur EXPO eingesetzten Polizeibeamten (Reisekosten, Trennungsgeld, Mehrverpflegungsaufwand etc.), und wer trägt die Kosten? An welchen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen können die Polizeibeamten, die während der EXPO in Hannover eingesetzt sind, teilnehmen?

20. Wie werden die Polizeikommissariate auf dem EXPO-Gelände personell und materiell ausgestattet? Welche Nachnutzungskonzepte gibt es für diese zusätzlichen Kommissariate?

21. Welche baulichen Maßnahmen wurden bzw. werden in Hinblick auf die EXPO an polizeilichen Gebäuden bzw. Liegenschaften vorgenommen und mit welchem Kostenaufwand? Welche zusätzlichen Gebäude bzw. Liegenschaften werden für die Unterbringung von Polizei und anderen Sicherheitsbehörden für die Zeit der EXPO angemietet?

22. Welche zusätzliche technische und informationstechnologische Ausrüstung erhält die Polizei anlässlich der EXPO, und welche Kosten sind damit verbunden?

23. Welche Informationssysteme und Dateien werden aufgebaut, um die zu erwartende Datenflut zu bewältigen? Werden EXPO-bezogene Spurendokumentationsdateien eingerichtet? Wenn ja, zu welchen Bereichen? Welche Vorkehrungen werden ergriffen, um die Datenschutzkontrolle personell und finanziell sicherzustellen?

Verfassungsschutz

Wie sieht die aktuelle Lagebeurteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfN) aus? Welche konkreten Gefährdungspotentiale macht das LfV im Einzelnen aus?

25. Wie viele Verfassungsschutz-Bedienstete des Bundes und wie viele anderer Bundesländer werden für die EXPO nach Niedersachsen abgeordnet? Wer trägt die Kosten für diese Unterstützung?

26. Welche zusätzliche technische und informationstechnologische Ausrüstung erhält das LfV anlässlich der EXPO, und welche Kosten sind damit verbunden?

27. Welche Personengruppen und schätzungsweise wie viele Personen werden EXPObedingt sicherheitsüberprüft, und welche Dienststelle führt die Sicherheitsüberprüfungen durch?

Justiz und Justizvollzug

Die Landesregierung plant den Umbau eines Gebäudes der Flughafengesellschaft zu einem EXPO-Gefängnis. Mit welchem zusätzlichen EXPO-bedingten Haftplatzbedarf rechnet die Landesregierung, und auf welcher konkreten Prognose beruht der zusätzliche Bedarf? Wie sieht das Nachnutzungskonzept für diese EXPO-Haftanstalt aus?

29. Wie viele zusätzliche Staatsanwälte und Richter sowie Personal des Justizdienstes werden in Hinblick auf die EXPO benötigt und eingesetzt, und welche Kosten werden dadurch zu wessen Lasten verursacht?

30. Welche Vorbereitungen gibt es im Bereich der Strafjustiz in Bezug auf beschleunigte Verfahren und die Verhängung der Hauptverhandlungshaft?