Emssperrwerk

Am 26. Oktober 1999 hat das Verwaltungsgericht Oldenburg dem Bau des Emssperrwerkes zugestimmt und Klagen von anerkannten Naturschutzverbänden abgewiesen. Unter anderem hat das Gericht den Umweltverbänden ins Stammbuch geschrieben, dass „die Verbände entsprechend ihrer Aufgabe lediglich befugt sind, die Verletzung von Gesichtspunkten, die den Umweltschutz betreffen, zu rügen".

Das Verwaltungsgericht bezog sich damit offensichtlich auf Argumentationen der Umweltverbände u. a. in Bezug auf den Werftstandort der Meyer-Werft, auf angeblich unerlaubte Subventionierung der Meyer-Werft, weswegen die Umweltverbände sogar die EUKommission eingeschaltet und damit dem ansehen der Bundesrepublik Deutschland in der EU bewusst Schaden zugefügt haben, und auf die angebliche Steuerverschwendung durch Land und Bund durch die Finanzierung des Sperrwerksbaus. Diese Kritikpunkte, zu denen die Umweltverbände weder von ihrer Aufgabe noch von ihren fachlichen Voraussetzungen her befähigt sind, wurden durch so genannte Gutachten untermauert, die von den Umweltverbänden in Auftrag gegeben und bezahlt wurden.

Durch die Tätigkeit der Umweltverbände in Bereichen außerhalb der ihnen per Gesetz zugebilligten Interessensphären, nämlich dem Schutz von Umwelt und Natur, sind unnötige Zusatzkosten entstanden.

Dies vorausgeschickt, frage ich die Landesregierung:

1. Wie hoch waren die Kosten der Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem Verbandsklagerecht, und wer muss für diese Kosten aufkommen?

2. Wie hoch waren die Kosten von Gutachten und Gegengutachten

a) im Zusammenhang mit tatsächlichen Umweltgesichtspunkten, für die sich die Umweltverbände einzusetzen haben, und

b) im Zusammenhang mit anderen Themen, die von den Umweltverbänden angesprochen wurden, wie z. B. die angebliche Subventionierung der Meyer-Werft durch den Sperrwerksbau oder auch die angebliche Steuerverschwendung?

3. Die Umweltverbände finanzieren sich durch Spenden und öffentliche Gelder. Wie hoch ist der jeweilige Anteil an Spenden und öffentlichen Mitteln bei den einzelnen Umweltverbänden in den Jahren 1996, 1997 und 1998?

4. Wie hoch ist neben den direkten finanziellen Zuwendungen an die Umweltverbände durch die öffentliche Hand der Verlust an Steuereinnahmen, derweil die Spenden Dritter an die als gemeinnützig anerkannten Umweltverbände steuerlich geltend gemacht werden können, ebenfalls wieder bezogen auf die einzelnen Umweltverbände und die Jahre 1996, 1997 und 1998?

5. In welchem Umfang beabsichtigt die Landesregierung, die öffentlichen Gelder zur Finanzierung der Umweltverbände vor dem Hintergrund zu kürzen, dass selbst das unabhängige Verwaltungsgericht Oldenburg den Verbänden bescheinigt hat, sich nicht nur um Gesichtspunkte des Umweltschutzes im Zusammenhang mit dem Bau des Emssperrwerkes gekümmert zu haben, sondern auch Kritik in Bereichen geübt zu haben, für die ihnen keinerlei Befugnis zugesprochen werden kann?

6. Ab welchem Zeitpunkt des Verfahrens ist der Landesregierung klar geworden, dass es den Umweltverbänden wie von den Befürwortern des Sperrwerks behauptet, bei ihrem Engagement nicht in erster Linie um die Wahrung der Belange von Umwelt- und Naturschutz, sondern um die Ausübung von persönlichen Machtgelüsten einzelner Funktionäre ging, und welche Konsequenzen zieht sie aus ihren Erkenntnissen?

7. Konkret nachgefragt: In welchen Bereichen ihrer Vorgehensweise haben sich die Umweltverbände nach Auffassung der Landesregierung nicht an die Vorgaben des Verbandsklagerechtes gehalten, welche Argumente und Gutachten sind nicht durch dieses Gesetz abgedeckt?

8. Hält die Landesregierung das Verbandsklagerecht vor dem Hintergrund der von vielen gesehenen Gefahr eines Missbrauches dieses Instrumentes durch die Verbände für änderungsbedürftig, und welche konkreten Änderungen sind erforderlich?

9. Welche anderen Maßnahmen sind sinnvoll, damit sich Umweltverbände künftig ausschließlich um ihre satzungsgemäßen Ziele kümmern und politische Machtspiele wie beim Kampf gegen das Emssperrwerk ausgeschlossen sind?

Die Bezirksregierung Weser-Ems hat den mit Antrag vom 15.08.1997 vorgelegten Plan zur Errichtung des Sperrwerkes in der Ems bei Gandersum am 14.08.1998 festgestellt und den Sofortvollzug angeordnet. Aufgrund von zehn Anträgen, davon zwei durch Naturschutzverbände, hat das Verwaltungsgericht (VG) Oldenburg mit Beschluss vom 24.11.1998 die von der Bezirksregierung Weser-Ems verfügte Anordnung des Sofortvollzuges für unwirksam erklärt und einen Baustopp ausgesprochen, der am 25.11. wirksam wurde. Diese Entscheidung des VG Oldenburg im Eilverfahren wurde durch den Beschluss des OVG Lüneburg im Beschwerdeverfahren am 01.02.1999 bestätigt. Durch diese gerichtlichen Entscheidungen sind dem Land Kosten im Zusammenhang mit dem Verbandsklagerecht entstanden.

Am 22.07.1999 hat die Bezirksregierung Weser-Ems einen Planergänzungsbeschluss zum „Planfeststellungsbeschluss zum Emssperrwerk vom 14.08.1998" erlassen und erneut die sofortige Vollziehung angeordnet und damit den Baustopp aufgehoben. Wiederum wurde u. a. von zwei Naturschutzverbänden beim Verwaltungsgericht Oldenburg beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Planfeststellungsergänzungsbeschluss vom 22.07.1999 wieder herzustellen. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde jedoch vom Verwaltungsgericht Oldenburg mit Beschluss vom 26. Oktober 1999 als in der Sache unbegründet zurückgewiesen. Damit konnten die Bauarbeiten für das Emssperrwerk am 27.10.1999 wieder aufgenommen werden. Durch diese gerichtlichen Entscheidungen sind dem Land Kosten im Zusammenhang mit dem Verbandsklagerecht nicht entstanden.

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1: Durch die von zwei Naturschutzverbänden angestrengten gerichtlichen Verfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss für das Emssperrwerk vom 14.08.1998 sind der Bezirksregierung Weser-Ems beim VG Oldenburg und beim OVG Lüneburg an Verfahrenskosten sowie an Kostenerstattungen für gegnerische Parteien gemäß Kostenfestsetzungsbeschluss des VG Oldenburg bisher Kosten in Höhe von 2 766,70 DM entstanden. Die gerichtlichen Auseinandersetzungen, in denen das Land nicht obsiegt hat, sind sowohl von den Gerichtskosten als auch von den Kosten der gegnerischen Parteien noch nicht abgeschlossen. Die für das Land noch zu erwartenden Kosten sind allerdings sehr gering.

Die Kosten der anwaltlichen Beratung im Rahmen der Prozessvertretung in den Verfahren vor dem VG Oldenburg und dem OVG Lüneburg und für die Erstellung des Planergänzungsbeschlusses für das Emssperrwerk belaufen sich auf 226 693 DM. Diese Kosten sind nur zu einem nicht näher bestimmbaren Teil dem Verbandsklagerecht zuzurechnen, da von insgesamt zehn Gerichtsverfahren nur zwei von Naturschutzverbänden zu vertreten sind.

Die von Bediensteten des Antragstellers und der Planfeststellungsbehörde erbrachten Arbeitsleistungen im Rahmen der Gerichtsverfahren lassen sich nicht erfassen und sind in den vorgenannten Kosten nicht enthalten.

Zu 2: a) Für Gutachten zu Belangen des Naturschutzes sowie für Untersuchungen von Deicherhöhungen alternativ zum Sperrwerk sind von Dritten durch Gutachten Leistungen in Höhe von rund 277 232,16 DM erbracht worden.

b) Zu Fragen des Sperrwerksbaues in Bezug auf Belange der Wirtschaft sind Gutachten an Dritte nicht vergeben worden.

Zu 3: Über die Höhe der den Umweltverbänden zugeflossenen Spenden liegen der Landesregierung keine Angaben vor, so dass insbesondere der jeweilige Anteil der Spenden an der gesamten Finanzierung nicht dargestellt werden kann.

Nach dem Gesetz zur finanziellen Förderung der Arbeit von Umwelt- und Naturschutzverbänden in Niedersachsen vom 6. Juni 1994 (Nds. GVBl. S. 236) haben die danach anspruchsberechtigten Verbände in den Jahren 1996, 1997 und 1998 jeweils zusammen eine Finanzhilfe in Höhe von 1 203 125 DM erhalten.

Nach § 5 dieses Gesetzes können die Umweltverbände daneben zur Durchführung bestimmter Einzelvorhaben Zuwendungen beantragen. Dies geschieht insbesondere im Rahmen der Richtlinie über die Gewährung der Zuwendungen für Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltvorsorge und des Umweltbewusstseins (Runderlass des Umweltministeriums vom 28.07.1995). Die Verwendung dieser Zuwendungen für die Eigenfinanzierung der Antragsteller ist jedoch ausgeschlossen. Auf der Grundlage dieser Richtlinie haben die Verbände die folgenden Zuwendungen erhalten: 1996 170 346 DM, 1997 187 331 DM, 1998 106 421 DM.

Zu 4: Den verfügbaren steuerstatistischen Daten lässt sich nicht entnehmen, wie hoch die Spenden zur Förderung des Umweltschutzes in einem bestimmten Zeitraum waren. Deshalb kann auch nicht ermittelt werden, welchen Steuerausfall Spenden an Umweltschutzverbände verursachen.

Zu 5: Das Gesetz zur finanziellen Förderung der Arbeit von Umwelt- und Naturschutzverbänden in Niedersachsen sieht eine Kürzungsmöglichkeit der Förderung nicht vor. Die Landesregierung ist zu einem solchen Schritt daher nicht befugt. Die gesetzeskonforme Verwendung der Mittel wird im Einzelfall ebenso überprüft wie die Fördervoraussetzungen.

Die Landesregierung hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Fördervoraussetzungen des Gesetzes bei den nach diesem Gesetz geförderten Verbänden entfallen sein sollten.

Zu 6: Das Klagerecht von Verbänden richtet sich nach § 60 c des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes (NNatG). Eine Verbandsklage muss auf die Wahrung des geltenden Rechts gerichtet sein. Es liegt nicht in der Hand eines Naturschutzverbandes, sondern in der Entscheidung unabhängiger Gerichte, ob eine Verwaltungsentscheidung aufgehoben oder ausgesetzt wird.

Der Vorwurf, dass es den Umweltverbänden, wie von einigen Befürwortern des Sperrwerks behauptet, bei ihrem Engagement nicht in erster Linie um die Wahrung der Belange von Umwelt- und Naturschutz, sondern um die Ausübung von persönlichen Machtgelüsten einzelner Funktionäre gehe, kann aus rechtlicher Sicht nicht nachvollzogen werden, weil die Ausgestaltung des Verbandsklagerechts einen solchen Missbrauch ausschließt. Voraussetzung der Verbandsklage ist immer, dass der Verband geltend macht, es seien Rechtsvorschriften verletzt, die den Belangen des Naturschutzes dienen (§ 60 c Abs. 1 NNatG). Die Verletzung von Vorschriften, die dem Naturschutz dienen, muss der Verband gegenüber dem Gericht überzeugend vortragen, und das Gericht muss diesen Vorwurf auch nach Anhörung der Verwaltungsbehörde zutreffend finden, damit es zugunsten des Verbandes entscheidet. Eine missbräuchliche Klageerhebung wäre nach geltendem Recht ohne Chancen; ein Verband würde damit nur Geld und Überzeugungskraft verlieren.

Zu 7: Die Prüfung und Entscheidung, ob sich die Umweltverbände bei ihrer Vorgehensweise an die Vorgaben des Verbandsklagerechts gehalten haben, obliegt den Verwaltungsgerichten, die nach unserer Verfassungsordnung unabhängig urteilen. Die gerichtlichen Entscheidungen unterliegen nicht einer Beurteilung durch die Landesregierung.

Zu 8: Der Niedersächsische Landtag hat in seiner Sitzung am 12.02.1997 eine Entschließung angenommen, die die Bedeutung der Verbandsklage hervorhebt. Darin wird das Verbandsklagerecht als ein wichtiges und erfolgreiches Instrument zur stärkeren Berücksichtigung von Umweltbelangen bei Verwaltungsentscheidungen bewertet.

Die vom Verbandsklagerecht ausgehende Wirkung besteht insbesondere darin, dass bereits im Vorfeld von Konflikten zwischen den Ansprüchen des Naturschutzes und beabsichtigten Nutzungen tragfähige Lösungen gefunden werden und möglichen Rechtsstreitigkeiten vorgebeugt wird. Das Verbandsklagerecht hat damit unmittelbar zu einer stärkeren Beachtung von Belangen des Umweltschutzes und des Naturschutzes in vielen Entscheidungsprozessen geführt.

Der Landtag hat in seiner Entschließung den verantwortungsvollen und vorbildlichen Umgang der Umweltverbände mit dem Verbandsklagerecht begrüßt. Er hat allen Bestrebungen, das Verbandsklagerecht im Niedersächsischen Naturschutz abzuschaffen oder materiell auszuhöhlen, eine klare Absage erteilt. Es besteht kein Änderungsbedarf des Verbandsklagerechts.

Zu 9: Keine.