Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit

Die Abwendung von Ersatzfreiheitsstrafen durch die Ableistung gemeinnütziger Arbeit stellt ein wichtiges Element zur Vermeidung von Inhaftierungen und somit zur Verringerung des erheblichen Belegungsdrucks in Justizvollzugsanstalten dar.

Während für einen Hafttag pro Person Kosten in Höhe von ca. 150 DM anzusetzen sind, erbringen die Verurteilten im Rahmen von gemeinnütziger Arbeit sogar produktive Leistungen.

Auch vor dem Hindergrund, dass durch die Anordnung und den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen Verurteilte in den Strafvollzug gelangen, bei denen der Richter ursprünglich eine Geldstrafe für die angemessene Sanktion angesehen hat, sind Alternativen zur Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafen von Bedeutung.

Darüber hinaus könnte bei zukünftigen Reformen des strafrechtlichen Sanktionensystems die gemeinnützige Arbeit eine zunehmende Bedeutung erlangen.

Dieses vorangestellt, frage ich die Landesregierung:

1. In wie vielen Fällen wurden in den vergangenen zwei Jahren in Niedersachsen insgesamt Ersatzfreiheitsstrafen angeordnet?

2. In wie vielen dieser Fälle wurde die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch die Ableistung von gemeinnütziger Arbeit abgewendet?

3. Welche Formen der gemeinnützigen Arbeit gibt es in Niedersachsen, und wie verteilt sich die abgeleistete gemeinnützige Arbeit auf diese Formen?

4. Wer sind die Träger der gemeinnützigen Arbeit?

5. Welche Kosten sind dem Land Niedersachsen entstanden

­ durch die Ableistung von gemeinnütziger Arbeit in freier Trägerschaft,

­ durch die Ableistung von gemeinnütziger Arbeit in staatlicher Trägerschaft?

6. Wie hoch ist die Kostenersparnis bei der Ableistung von gemeinnütziger Arbeit im Vergleich zum Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe?

7. Bestehen Konkurrenzsituationen zu anderen Formen subventionierter Arbeit?

Viele Verurteilte sind aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation nicht in der Lage, eine gegen sie verhängte Geldstrafe zu zahlen.

Mit dem Programm „Schwitzen statt Sitzen" können Verurteilte in Niedersachsen durch die Ableistung gemeinnütziger Arbeit die Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafe abwenden (VO vom 19.04.1996 - Nds. GVBl. 96, 215).

Die Vermittlung der freien Arbeit erfolgt über die Gerichtshilfe. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wählen - möglichst unter Berücksichtigung von Vorschlägen der Verurteilten - im Auftrag der Vollstreckungsbehörde geeignete Beschäftigungsstellen aus, weisen die Verurteilten in die Beschäftigungsstellen ein und überwachen die freie Arbeit.

Durch gemeinnützige Arbeit kann die Inhaftierung mit all ihren negativen sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen vermieden, gleichzeitig aber die Tat angemessen geahndet werden.

Dabei ist die gemeinnützige Arbeit auch effektiv und kostensparend. Durch die Vermeidung der Haft ermöglicht sie mehr Wirtschaftlichkeit in der Abwicklung von Straf- und Voll-streckungsverfahren.

Es überrascht daher nicht, dass die Vermittlung gemeinnütziger Arbeit in den letzten Jahren ein immer wichtigeres Thema für die Justiz geworden ist.

Obwohl die Zahl der zu vollstreckenden Geldstrafen seit 1991 im Wesentlichen stagniert, ist die Zahl der durch Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe belegten Haftplätze im Vergleichszeitraum um mehr als die Hälfte gestiegen. Hier spiegeln sich fortlaufend schlechter gewordene soziale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen wider.

Um so erfreulicher ist es, dass die Arbeit der Gerichtshelferinnen und Gerichtshelfer in vielen Fällen dazu beitragen konnte, durch die Vermittlung gemeinnütziger Arbeit Haft zu vermeiden.

Dabei zeigt sich überdies eine deutlich steigende Tendenz: Lag die Zahl der in freie Arbeit vermittelten Personen im Jahr 1991 noch bei 974, so konnten im Jahr 1995 schon 2 259 und im Jahr 1998 2 650 Personen die Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe durch Ableistung freier Arbeit abwenden. Damit konnten 1991 rund 70, 1995 immerhin schon 120 und 1998 schließlich 221 Haftplätze erspart werden.

Gerade angesichts der hohen Arbeitsbelastung der Gerichtshilfe verdient noch besondere Betonung, dass die Vermittlung von gemeinnütziger Arbeit seit 1991 nicht nur mit dem Anstieg der zu verbüßenden Ersatzfreiheitsstrafen Schritt halten, sondern sogar überproportional gesteigert werden konnte.

Insgesamt hat das Programm "Schwitzen statt Sitzen" dem Land Niedersachsen seit 1991

Haftkosten in Höhe von fast 55 Mio. DM erspart, davon mehr als 12 Mio. DM allein im Jahr 1998.

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1: In Niedersachsen ist im Jahr 1997 gegen 100 523, im Jahr 1998 gegen 100 793 und im Jahr 1999 gegen 92 789 Personen die Vollstreckung einer Geldstrafe, einer Geldbuße, eines Ordnungs- oder Zwangsgeldes, von Wertersatz oder einer Erzwingungshaft eingeleitet worden.

Die Zahl der Personen, gegen die die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet werden musste, ist den vom Niedersächsischen Landesamt für Statistik zur Verfügung gestellten Zahlen nicht zu entnehmen.

Aus der Strafvollzugsstatistik ergibt sich indes, dass durch die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe 1997 durchschnittlich 240, 1998 355 und 1999 341 Haftplätze belegt wurden.

Zu 2: Im Jahr 1997 haben insgesamt 2 582 und im Jahr 1998 insgesamt 2 650 Personen die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ganz oder teilweise durch gemeinnützige Arbeit abgewendet.

Die für die Vermittlung von gemeinnütziger Arbeit maßgebliche Verordnung vom 19.04.1996 gibt keine inhaltlichen Vorgaben für Art und Form der freien Arbeit.

Freie Arbeit im Sinne der Verordnung ist eine gemeinnützige und unentgeltliche Tätigkeit.

In der Praxis werden Tätigkeiten zum Beispiel im Bereich der Pflege von öffentlichen Gartenanlagen und Friedhöfen, beim städtischen Bauhof, im Einzelfall aber auch bei sozialen Einrichtungen vermittelt.

Zu 4, 5 und 6: In Niedersachsen erfolgt die Vermittlung von gemeinnütziger Arbeit zur Abwendung der Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafe über die Gerichtshilfe, die organisatorisch den Staatsanwaltschaften zugeordnet ist.

Eine Vermittlung durch freie Träger findet nicht statt.

Eine genaue Ausweisung der Kosten für die Vermittlung gemeinnütziger Arbeit in staatlicher Trägerschaft ist nicht möglich.

Neben der Vermittlung gemeinnütziger Arbeit werden die Gerichtshelferinnen und Gerichtshelfer auch als Helfer der Staatsanwaltschaft im Ermittlungs- und im Vollstreckungsverfahren (§ 160 Abs. 3 Satz 2, § 463d StPO), im Rahmen der Haftentscheidungshilfe und in zunehmendem Maße im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs tätig (§ 46a StGB, §§ 153a, 155a StPO). Überdies weisen die einzelnen Gerichtshilfestellen Unterschiede in der Stellenausstattung, in den Arbeitsschwerpunkten, in der Arbeitsorganisation und in der Arbeitsbelastung auf.

Die durch die Arbeit der Gerichtshilfe im Bereich der gemeinnützigen Arbeit entstandenen Personal- und Sachkosten sind auf dieser Grundlage nicht hinreichend verlässlich zu berechnen.

Daher kann auch die Kostenersparnis bei der Ableistung von gemeinnütziger Arbeit im Vergleich zum Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe nicht konkret bestimmt werden.

Zu 7: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass, ob und falls ja, inwieweit Konkurrenzsituationen zu anderen Formen subventionierter Arbeit bestehen. Namentlich ist nicht bekannt, dass die Vermittlung von Arbeitssuchenden oder von Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern durch das Programm „Schwitzen statt Sitzen" vereitelt oder erschwert worden wäre.