Neuordnung des öffentlichen Personennahverkehrs

An den Herrn Präsidenten des Niedersächsischen Landtages Hannover Sehr geehrter Herr Präsident, beigefügt übersende ich gemäß § 4 Abs. 7 des Niedersächsischen Gesetzes zur Neuordnung des öffentlichen Personennahverkehrs einen Bericht zur Aufgabenträgerschaft im Schienenpersonennahverkehr in dreifacher Ausfertigung.

Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass sich die bisherige Aufgabenzuordnung insgesamt bewährt hat. Die Erfahrungen mit der Landesnahverkehrsgesellschaft und den beiden Zweckverbänden in Hannover und Braunschweig sind grundsätzlich positiv. Der Bericht geht deshalb prinzipiell von der Beibehaltung der bisherigen Aufgabenzuordnung aus.

Es wird empfohlen, die bisherige Öffnungsklausel gemäß § 4 Abs. 2 NNVG, nach der das Land den Landkreisen, kreisfreien Städten und deren Zusammenschlüssen auf Antrag die Aufgabenträgerschaft für den SPNV übertragen kann, beizubehalten.

Die Landesregierung ist bereit, den SPNV auf übernahmewillige Landkreise und kreisfreie Städte dann zu übertragen, wenn sie sich zu Zweckverbänden in entsprechenden Verkehrsräumen zusammenschließen wollen.

Die Landesregierung ist weiterhin darum bemüht, dass die Bundesregierung das Regionalisierungsgesetz entsprechend den abgeschlossenen Untersuchungen des Bundes anpasst, um u. a. auch die Bereitschaft der Landkreise zur Übernahme des SPNV zu stärken.

Federführend ist das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr.

Nach § 4 Abs. 7 des Niedersächsischen Nahverkehrsgesetzes (NNVG) vom 28.06.

(Nds. GVBl. S. 180) hat der Gesetzgeber die Landesregierung beauftragt zu prüfen und dem Landtag zu berichten, ob es sich zur Stärkung der Wirtschaftlichkeit und zur Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) empfiehlt, nach dem 31.12.1999 die Aufgabenträgerschaft im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) zu ändern und auch diese Zuständigkeit auf Landkreise und kreisfreie Städte oder deren Zusammenschlüsse zu übertragen.

Der gesetzliche Prüfauftrag, die Zuständigkeit für Planung, Organisation und Finanzierung des ÖPNV möglicherweise auf kommunaler Ebene zusammen zu führen, hat seinen Ursprung in der Entstehungsgeschichte des Niedersächsischen Gesetzes zur Neuordnung des öffentlichen Personennahverkehrs vom 28.06.1995 (Nds. GVBl. S. 180) und im Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Regionalisierungsgesetz, RegG) vom 27.12.1993 (BGBl. I S. 2378, 2395). Nach § 1 Abs. 2 RegG bleibt die Bestimmung der Stellen, die ÖPNV-Verantwortung tragen, landesrechtlicher Regelung vorbehalten. § 3 RegG legt eine Zusammenführung nahe, verlangt diese jedoch nicht. Jedes Land kann im Rahmen seiner Organisationshoheit unter Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten für sein Gebiet die Zuständigkeiten selbst bestimmen.

Zurzeit liegt die Zuständigkeit für den SPNV grundsätzlich beim Land, für den straßengebundenen ÖPNV bei den Landkreisen und kreisfreien Städten. Ausnahmen bilden die Zweckverbände Großraum Braunschweig (ZGB) und Kommunalverband Großraum Hannover (KGH), denen die Zuständigkeit für den gesamten ÖPNV obliegt. Dieses war nahe liegend weil die Verbände schon vor In-Kraft-Treten der Regionalisierung Aufgaben auf dem Gebiet des ÖPNV wahrgenommen hatten. Einige Landkreise und kreisfreie Städte haben die Aufgabenträgerschaft für den straßengebundenen ÖPNV auf neu gegründete Zweckverbände - Zweckverband Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (ZVBN) und Zweckverband Verkehrsverbund Südniedersachsen (ZVSN) - übertragen.

Eine Übertragung der Zuständigkeiten für den SPNV auf die kommunale Ebene wurde zunächst als unzweckmäßig erachtet. Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH (LNVG) ist als landeseigene Gesellschaft von der Landesregierung seit 1996 beauftragt, als Zentrale Stelle für den ÖPNV die Aufgabenträgerschaft des Landes für den SPNV wahrzunehmen, soweit sie nicht anderen Stellen obliegt. Ihre Aufgabe besteht gemäß § 8 Abs. 1 NNVG in der Erarbeitung und Fortschreibung eines Bedienungskonzeptes für den SPNV, der laufenden Überprüfung von SPNV-Betriebsleistungen im Hinblick auf Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit, dem Abschluss von Verkehrsverträgen sowie der Gewährung von Finanzhilfen für den SPNV und Verkehrsprojekte der EXPO 2000.

Im Zuständigkeitsbereich der LNVG liegt auch die zentrale Finanzsteuerung und -planung. Die hierzu entwickelten landesweiten ÖPNV-Förderprogramme unterliegen der Beratung und Beschlussfassung durch den Aufsichtsrat der Gesellschaft und bedürfen der Zustimmung durch das niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr.

Übrige Länder:

Die Aufgabenträgerschaft für den SPNV ist in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland unterschiedlich geregelt. So wurde z. B. in Bayern, Baden-Württemberg,

Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen die Verantwortung für den SPNV gesetzlich nicht kommunalen Gebietskörperschaften, sondern dem jeweiligen Land zugeordnet, in Sachsen und Sachsen-Anhalt allerdings nur für eine Übergangszeit bis 2002. Bis auf wenige Ausnahmen enthalten diese Landesgesetze Bestimmungen, nach denen die Aufgabenträgerschaft für den SPNV auch auf kommunale Gebietskörperschaften übertragen werden kann. In Berlin und Hamburg sind die Länder (Stadtstaaten) sowohl für den SPNV als auch für den straßengebunden ÖPNV zuständig. In Bremen hat das Land die SPNV-Aufgabenträgerschaft inne; es ist beabsichtigt, diese - ebenso wie beim straßengebundenen ÖPNV auf den ZVBN zu übertragen. Allerdings setzt dies einen noch ausstehenden einstimmigen Beschluss der Verbandsversammlung voraus. Die Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben die SPNV-Verantwortung auf kommunale Gebietskörperschaften in Form von Zweckverbänden übertragen.

Die Länder berichten, dass sich die von ihnen jeweils gewählten Lösungen bisher bewährt haben. Eine Änderung der Aufgabenzuordnung ist gegenwärtig in keinem Land beabsichtigt.

2. Bestehende Finanzausstattung

Nachdem die Länder neben der Aufgaben- auch die Ausgabenverantwortung für den SPNV übernommen haben, erhalten sie nach dem Regionalisierungsgesetz (RegG) aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bundes für den öffentlichen Personennahverkehr derzeit jährlich 12 Mrd. DM. Dieser Betrag, der nach geltendem Recht ab 1998 bis 2001 jährlich entsprechend dem Wachstum der Umsatzsteuer steigt, setzt sich aus den Mitteln nach § 8 Abs. 1 RegG zur Aufrechterhaltung des SPNV-Angebotes nach dem Fahrplan 1993/94 und den Mitteln nach § 8 Abs. 2 RegG zur investiven und konsumtiven Verbesserung des ÖPNV zusammen. Im Jahre 2001 wird mit Wirkung ab 2002 die Höhe der Steigerungsrate neu festgesetzt sowie durch zustimmungspflichtiges Bundesgesetz neu bestimmt, aus welchen Steuereinnahmen der Bund den Ländern den Betrag leistet (§ 5 Abs. 2 Satz 2 RegG).

Nach § 6 Abs. 1 RegG war bis Ende 1997 zu prüfen, ob ein Betrag von 7,9 Mrd. DM ausreicht, um für die Jahre 1998 bis 2001 Betriebsleistungen im SPNV im gleichen Umfang vereinbaren zu können, wie sie nach dem Fahrplan 1993/94 erbracht worden sind. Das Gutachten der mit der Prüfung beauftragten WIBERA Wirtschaftsberatung AG kam zum Ergebnis, dass 7,9 Mrd. DM ausreichen, um Betriebsleistungen des Fahrplans 1993/94 bundesweit im gleichen Umfang auch im Prognosezeitraum (1998 bis 2001) vereinbaren zu können. Die Untersuchung zeigte aber auch, dass die in § 8 Abs. 1 RegG festgelegten Beträge bei einzelnen Ländern für Vereinbarungen über Betriebsleistungen entsprechend jenem Fahrplan zum Teil nicht ausreichen oder zu hoch bemessen sind.

Nach geltendem Recht stehen dem Land Niedersachsen einschließlich KGH und ZGB für die Aufrechterhaltung des bisherigen SPNV-Angebotes (§ 3 NNVG) jährlich rund 536 Mio. DM zu. Nach der WIBERA-Untersuchung sollte Niedersachsen insgesamt zur Finanzierung dieses Angebots in der Zeit von 1998 bis 2001 jährlich in Anpassung an die festgestellte Kosten-Erlös-Situation rund 683 Mio. DM erhalten. Der Versuch einer Anpassung des RegG an die Ergebnisse des WIBERA-Gutachtens durch eine Bundesratsinitiative des Landes Niedersachsen (BR-Drs. 298/98 vom 01.04.1998/BT-Drs. 13/10832 vom 27.05.1998) ist in der vergangenen Legislaturperiode gescheitert. Auch die ursprüngliche Absicht der vorigen Bundesregierung, die Transfermittel des Bundes an die Länder im 4-Jahres-Zeitraum von 1998 bis 2001 um insgesamt rund 1,2 Mrd. DM zu kürzen, wurde nicht verwirklicht.

Im Oktober 1999 hat eine von der Verkehrsministerkonferenz eingesetzte politische Arbeitsgruppe mit Vertretern des BMVBW und des BMF erneut die Thematik erörtert. In dem Gespräch wurden keine Ansatzpunkte für einen Kompromiss zwischen dem Bund und den Ländern gesehen.