Emssperrwerk

Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat durchgreifende rechtliche Bedenken an der Darstellungsweise der Planfeststellungsbehörde, dass sich das Bauwerk aus Küstenschutzgründen rechtfertigt. Zur Begründung sagt das Gericht, dass die Gewichtung schon deshalb fehlerhaft sei, weil die Kosten des Bauwerks die mittelfristig für Deicherhöhungen notwendigen Mittel bei weitem überschreiten (120 Mio. DM) und auch der Standort Gandersum durch die Staufunktion mitbestimmt würde. Das Verwaltungsgericht bewertet beide Funktionen als gleichwertig. Unter diesem gerichtlich festgestellten Aspekt muss die Finanzierung infrage gestellt werden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Der Beschluss des OVG Oldenburg besagt u. a.: „Durchgreifende Bedenken hat die Kammer allerdings im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin (Meyer-Werft) vorgenommene Gewichtung der für das Vorhaben sprechenden Belange insoweit, als vorgebracht wird, dass sich das Sperrwerk als Bau allein aus den genannten Küstenschutzgründen rechtfertige, die deshalb die Hauptfunktion des Vorhabens darstelle.

Diese Gewichtung erscheint schon deshalb fehlerhaft und gekünstelt, weil die nicht unbeträchtlichen Kosten des Bauwerks die mittelfristig für Deicherhöhungen notwendigen Mittel bei weitem überschreitet.(...) dass die Erhaltung und Verbesserung der Wirtschafskraft der Region Papenburg erreicht werden solle, die Erhöhung der Hauptdeiche allein sich dazu aber nicht eigne.(...) dass sich die Frage der Deicherhöhungen nur stellen würde, wenn ein reines Küstenschutzprojekt geplant sei." (Verwaltungsgericht Oldenburg, 27.10.1999, Beschluss Az. 1 B 321/99, S. 23). Wie sieht die Stellungnahme der Landesregierung zur zitierten Auffassung des Gerichts aus?

2. Warum erfolgt die Finanzierung des Emssperrwerks trotz der gerichtlich festgestellten gleichwertigen Gewichtung der Funktionen Küstenschutz einerseits und Verkehr/Wirtschaft andererseits zu drei Vierteln aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" und lediglich zu ca. einem Viertel (82 Mio. DM) aus dem Verkehrsetat des Bundes?

3. Wie begründet die Landesregierung, dass das Umweltministerium 770 000 DM aus der GA „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz für das Ledaschöpfwerk bereitgestellt hat, obwohl laut Punkt 2.3 der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GA) Schöpfwerke aller Art und Größe von der Förderung ausgeschlossen sind und auch die hilfsweise Argumentation mit Kapitel 4.2, in dem es heißt „werden durch Küstenschutzmaßnahmen andere Baumaßnahmen zwingend notwendig, so können diese in unabweisbar erforderlichem Umfang ebenfalls gefördert werden (Veranlassungsprinzip) im vorliegenden Fall nicht in Betracht zu kommen scheint, da das Schöpfwerk an der Leda nicht durch die Küstenschutzmaßnahme Emssperrwerk, sondern ausschließlich durch den Ausbau der Bundeswasserstraße Ems durch die Staufunktion des Emssperrwerkes notwendig ist und gemäß Planfeststellungsbeschluss zum Emssperrwerk auch ausschließlich im Staufall benötigt und eingesetzt werden soll?

4. Welche Möglichkeiten bestehen, das Ledaschöpfwerk aus Mitteln des Verkehrsoder Wirtschaftsetats zu finanzieren, und warum werden diese nicht genutzt?

5. Wie hoch sind die zusätzlichen Kosten für die Errichtung und die zu erwartenden jährlichen Betriebskosten, die durch das Umsetzen der im Planfeststellungsbeschluss festgelegten Nebenbestimmungen z. B. Bau, Erneuerung und Erhöhung der Pumpleistung von Schöpfwerken, die Herrichtung von Sommerdeichen an der Ems, Einrichtung eines Monitoring-Systems im Leda-Jümme-Gebiet usw., entstehen?

6. Wie hoch sind die Kosten für die vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich der im Planergänzungsbeschluss im Rahmen einer vorbehaltenen Entscheidung festgelegten zusätzlichen Maßnahme für den Vogelschutz? Sind die Kosten für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in den Investitionskosten enthalten? Welchen Anteil haben die Kosten für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in der Gesamtkostenrechnung? Wer kommt für diese Finanzierung auf?

7. Wie hoch sind die jährlichen Folgekosten für den Betrieb des Emssperrwerkes? Wer kommt für diese Kosten auf? Sind diese Kosten in die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung mit eingegangen?

8. Zurzeit wird zur Erreichung der Bedarfstiefe die Ems fast permanent ausgebaggert.

Welche Mittel, in welcher Höhe, unter welchem Haushaltstitel sind im Bundeshaushalt für die Unterhaltsbaggerungen „Basistiefe" eingestellt? Welche Mengen wurden 1998 und 1999 gebaggert? Wo wurden die Sedimente verklappt bzw. entsorgt?

9. Weshalb zahlt der Antragsteller der Bedarfstiefe, - hier der Landkreis Emsland nicht die zusätzlichen Kosten? Wie ist diese Kostenübernahme durch den Bund rechtlich begründet?

10. Ist das Land Niedersachsen an den Kosten zur Erhaltung

a) der Basistiefe und

b) der Bedarfstiefe beteiligt?

11. Auf welcher rechtlichen Grundlage sperrt das Land die Seewasserstraße Ems, um „einem" das Befahren zu gewähren und zugleich „anderen" das Befahren zu verwehren? Wie ist die Sperrung mit der Widmung der Seewasserstraße Ems zu vereinbaren?

12. Was ist die „Flexibilisierung" einer Wasserstraße? Auf welcher gesetzlichen Grundlage kann die „Flexibilisierung der Bundeswasserstraße" beantragt werden?

Wem kommt diese zugute? Wer trägt die Flexibilisierungskosten und wer die Unterhaltungskosten?

13. Durch den Baustopp sind nach Pressemitteilungen die Baukosten auf 400 Mio. DM gestiegen. Wer kommt für die Mehrkosten auf. Aus welchen Haushaltstiteln werden sie bereitgestellt? Der Bund hat die Zusage zur Beteiligung an den Investitionskosten für den Bau des Emssperrwerkes auf der Grundlage der Gesamtkosten von 353 Mio. DM gemacht. Durch den Baustopp sind laut Pressemitteilungen die Baukosten auf 400 Mio. DM gestiegen. Wie hoch sind die Baukosten gegenüber der ursprünglich veranschlagten Summe? Wer hat diese Mehrausgaben zu tragen? Hat die Landesregierung die geänderte Kostengrundlage dem Bund mitgeteilt? Lässt der Bund seine Zusage zur Förderung auf der neuen Kostengrundlage bestehen?

14. Mit der Staufunktion soll die Wirtschaftskraft der „Region" gestärkt werden. Welche konkreten Nutznießer, außer der Meyer-Werft, sind in der Region vorhanden?

Gibt es vonseiten des Landes eine Kosten-Nutzen-Analyse bzw. Gutachten und/oder Prognosen, die die im Planfeststellungsbeschluss geäußerten Feststellungen untermauern? Wie steht die Landesregierung zu dem Vorwurf, der von der EUKommission geprüft wird, es handle sich bei dem Sperrwerksbau um eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten der Meyer-Werft?

15. Gibt es eine Verantwortlichkeit und/oder Haftung für die entstandenen Kosten durch den Baustopp?

16. Wer ist zuständig für die Kontrolle der Einhaltung der Vorgaben im Planfeststellungsbeschluss? Von wem werden die zuständigen Behörden über den Verlauf des Bauvorhabens informiert?

17. Welche Möglichkeiten hat der Bürger/die Bürgerin, den ordnungsgemäßen Ablauf des Bauvorhabens und die Einhaltung der Vorgaben im Planfeststellungsbeschluss nachzuvollziehen? Bei welchen Vorgängen können sich die Bürger an welche zuständige staatliche und/oder kommunale Behörde wenden (z. B. bei Lärmimmissionen)?

Für die Wahl des Standortes des Sperrwerkes waren vorrangig Küstenschutzgesichtspunkte maßgebend. Das Sperrwerk sollte so nah wie möglich am Dollart errichtet werden, damit die stromab gelegenen Deichstrecken möglichst kurz bleiben. Wegen der Rücksichtnahme auf das Naturschutzgebiet „Petkumer Deichvorland" kam nur ein Standort bei Gandersum in Frage. Dieser Standort wurde von der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) gutachtlich untersucht. Die BAW führt in ihrem Gutachten vom 10.01.1997 unter anderem aus, dass an diesem Standort das Speichervolumen ausreichend sei, um die von den zuständigen Wasserwirtschaftsbehörden genauer noch anzugebenden Bemessungszuflüsse zu beherrschen. Bei dem stromab gelegenen Standort ergäben sich auch erheblich kürzere Deichlängen gegenüber den Standorten bei Leer oder Terborg. Von Nachteil sei jedoch die für die Schiffsüberführung erforderliche längere Aufstaudauer.

Daraus ergibt sich, dass die Staufunktion nicht vorrangig maßgebend für die Standortwahl war. Sowohl Konstruktion als auch Ausrüstung des Sperrwerkes werden ebenfalls weitgehend von der Küstenschutzfunktion bestimmt. Das Sperrwerk soll aber darüber hinaus auch für die Staufunktion einsetzbar sein.

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Die Auffassung des VG Oldenburg (nicht des OVG Oldenburg) ist unrichtig zitiert: Antragsgegnerin ist nicht die Meyer-Werft, sondern die Bezirksregierung Weser-Ems als Planfeststellungsbehörde. Die zitierten Ausführungen zu Erhaltung und Verbesserung der Wirtschaftskraft der Region Papenburg sind Zitate des Gerichtes aus der Umweltverträglichkeitsstudie, die dem Planfeststellungsbeschluss vom 14.08.1998 zugrunde lag. Ebenso zitiert das Gericht zur Frage der Deicherhöhungen lediglich eine Aussage des Projektleiters aus dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz.

Aus der Sicht der Landesregierung hat das Sperrwerk als Hauptfunktion den Küstenschutz. Die Staufunktion ist eine beabsichtigte und nützliche Zusatzfunktion, die durch wirtschaftliche Gründe gerechtfertigt ist.

Zu 2: Aus den oben genannten Gründen ist die Finanzierung des Sturmflutsperrwerkes überwiegend aus Küstenschutzmitteln gerechtfertigt.