Berufung des Leitenden Polizeidirektors Uwe Wiedemann zum Landespolizeidirektor

Zum 01.01.2000 ist der Leitende Polizeidirektor Uwe Wiedemann zum Landespolizeidirektor ernannt worden. Herr Uwe Wiedemann leitete 1995 als Gesamteinsatzleiter den Einsatz der Polizei bei den so genannten Chaos-Tagen in Hannover.

Im Rahmen einer Polizeifachtagung der SPD-Landtagsfraktion am 08.09.1995 beurteilte der damalige Innenminister Glogowski das Einsatzkonzept von Herrn Leitenden Polizeidirektor Uwe Wiedemann als offensiv und damit gut. Im Rahmen der anschließenden Diskussion kam es hingegen zu Fehlereingeständnissen von Herrn Wiedemann bezüglich des Einsatzes der Polizeikräfte im Rahmen der „Chaos-Tage". Unter anderem wurde von Herrn Wiedemann eingestanden, dass die Kräftelage zur Zeit der „Chaos-Tage" 1995 völlig unzureichend war, die Einsatzkräfte mit unzureichendem Gerät, insbesondere für die Nächte, ausgestattet waren, die Nachtkräfte zu schwach besetzt wurden (sie hätten um das Anderthalbfache stärker sein müssen als die Tageskräfte), Verstärkungskräfte nicht schnell genug herangeführt wurden, keine Notruf(Funk-)kanäle eingerichtet wurden, dass neue Kräfte nicht problemlos versorgt werden konnten und der Führungsstab zu schwach besetzt worden sei.

Aufgrund der Tatsache, dass Herr Wiedemann 1995 selbst Fehler im Rahmen der Gesamteinsatzleitung bei den so genannten Chaos-Tagen eingeräumt hat, ist es zum Teil zu Unmut unter den niedersächsischen Polizistinnen und Polizisten über die Berufung von Herrn Wiedemann zum Landespolizeidirektor zum 01.01.2000 gekommen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Ist ihr die oben genannte Selbstkritik von Herrn Wiedemann bekannt?

2. Wenn ja, wie beurteilt sie die Fehleinschätzungen von Herrn Wiedemann im Hinblick auf den Polizeieinsatz bei den „Chaos-Tagen" 1995?

3. Wie beurteilt sie die Tatsache, dass Herr Wiedemann diese Einschätzung nicht schon im Rahmen seiner Zeugenaussagen vor dem 16. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorgenommen hat?

4. Teilt sie die Auffassung, dass der 16. Parlamentarische Untersuchungsausschuss in wesentlichen Punkten zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre im Hinblick auf die Verantwortung von Herrn Wiedemann, als dies ohne Kenntnis der von Herrn Wiedemann selbst eingeräumten Fehleinschätzungen der Fall gewesen ist?

5. Teilt sie in diesem Zusammenhang die Auffassung vieler Polizeibeamtinnen und Polizeibeamter, dass Herr Wiedemann aufgrund seiner vielen selbst eingeräumten krassen Fehlentscheidungen als höchster niedersächsischer Polizist ungeeignet ist?

Wenn nein, warum nicht?

Der Polizeieinsatz aus Anlass des Punk-Treffens vom 04. bis 06.08.1995 in Hannover war Gegenstand umfangreicher Erörterungen und Prüfungen. So hat sich der Ausschuss für innere Verwaltung des Niedersächsischen Landtages in mehreren Sitzungen mit den damaligen Ereignissen befasst.

Darüber hinaus hat der Landtag in der 35. Plenarsitzung am 14.09.1995 auf Antrag der CDU-Fraktion in dieser Sache den 16. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der seinen Bericht mit Datum vom 05.06.1996 vorgelegt hat.

Die Vorbereitung des Polizeieinsatzes und auch das offensive Einsatzkonzept hat über die Grenzen des Landes hinaus Anerkennung gefunden. Der ehemalige Landespolizeidirektor Schiefer hat in seiner Vernehmung vor dem 16. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss am 16.11.1995 ausgeführt, dass der Einsatzbefehl, der die organisatorischen und taktisch-führungsmäßigen Vorbereitungen beinhaltete, gut gewesen sei. Das sei nicht nur seine persönliche bzw. die fachliche Auffassung im Innenministerium, sondern auch eine Beurteilung, zu der Vertreter anderer Länder gekommen seien, die sich in der Nachbereitung dieses Einsatzes intensiver mit den Materialien befasst hätten. Das in seiner gewalttätigen Dimension nicht vorhersehbare Störerverhalten sowie Mängel bei der Umsetzung des Einsatzkonzeptes haben dann zu den Problemen geführt, die auch im Rahmen der parlamentarischen Untersuchung erörtert worden sind.

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Herr Wiedemann hat sachlich, offen und differenziert den zugrundeliegenden Polizeieinsatz bei der angesprochenen Fachtagung und auch als Zeuge vor dem 16. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss analysiert. Er hat dabei die Gesamtverantwortung übernommen, Verbesserungsvorschläge gemacht, aber auch eigene Fehler eingeräumt.

Insofern beinhaltet die Kleine Anfrage keine neuen Erkenntnisse.

Zu 2: Die Landesregierung hat sich zu den damaligen Ereignissen umfassend geäußert. Dem ist nichts hinzuzufügen. Im Übrigen wird auf die Feststellungen des 16. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses hingewiesen.

Zu 3: Die in der Frage enthaltene Unterstellung ist unzutreffend. Zumindest dem Abgeordneten Biallas müsste als Mitglied des damaligen Untersuchungsausschusses bekannt sein, dass es den in der Kleinen Anfrage dargestellten Widerspruch zwischen Herrn Wiedemanns Äußerungen während der Polizeifachtagung am 08.09.1995 und seinen Aussagen als Zeuge vor dem 16. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ausweislich der Sitzungsprotokolle nicht gibt.

Zu 4: Auch diese Frage geht von falschen Voraussetzungen aus. Der 16. Parlamentarische Untersuchungsausschuss hat seine Feststellungen in umfassender Kenntnis der damaligen Ereignisse und Verantwortlichkeiten getroffen.

Zu 5: Kritische Äußerungen von Polizeibeamtinnen oder -beamten sind der Landesregierung anlässlich der Entscheidung, Herrn Wiedemann zum Leiter des Referats 24 im Innenministerium zu berufen und ihm damit den Dienstposten des Landespolizeidirektors zu übertragen, nicht bekannt geworden. Im Gegenteil: Die Landesregierung hat den Eindruck, dass Herr Wiedemann gerade wegen seines offenen und selbstkritischen Umgangs mit den damaligen Ereignissen viel Anerkennung erfahren hat. Dies schließt naturgemäß nicht aus, dass einzelne Bedienstete der Personalentscheidung - wie übrigens in anderen Verwaltungsbereichen auch - kritisch gegenüberstehen. Auch wenn es die Landesregierung aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnt, die Eignung von Beamten für bestimmte Dienstposten öffentlich zu diskutieren, bleibt in diesem Fall festzustellen, dass Herr Wiedemann in vielen Funktionen, zuletzt als Leiter der Polizeiinspektion Hannover-Land und als Direktor der Polizei bei der Bezirksregierung Hannover, hervorragende Arbeit geleistet hat und innerhalb aber auch außerhalb der Polizei ein hohes Maß an Akzeptanz genießt.