Heilbehandlung

Die Kosten für die Hausfrühförderung Hörgeschädigter trägt derzeit das Land. Die personenbezogenen Ausgaben belaufen sich pro Jahr auf ca. 2,8 Millionen DM. Das Land ist jedoch nach dem BSHG weder für die Aufgabe zuständig noch Kostenträger. Vielmehr liegt die sachliche Zuständigkeit und die Kostenträgerschaft bei den Kommunen als örtlichen Trägern der Sozialhilfe. Diese bieten über Träger der freien Wohlfahrtspflege oder über örtlich begrenzt agierende Frühfördervereine auch in großem Umfang Maßnahmen der Hausfrühförderung an, die allerdings nur geistig oder körperlich Behinderte mit Ausnahme der Sinnesgeschädigten umfassen. Letztere, hier die Hörgeschädigten, werden dagegen an die LBZH verwiesen, ohne dass die örtlichen Sozialhilfeträger Kosten für die dortige Hausfrühförderung übernehmen.

Der LRH verkennt nicht, dass eine qualifizierte Hausfrühförderung Hörgeschädigter notwendig ist und die LBZH auf diesem Gebiet gute Arbeit leisten. Er hält es aber nicht für vertretbar, dass das Land auf eigene Kosten Aufgaben wahrnimmt, für die nach geltender gesetzlicher Regelung die örtlichen Träger der Sozialhilfe zuständig sind und die Kosten zu tragen haben. Die Hausfrühförderung Hörgeschädigter ist daher den Kommunen zu überlassen. Der LRH hat dem Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales daher Vorschläge für den Übergang dieser Aufgabe unterbreitet.

Pädoaudiologische Beratungsstellen

Die Beratungsstellen führen u. a. Untersuchungen und Kontrollen des Gehörs bei Kindern und Jugendlichen sowie Hörtests (insbesondere die Audiometrie) durch, geben Empfehlungen zur Hörgeräteversorgung und wirken bei der Hörgeräteanpassung mit; sie erstellen auch fachpädagogische Gutachten und Förderpläne.

Der LRH hat den Personaleinsatz für die Beratungsstellen in den vier LBZH ermittelt. Er betrug insgesamt ca. 110 Unterrichtsstunden pro Woche zuzüglich je einer halben Stelle für eine Schreibkraft. Jede Beratungsstelle verfügt über ein hochwertiges stationäres Audiometriegerät (Kaufpreis des ca. 1 1/2 Jahre alten Geräts in Osnabrück z. B. ca. 100 000 DM) und über mehrere transportable Audiometriegeräte (Preis zwischen 2 500 DM und 7 000 DM pro Gerät). Der LRH stellte fest, dass die teuren stationären Audiometriegeräte nicht ausgelastet sind. So wurden z. B. in Hildesheim in einem Zeitraum von 210 Tagen nur 120 Audiometrien durchgeführt.

Die Beratungsstellen werden unentgeltlich tätig. Durch ihren Betrieb entstehen dem Land hohe Kosten, obwohl es rechtlich nicht verpflichtet ist, diese Einrichtungen vorzuhalten.

Vielmehr haben Kinder bis zum 6. Lebensjahr einen Anspruch auf Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach dem V. Buch des Sozialgesetzbuchs und damit auf eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Hörtests bei Kindern werden als medizinische Leistung von Hals-Nasen-Ohren-Ärzten erbracht und von diesen nach der Gebührenordnung für Ärzte mit den Krankenkassen abgerechnet. An den Kosten für die in den LBZH durchgeführten Audiometrien beteiligen sich die Krankenkassen jedoch nicht.

Eine möglichst vollständige und frühzeitige Erfassung aller hörgeschädigten Kinder sowie die fachkundige Beratung der betroffenen Eltern und der sonstigen mit der Erziehung der Kinder befassten Personen liegt durchaus im Interesse des Landes. Allerdings sind die vier Beratungsstellen der LBZH allein - unabhängig davon, dass es auch gar nicht ihre Aufgabe ist - schon wegen ihres großen Einzugsgebiets und ihrer eingeschränkten personellen Kapazitäten nicht in der Lage, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Das Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales muss daher darauf hinwirken, dass sich die gesetzliche Krankenversicherung der Aufgabe in erforderlichem Umfang annimmt und die Hals-Nasen-Ohren-Ärzte entsprechend einbindet. So könnte eine flächendeckende gleichmäßige Versorgung sichergestellt werden, was mit den landesweit nur vier Standorten der LBZH nicht zu erreichen ist.

Sonderkindergärten für Hörgeschädigte

Jedes LBZH betreibt einen Sonderkindergarten für Hörgeschädigte. Insgesamt werden 122 Plätze vorgehalten. Im Landesbildungszentrum in Braunschweig waren von den vorhandenen 36 Plätzen jedoch Anfang 1999 nur 27 Plätze besetzt. Langfristig wird die Auslastung der Sonderkindergärten weiter zurückgehen, weil die Zahl der besonders zu betreuenden Hörgeschädigten aufgrund von Fortschritten in Medizin und Technik abnimmt. Diese Entwicklung wird verstärkt durch den immer häufiger geäußerten Wunsch der Eltern nach einer möglichst wohnortnahen Kindergartenbetreuung ihres hörgeschädigten Kindes gemeinsam mit nicht behinderten Kindern, zumal das Kindertagesstättengesetz dieser so genannten „integrativen Betreuung" den Vorrang vor einer teilstationären Betreuung in einem Sonderkindergarten einräumt. Das Land finanziert verschiedene Integrationsmodelle.

Letztendlich erfassen die Sonderkindergärten der LBZH aufgrund ihres großen Einzugsbereichs schon jetzt nicht alle hörgeschädigten Kinder, sodass auch Sonderkindergärten anderer Träger (in der Regel Sprachheilkindergärten) besondere Angebote für Hörgeschädigte aufgenommen haben. Der LRH kann nicht erkennen, warum das Land für Hörgeschädigte (und nur für diese) Sonderkindergärten, deren zukünftige Auslastung und deren wirtschaftlicher Betrieb nicht gesichert werden kann, weiter in eigener Trägerschaft betreibt, obwohl Angebote anderer Träger bestehen und ausgebaut werden könnten.

Schulen für Gehörlose und Schulen für Schwerhörige

Jedes LBZH führt eine Schule für Gehörlose und eine Schule für Schwerhörige. Es wird nach den Lehrplänen der Schule für Lernbehinderte, der Haupt- und der Realschule unterrichtet.

In den letzten Jahren sind die Schülerzahlen in den Schulen für Gehörlose deutlich zurückgegangen (Ausnahme Hildesheim): Jahr Schulen für Gehörlose der Landesbildungszentren für Hörgeschädigte.

Nach der amtlichen Statistik hat sich die Zahl der gehörlosen Schüler in Niedersachsen zwischen 1980 und 1995 von 504 auf 273 vermindert. Zum einen hat der medizinische Fortschritt dazu geführt, dass immer weniger Kinder gehörlos geboren oder im Kindesalter gehörlos werden. Zum anderen haben aber auch medizinisch-technische Entwicklungen bewirkt, dass die Zahl der Gehörlosen in den vergangenen Jahren kontinuierlich abgenommen hat. Hörgeräte wurden verbessert, Gehörlose können durch das so genannte Cochlear-Implantat und eine intensive Nachbehandlung lernen, Höreindrücke aufzunehmen, zu verarbeiten und in Sprache umzusetzen. Es ist zu erwarten, dass die Zahl der gehörlosen Schülerinnen und Schüler durch den medizinischen und technischen Fortschritt weiter abnehmen wird.

Die geringen Schülerzahlen in den Schulen für Gehörlose bedingen, dass schon jetzt in der Regel pro Jahrgang nur eine Klasse gebildet werden kann. In diesen Klassen muss zumeist je nach Leistungsstärke der Schüler parallel nach den Lehrplänen der Schule für Lernbehinderte, der Haupt- und der Realschule unterrichtet werden. Der LRH hält es daher für dringend erforderlich, für die kleine Zahl der Gehörlosen ein Konzept für die sinnvolle Beschulung zu erarbeiten.

Es ist zu erwarten, dass die Schülerzahlen der Schulen für Schwerhörige künftig ebenfalls zurückgehen. In Braunschweig werden bereits jetzt von zehn Jahrgängen sechs nur noch einzügig beschult. Tendenziell ist insgesamt festzustellen, dass in den unteren Jahrgängen weniger Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden als in den höheren Jahrgängen.

Dies liegt nicht nur an dem bereits geschilderten medizinischen und technischen Fortschritt, sondern auch an der planmäßig verstärkten integrativen Beschulung von Schwerhörigen („Lernen unter einem Dach"), die dem zunehmenden Wunsch der Eltern auf wohnortnahe Beschulung ihrer Kinder entspricht. Die LBZH unterstützen die fachpädagogische Betreuung Schwerhöriger in sehr unterschiedlichem Maße. Der LRH hat angeregt, hierfür ein Konzept auszuarbeiten, das landesweit annähernd gleiche Bedingungen schafft. Darin sollte den LBZH eine zentrale Funktion für Erfahrungsaustausch und Fortbildung zugewiesen werden.

Die Schulen für Schwerhörige haben den Rückgang der Schülerzahlen bislang dadurch ausgeglichen, dass sie vermehrt Schülerinnen und Schüler mit so genannten auditiven Wahrnehmungsstörungen aufgenommen haben. Diese bilden in den unteren Jahrgängen bereits einen hohen Anteil. Es handelt sich um Kinder, die über eine normale Hörleistung verfügen, aber nicht in der Lage sind, das Gehörte korrekt in Sprache umzusetzen. Die auditiven Wahrnehmungsstörungen sind bisher wenig erforscht. Es bedarf der Klärung, ob Kinder mit diesen Beeinträchtigungen tatsächlich an den LBZH beschult werden müssen oder ob auch für sie verstärkt die integrative Beschulung angestrebt werden sollte.

Jedenfalls besteht auch für die Schulen für Schwerhörige in absehbarer Zeit Handlungsbedarf.

Stationäre Sprachheilbehandlung im LBZH Hildesheim

Die in der Abteilung für stationäre Sprachheilbehandlung des LBZH Hildesheim betreuten und beschulten Kinder leiden nicht an Hörschäden, sondern an schweren Sprachstörungen (insbesondere Stottern). Die Betreuung ist kostenintensiv. Die Abteilung arbeitet nicht kostendeckend, da die Krankenkassen nur einen Teil der Kosten tragen. Im Jahr 1998 betrug der Zuschussbedarf bei einer Belegung mit acht Kindern nach Angaben des LBZH 300 000 DM.

Die Sprachheilbehandlung gehört nicht zu den originären Aufgaben eines LBZH. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, warum diese Aufgabe in Trägerschaft des Landes erfüllt werden muss. In Niedersachsen gibt es zahlreiche andere stationäre Einrichtungen für Sprachheilbehandlungen in der Trägerschaft von Wohlfahrtsverbänden, die diese Aufgabe qualifiziert und in der Regel kostendeckend wahrnehmen. Die Abteilung für stationäre Sprachheilbehandlung sollte daher aufgegeben werden.

Berufliche Bildung

Die LBZH Hildesheim und Osnabrück bieten im Bereich der beruflichen Bildung Vollzeitunterricht (Berufsvorbereitungsjahr, Berufsgrundbildungsjahr und Berufsfachschulen), Teilzeitunterricht in Form des üblichen Berufsschulunterrichts sowie überbetriebliche Ausbildungsgänge an. Die Klassenfrequenzen (Schüler pro Klasse) sind durchweg niedrig: Durchschnittliche KlassenfrequenzenSchulform Hildesheim Osnabrück Vollzeitberufsschule 5,2 3,6

Teilzeitberufsschule 5,4 3,4

Trotz der unbestrittenen Tatsache, dass die Arbeit mit hörgeschädigten jungen Menschen besonders schwierig ist, sind höhere Klassenfrequenzen vertretbar und könnten sogar die pädagogischen Möglichkeiten erweitern.