Beihilfe bei stationärer wahlärztlicher Leistung und Begrenzung der Gebührenordnung für Ärzte?

In verschiedenen Bundesländern ist die Beihilfe für wahlärztliche Leistungen an Beihilfeberechtigte gestrichen. Darüber hinaus wird in einigen Bundesländern über eine Begrenzung der Erstattung von nach GOÄ abrechenbaren Leistungen nachgedacht.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie stellt sich der beihilferechtliche Status in Niedersachsen dar? Trifft es zu, dass in Niedersachsen weiterhin wahlärztliche Leistungen bei stationärer Behandlung abgerechnet werden?

2. In welchen Bundesländern wird beihilferechtlich wahlärztliche Leistung im Krankenhaus nicht mehr anerkannt?

3. Wie hoch sind jährlich die Aufwendungen für wahlärztliche Leistungen im Krankenhaus für Bedienstete des Landes Niedersachsen?

4. Wie hoch ist das jährliche Einsparpotential zu veranschlagen, würden wahlärztliche Leistungen nicht abgerechnet?

5. Welche beihilferechtlichen Regelungen im Zusammenhang mit stationären wahlärztlichen Leistungen gelten in den fünfzehn anderen Bundesländern und welche Änderungen sind ggf. geplant?

6. Gibt es seitens der Landesregierung Überlegungen, bei Erbringung von ärztlichen Leistungen für Beihilfeberechtigte den Steigerungssatz der GOÄ unterhalb des derzeitigen Niveaus zu begrenzen?

7. Welche rechtlichen Hindernisse stünden einer solchen Begrenzung entgegen?

8. Welche Einsparpotentiale würden sich bei einer Begrenzung der GOÄ für das Land ergeben?

Die Beihilfe als Ausfluss der Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn stellt neben der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung die dritte „Säule" des Krankenversicherungssystems in der Bundesrepublik Deutschland dar.

Die Beihilfe wird in der öffentlichen Diskussion gelegentlich als „Beamtenprivileg" bezeichnet. Dies dürfte damit zusammen hängen, dass der Beamte (auch in niedrigeren Besoldungsgruppen) im Rahmen der freien Arztwahl regelmäßig als Privatpatient auftritt.

Tatsache ist jedoch, dass der Beamte und seine Familie diese vermeintliche Besserstellung durch Krankenkassenbeiträge erkaufen müssen, die aufgrund der in der privaten Krankenversicherung üblichen Einzelversicherung jedes Familienangehörigen deutlich über der bezügeabhängigen, für die gesamte Familie geltenden „Familienversicherung" in der gesetzlichen Krankenversicherung liegen. Dabei hat er gegenüber Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung auch beachtliche Nachteile durch Versagung zum Beispiel bestimmter Kurmaßnahmen - wie Mutter-Kind-Kur - wie auch beruflicher und sozialer Rehabilitationsmaßnahmen hinzunehmen. Im Übrigen haben seit etwa 10 Jahren sämtliche Kürzungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung durch entsprechende Einschränkungen bei der Beihilfe das Niveau der Beihilfe permanent abgesenkt.

Hinzu kommt in Niedersachsen die zusätzliche Verminderung der Beihilfeleistungen durch die Einführung der Kostendämpfungspauschale und einer zusätzlichen Eigenbeteiligung bei der Chefarzt-Behandlung im letzten Jahr, die zur Erhaltung der Wahlleistungen und auch als Ablösung der Selbstbehalte bei Arznei- und Verbandmitteln und medizinisch veranlassten Krankenfahrten in die Beihilfevorschriften aufgenommen wurden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die einzelnen Fragen in der gestellten Reihenfolge wie folgt:

Zu 1: Es trifft zu, dass Wahlleistungen bei stationärer Behandlung in Niedersachsen weiterhin abgerechnet werden, ausgenommen bei neu eingestellten Beamten. Bei diesen sind Wahlleistungen seit Anfang 1999 abgeschafft worden. Bis dahin wurde davon ausgegangen, dass Wahlleistungen zum „Beihilfestandard" gehörten. Niedersachsen hat seinen früheren Rechtsstandpunkt insofern jedoch inzwischen zusammen mit sechs anderen Bundesländern aufgegeben, hinsichtlich der „Altfälle" bisher aber keine abschließenden beihilferechtlichen Konsequenzen gezogen. Dies insbesondere auch deshalb nicht, weil zur Klärung der Frage, ob Wahlleistungen zum Beihilfestandard gehören, beim Bundesverfassungsgericht mehrere Verfassungsbeschwerden anhängig sind und auf Bund/Länder-Ebene vereinbart wurde, die Urteile zu einer eventuellen Abschaffung der Wahlleistungen abzuwarten. Die Urteile dürften in absehbarer Zeit zu erwarten sein.

Sollte dabei die nunmehr auch in Niedersachsen vertretene Rechtsauffassung zum Beihilfestandard der Wahlleistungen bestätigt werden, wären aus Fürsorgegründen gleichzeitig aller Voraussicht nach durch das Bundesverfassungsgericht Ausnahme- und Übergangsregelungen zu treffen, deren Umfang im Einzelnen jedoch nicht abgeschätzt werden kann.

Niedersachsen hatte deshalb Anfang 1999 als maßvolle Alternative zu einem vollständigen Ausstieg aus den Wahlleistungen zunächst die Kostendämpfungspauschale eingeführt, die u. a. auch erhebliche Krankenhausbehandlungs-Anteile der Wahlleistungen enthält. Gleichzeitig wurde der Eigenbehalt für Chefarzt-Behandlungen um 20 DM auf 49 DM pro Tag erhöht. Im Falle der Streichung der Wahlleistungen müssten die Kostendämpfungspauschale und der Eigenbehalt für Chefarzt-Behandlungen gestrichen und zugleich erneut Eigenbehalte für Arznei- und Verbandmittel sowie für medizinische Krankenfahrten eingeführt werden.

Für bestimmte Personengruppen müsste die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Wahlleistungen im Krankenhaus allerdings erhalten bleiben: Für Schwerbehinderte, Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben und Personen, die ohne ihr Verschulden und entgegen ihrer erkennbar gewordenen Absicht aufgrund angeborener Leiden oder bestimmter Vorerkrankungen keinen weitergehenden Versicherungsschutz für Wahlleistungen erhalten können. In diesen medizinisch besonders gelagerten Fällen wäre eine Versicherung des Beihilfeanteils der Wahlleistungen nicht möglich oder wegen der Höhe des zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrages nicht mehr zumutbar.

Zu 2: In den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Saarland und Schleswig Holstein werden wahlärztliche Leistungen bei der stationären Behandlung beihilferechtlich nicht mehr anerkannt. In den Ländern Berlin, Brandenburg, Hamburg und Schleswig Holstein sind für bestimmte Personengruppen Ausnahmeregelungen zur Beihilfefähigkeit der Wahlleistungen getroffen worden.

Zu 3: Die Aufwendungen für wahlärztliche Leistungen im Krankenhaus für niedersächsische Bedienstete können exakt nicht ermittelt werden, da besondere Anschreibungen zu diesen Leistungen nicht vorgenommen wurden und auch im Rahmen der automatisierten Datenverarbeitung nur die jeweiligen Gesamtkosten einer Krankenhausbehandlung ermittelt und beihilferechtlich ausgewertet werden. Nach überschlägigen Berechnungen kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die jährlichen Aufwendungen für Wahlleistungen bei rund 80 Mio. DM liegen dürften.

Zu 4: Im Falle der Streichung der Wahlleistungen würde das (unter Berücksichtigung der entsprechenden Krankenhausbehandlungs-Anteile in der Kostendämpfungspauschale sowie der Eigenbehalte bei der Chefarzt-Behandlung noch vorhandene) jährliche Einsparpotenzial etwa 40 Mio. DM oder rund 5 v. H. der Beihilfeaufwendungen ausmachen.

Zu 5. In den übrigen Bundesländern (außer Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Saarland und Schleswig-Holstein) werden Wahlleistungen bei der Beihilfe nach wie vor in vollem Umfang gewährt. Änderungsvorhaben sind auch mit Blick auf die Vereinbarung in der Bund-Länder-Kommission für das Beihilferecht, die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Beihilfestandard von Wahlleistungen zunächst abzuwarten, bisher nicht bekannt geworden.

Zu 6 und 7: Das für niedersächsische Beamte und Versorgungsempfänger geltende Beihilferecht orientiert sich bei der Bewertung der Angemessenheit ärztlicher und zahnärztlicher Liquidationen an den Bestimmungen der GOÄ/GOZ und den dazu ergangenen Gebührenverzeichnissen. Durch die Gebührenordnungen sind den Ärzten/Zahnärzten die Bewertungskriterien Schwierigkeit, Zeitaufwand der einzelnen Leistung und Umstände bei der Ausführung für die Ermittlung der ihnen zustehenden Gebühren als Grundlage und Maßstab einer Gebührenentscheidung nach billigem Ermessen vorgegeben. Der dabei von ihnen zu beachtende Gebührenrahmen umfasst das 1- bis 3 1/2 -fache der jeweils in Betracht kommenden Gebühr, die regelmäßig jedoch - ohne Berücksichtigung einer besonderen, individuell schriftlich zu begründenden patientenabhängigen Schwierigkeit - nur zwischen dem 1- bis 2,3fachen angesiedelt sein darf (so genannte Regelspanne oder Schwellenwert).