Schließung von Reisezentren an den Bahnhöfen in Niedersachsen

Kürzlich wurde bekannt, dass die Deutsche Bahn AG erneut Reisezentren in niedersächsischen Bahnhöfen schließen will. Aktuell betroffen sind die Bahnhöfe in Friedland, Hann. Münden, Bad Sachsa, Herzberg und Uslar.

Nach eigener Aussage plant die DB AG „Ersatzangebote" mit Hilfe von Reisebüros, Agenturen, Fahrkartenautomaten und Internet. Dabei konnte aber nicht geklärt werden, wie die „Ersatzangebote" im Einzelnen aussehen werden. Offenbar wird auch darüber nachgedacht, als „Ersatzangebot" lediglich Fahrkartenautomaten vorzusehen. Wenn ortsansässige Reisebüros als „Ersatz" in Betracht kommen, ist unklar, an welchem Ort die Dienstleistung angeboten wird und zu welchen Zeiten. Zudem erheben Reisebüros teilweise Gebühren.

Der Verlust der Reisezentren stellt eine eklatante Verschlechterung der Servicequalität an Bahnhöfen dar. Ein Fahrkartenautomat kann nur einen Teil der gewohnten Servicequalität ersetzen, teilweise erfordert er auch den Besitz einer Kredit- oder Geldkarte und Vorkenntnisse im Umgang mit Computern. Gerade bei Kindern und älteren Fahrgästen kann dies nicht immer vorausgesetzt werden. Ein Reisezentrum bietet jedoch auch die Möglichkeit zur Beratung, zum Erfragen von Verbindungsmöglichkeiten, zum Kauf von Bahncards und zum Erwerb bzw. Bezug von Fahrplänen.

Nicht Abwertung, sondern Aufwertung der Servicequalität an Bahnhöfen ist das Gebot der Stunde. Vielfältige Serviceangebote, eine aktive Mobilitätsberatung, eine Verknüpfung mit Gastronomieangeboten und ein ansprechendes Umfeld machen Bahnhöfe wieder zu attraktiven Drehscheiben des öffentlichen Verkehrs. Die DB AG plant in kleineren Städten offensichtlich das Gegenteil.

Angesicht der DB-Pläne ist von Interesse, welche Haltung die Landesregierung einnimmt, die den Schienenpersonenverkehr seit dem 01.01.1996 bei der DB AG bestellt.

Bestandteil dieser Bestellung ist neben Häufigkeit, Pünktlichkeit, Fahrtzeiten und vielen anderen Faktoren auch die Bahnhofsinfrastruktur. Auch die DB AG geht daher davon aus, dass die Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) den geplanten Maßnahmen zustimmen muss bzw. dass es einer Abstimmung mit dem Land bedarf.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. In welchen niedersächsischen Bahnhöfen plant die DB AG innerhalb der nächsten zwei Jahre eine Schließung bzw. Umwandlung von Reisezentren?

2. In welchen niedersächsischen Bahnhöfen plant die DB AG innerhalb der nächsten zwei Jahre eine Verringerung der Öffnungszeiten von Reisezentren?

3. Welche „Ersatzangebote" will die DB AG in den jeweiligen Bahnhofsgebäuden einrichten?

4. In welchen Bahnhöfen wird es künftig keine persönliche Beratung mehr geben?

5. In welchen niedersächsischen Bahnhöfen sind in den letzten zwei Jahren Reisezentren der DB AG geschlossen worden bzw. durch „Ersatzangebote" ersetzt worden?

6. Wie sahen die „Ersatzangebote" jeweils konkret aus?

7. Welche Bedingungen bzw. Forderungen hat die LNVG bislang an eine Zustimmung zur Schließung bzw. Umwandlung von Reisezentren geknüpft?

8. Welche Regelung für Reisezentren der DB AG ist im Entwurf eines künftigen Verkehrsvertrages vorgesehen?

9. Hat die Landesregierung die Einrichtung von Mobilitätszentralen bislang aus Mitteln des Regionalisierungsgesetzes gefördert, wenn ja, wie und wo?

10. Seit wann ist der LNVG bekannt, dass die Reisezentren in Friedland, Hann. Münden, Bad Sachsa, Herzberg, Uslar und Bad Gandersheim geschlossen werden sollen?

11. Wann wurden die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der o. g. Städte jeweils informiert?

12. Wann wurde der Zweckverband Verkehrsverbund Südniedersachsen informiert?

In dem Verkehrsvertrag vom 14.12.1995 zwischen dem Land Niedersachsen und der Deutschen Bahn AG (DB AG), der bis zum Abschluss eines neuen Vertrages noch weitergeführt wird, sind die einzelnen Verkehrsstellen in einer Anlage aufgelistet. Grundsätzlich sind sie in ihrem Bestand gesichert. In Ausnahmefällen, in denen die DB AG den Nachweis erbringt, dass

­ der Verkaufsumsatz bei gleichbleibender Öffnungsdauer der Verkaufsschalter in den Bereich der Unwirtschaftlichkeit sinkt (nach DB-Angaben unter 1 Mio. DM/Jahr),

­ Reisebüros in Ortsmitte oder in Bahnhofsnähe den Fahrausweisverkauf in Lizenz übernehmen,

­ Kontakt zur entsprechenden Kommune aufgenommen wurde, um gemeinsam nach Möglichkeiten zu suchen, den Fahrausweisverkauf im Bahnhofsgebäude zu erhalten

­ und entsprechende Fahrausweisautomaten aufgestellt werden oder in Fahrzeugen vorhanden sind stimmt die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH (LNVG) einer Schließung von Verkaufsstellen zu.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1: Die LNVG ist am 20.11.2000 von der DB Regio AG über die angestrebte Schließung folgender Reisezentren unterrichtet worden: Buchholz (Nordheide), Burgdorf (Han), Diepholz, Helmstedt, Holzminden, Neustadt

a. Rbge., Unterlüß, Verden, Bad Sachsa, Friedland, Gifhorn (Stadt), Hann. Münden, Herzberg, Kirchweyhe, Königslutter, Nordenham, Rinteln, Salzgitter-Bad, SalzgitterLebenstedt, Seesen, Syke, Walsrode, Wolfenbüttel.

Zu 2: Es liegen der Landesregierung keine Angaben der DB AG vor, in welchen niedersächsischen Bahnhöfen die DB AG innerhalb der nächsten zwei Jahre eine Verringerung der Öffnungszeiten von Reisezentren plant.

Zu 3: Über Ersatzangebote in den jeweiligen Bahnhofsgebäuden gibt es derzeit bei der DB AG keine konkreten Vorstellungen. Die LNVG wird über die Zukunft der in der Antwort zu Frage 1 aufgeführten Verkaufsstellen mit der DB AG Gespräche aufnehmen.

Zu 4: Es wird auf die Antworten zu Frage 1 und 3 verwiesen.

Zu 5: Es handelt sich um die Reisezentren in Bad Nenndorf, Brettorf, Bad Lauterberg, Uslar, Rieste, Oldenbüttel, Steinfeld, Wittmund, Brake, Esens, Heidmühle, Scheeßel, Eschede, Melle.

Zu 6: ­ In Bad Nenndorf hat die Gemeinde das Bahnhofsgebäude erworben. Der Fahrkartenverkauf erfolgt durch den Tourismusverband und die Gemeinde im Bahnhofsgebäude.

Es gibt zusätzlich in Ortsmitte ein Reisebüro mit DB-Lizenz.

­ In Brettorf hat die Gemeinde das Bahnhofsgebäude erworben. Die Station wird über die Nordwestbahn (NWB) bedient, die Fahrausweisautomaten im Fahrzeug vorhält.

­ In Bad Lauterberg (Tarifgebiet ZVSN) wird der Fahrausweisverkauf über ein örtliches Reisebüro in Ortsmitte und mit Automaten am Bahnsteig abgewickelt.

­ Das Bahnhofsgebäude in Uslar (Tarifgebiet ZVSN) hat die Stadt erworben. Zurzeit gibt es in der Stadtmitte ein Reisebüro mit DB-Lizenz und Automaten an der Bahnstation.

­ Die Gemeinde Rieste hat das Bahnhofsgebäude erworben. Fahrkarten können im Fahrzeug der NWB gekauft werden.

­ Die Fahrkartenausgabe in Oldenbüttel (Tarifgebiet ZVBN) war eine von DB Netz AG (Fahrdienstleiter) betriebene Verkaufsstelle. Diese Leistungsvereinbarung wurde gekündigt. Die Fahrkarten können in Oldenbüttel am Automaten an der Bahnstation erworben werden.

­ Die Fahrkartenausgabe in Steinfeld war eine von DB Netz AG (Fahrdienstleiter) betriebene Verkaufsstelle. Diese Leistungsvereinbarung wurde gekündigt. Fahrkarten können im Fahrzeug der NWB erworben werden.

­ Die Fahrkartenausgabe in Wittmund war eine von DB Netz AG (Fahrdienstleiter) betriebene Verkaufsstelle. Nach Umwandlung des Bahnhofs in einen Haltepunkt war der Fahrdienstleiter entbehrlich. Fahrkarten können im Fahrzeug der NWB oder im Reisebüro in der Innenstadt erworben werden. Die Stadt und die LNVG konzipieren eine Gesamtlösung für den Bahnhofsbereich.

­ Die Fahrkarten in Brake können im Reisebüro gegenüber dem Bahnhof oder an den Automaten auf den Bahnsteigen erworben werden.

­ Die Fahrkartenausgabe in Esens war eine von DB Netz AG (Fahrdienstleiter) betriebene Verkaufsstelle. Diese Leistungsvereinbarung wurde gekündigt. Fahrkarten können im Fahrzeug der NWB oder im Reisebüro in Ortsmitte erworben werden.

­ Die Fahrkartenausgabe in Heidmühle war eine von DB Netz AG (Fahrdienstleiter) betriebene Verkaufsstelle. Diese Leistungsvereinbarung wurde gekündigt. Fahrkarten können im Fahrzeug der NWB oder im Reisebüro in Ortsmitte erworben werden.

­ Der Fahrkartenverkauf in Scheeßel wurde mit Zustimmung der Gemeinde auf ein Reisebüro übertragen. Zusätzlich wurden Automaten auf den Bahnsteigen errichtet.

­ Die Gemeinde Eschede hat das Bahnhofsgebäude erworben und ein Reisebüro ins Gebäude integriert, das über eine DB-Lizenz verfügt. Zusätzlich wurden Automaten installiert.

­ Fahrkarten können in Melle in Reisebüros in Bahnhofsnähe, in der Stadtmitte oder an Automaten auf den Bahnsteigen erworben werden.

Zu 7: Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

Zu 8: Die entsprechende Bestimmung des Vertragsentwurfs (Stand: 12.07.2000) lautet: „DB AG vertreibt Fahrausweise im Schalterverkauf und über Fahrausweisautomaten mindestens in dem in Anlage 2 beschriebenen Umfang. Der Vertrieb wird ergänzt durch Verkauf im Zug und über Agenturen. Änderungen der in Anlage 2 (Anhang Vertriebsstellen der DB AG) vereinbarten Vertriebsstruktur und -qualität sind nur mit Zustimmung der LNVG möglich. Diese wird ihre Zustimmung nicht versagen, wenn die Vertriebsqualität insgesamt gewährleistet ist."

Zu 9: Die Einrichtung einer Mobilitätszentrale in Jever ist vom Land finanziell unterstützt worden. Weitere Anträge liegen noch nicht vor.

Zu 10 bis 12: Das Reisezentrum in Bad Gandersheim ist nicht geschlossen worden. Der Fahrkartenverkauf wurde von der DB AG auf einen Dritten übertragen.

Die Stadt Uslar und die LNVG sind im Frühjahr 2000 über die Schließung des Fahrkartenverkaufs in Uslar informiert worden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Wann die übrigen genannten Städte informiert worden sind, ist der Landesregierung nicht bekannt.