Ansiedlung eines Fischereibetriebes im Landschaftsschutzgebiet „Feuchtgebiet internationaler Bedeutung Steinhuder Meer"

Der Landkreis Schaumburg hat mit Schreiben vom 08.06.2000 eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Fischereibetriebes mit Betriebswohnung im Landschaftsschutzgebiet „Feuchtgebiet internationaler Bedeutung Steinhuder Meer" erteilt. Das Vorhaben ist als privilegiertes Vorhaben im Außenbereich behandelt und genehmigt worden. In der Regel kann ein Bauvorhaben nur dann baurechtlich als privilegiert gelten, wenn dort eine dauerhafte Nutzung der Gebäude zu erwarten ist. Der Fischereibetrieb hat jedoch lediglich einen Pachtvertrag über die Ausübung der Fischerei in Steinhude mit einer Laufzeit von zwölf Jahren. Insofern ist der Betrieb jeweils von einer ungewissen Verlängerung des Pachtvertrages abhängig, was nicht als dauerhafte Grundlage anzusehen ist. Bisher waren die Fischereibetriebe am Steinhuder Meer in den Ortslagen bzw. in Gewerbegebieten angesiedelt. Es muss also offensichtlich einen besonderen Grund geben, warum dieser Betrieb außerhalb des bebauten Bereichs in einem Landschaftsschutzgebiet angesiedelt wird. Es ist eine bekannte Tatsache, dass der Anteil am Umsatz der Fischereibetriebe am Steinhuder Meer lediglich zu 8 % bis 15 % aus Fischen besteht die auch im Steinhuder Meer gefangen werden. Auch dieser Umstand spricht gegen eine Privilegierung des Betriebes und die Ansiedlung im Außenbereich.

Die Notwendigkeit einer Betriebswohnung wird damit begründet, dass bei der Hälterung von lebenden Fischen eine dauerhafte Aufsicht erforderlich sei, weil bei einem Ausfall der Wasserversorgung die Fische nur wenige Stunden überleben können. Diese Begründung für die Errichtung einer 200 qm großen Betriebswohnung verwundert sehr, zumal es im Zeitalter ausgesprochen entwickelter Mess- und Regeltechniken und drahtloser Übertragungstechniken eine Fülle von technischen Überwachungsmöglichkeiten gibt. Unterstellt man, dass der Betriebsleiter nicht nächtens alle zwei Stunden das Bett verlässt, um sich auf einem Rundgang vom ordnungsgemäßen Funktionieren der Technik zu überzeugen, sondern dass bei Funktionsstörungen automatisch Alarmmeldungen in der Betriebswohnung ausgelöst werden, so könnte diese Störungsmeldung genauso auch in eine Wohnung in der nächsten menschlichen Siedlung weitergeleitet werden.

Angrenzend an das Landschaftsschutzgebiet, in unmittelbarer Nähe zu dem geplanten Fischereibetrieb, liegen Flächen, die als FFH-Gebiete angemeldet und durch Verordnung NSG „Hagenburger Moor" geschützt sind. Die Genehmigungsbehörde und - nach meiner Kenntnis - auch die Bezirksregierung Hannover erwarten keine erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des westlich des Hagenburger Kanals anschließenden FFHGebietes bzw. des Vogelschutzgebietes.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche betrieblichen Gründe erfordern die Ansiedlung dieses Fischereibetriebes im Außenbereich der Gemeinde Hagenburg?

2. Welche Voraussetzung erfüllt der Fischereibetrieb nach Auffassung der Landesregierung, die eine Privilegierung des Vorhabens nach § 35 Baugesetzbuch rechtfertigen?

3. Welche besonderen Gründe erfordern die Errichtung einer Betriebswohnung auf dem Gelände des Fischereibetriebes und rechtfertigen die Genehmigung der Betriebswohnung im Außenbereich?

4. Sind nach Ansicht der Landesregierung unter Berufung auf diese spezielle Baugenehmigung künftig Betriebswohnungen bei landwirtschaftlichen Mastställen im Außenbereich genehmigungsfähig, wenn der Antragsteller als Begründung anführt, dass die Anlage vor Vandalismus geschützt werden müsse und eine ständige Aufsicht erforderlich sei, weil die technischen Einrichtungen versagen könnten?

5. Wie kann die Genehmigungsbehörde sicherstellen, dass in diesem Fischereibetrieb ausschließlich Fische aus dem Steinhuder Meer verarbeitet und verkauft werden?

6. Inwiefern wurde im Genehmigungsverfahren berücksichtigt, dass die in diesem Bereich bereits vorhandenen Nutzungen wie der Parkplatz und der Yachtclub nur saisonal und dann vor allem an den Wochenenden diesen naturschutzrechtlich geschützten Standort belasten, der Fischereibetrieb jedoch zu ständigen Belastungen über das gesamt Jahr führen wird?

7. Der Inhaber des Fischereibetriebes beabsichtigt, die Erzeugnisse direkt dem Endverbraucher bis hin zur verzehrfähigen Ware anzubieten, d. h. hier wird ein Laden mit Fischimbiss und Getränkeverkauf und Außenplätzen entstehen mit dem damit verbundenem steigenden Publikumsverkehr bzw. Fahrzeugverkehr. Inwieweit sind diese Umstände und die damit verbundenen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft im Genehmigungsverfahren berücksichtigt worden?

8. Wie ist nach Auffassung der Landesregierung zu verhindern, dass sich dieser Betrieb im Laufe der Zeit von einem privilegierten landwirtschaftlichem Vorhaben im Außenbereich zu einem nicht privilegiertem Restaurationsbetrieb im Außenbereich verändert?

9. In welchem Umfang wurden die örtlichen Umweltverbände und die Ökologische Station Steinhuder Meer e. V. formell und informell im Genehmigungsverfahren beteiligt? Inwieweit wurden ihre Stellungnahmen, Anregungen und Bedenken bei der Genehmigung des Vorhabens berücksichtigt?

10. Für das betroffene Gebiet liegen umfangreiche Kartierungen und Bestandserhebungen vor. Die Fachbehörden kommen zu dem Ergebnis, dass dieses Gebiet nach EUVogelschutzrichtlinie für das Natura 20000 Netz gemeldet werden sollte, der entsprechende Vorschlag 42 „Steinhuder Meer" ist bereits erarbeitet. Inwieweit wurde die Tatsache, dass es sich bei dem Gebiet um potentielle Natura 2000 Flächen handelt, bei der Baugenehmigung für den Fischereibetrieb berücksichtigt?

11. Warum war es nicht notwendig, das Gebiet, wo der Betrieb angesiedelt wird, aus dem Landschaftsschutz zu entlassen?

12. Welche Erkenntnisse liegen bei der Genehmigungsbehörde und der Bezirksregierung Hannover vor, die die Schlussfolgerung zulassen, dass keine erheblichen Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele des westlich des Hagenburger Kanals anschließenden FFH-Gebietes bzw. des Vogelschutzgebietes zu erwarten sind?

13. Warum war nach Ansicht der Landesregierung die Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung nicht notwendig, obwohl das Vorhaben in unmittelbarer Nähe zu einem FFH-Gebiet liegt und die Verträglichkeitsprüfung überhaupt erst eine Beurteilung der Auswirkungen des möglichen Eingriffs erlauben würde?

Das Fischereirecht für das Steinhuder Meer wurde früher von der Fürstlichen Hofkammer in Bückeburg verpachtet. Heute erfolgt die Verpachtung durch die Bezirksregierung Hannover.

Das Fischereirecht ist seit Jahrzehnten

­ an einen Hauptpächter (früher Schweer & Kuckuck, jetzt Fischereibetrieb Endjer Inhaber Reemt Endjer -),

­ den Fischerverein Steinhude und

­ den Landessportfischereiverband Niedersachsen e. V. verpachtet. Dabei bewirtschaftet der Hauptpächter das Gewässer insgesamt mit allen zulässigen Fanggeräten, der Fischerverein ausschließlich mit Reusen auf den ausgewiesenen Reusenplätzen und der Landessportfischerverband mit der Handangel in den dafür zugelassenen Bereichen des Steinhuder Meeres.

Dem Hauptpächter obliegt neben der Ausübung des Fischereirechts die Verpflichtung zur Hege des Steinhuder Meeres. Bei diesem Gewässer handelt es sich um ein eutrophes Flachgewässer, das grundsätzlich zu einer Verbuttung seines Fischbestandes, d. h. zur Massenentwicklung minderwüchsiger Weißfischarten tendiert. In der Folge treten Nahrungsmangel verbunden mit schlechter Kondition und erhöhter Sterblichkeit auf. Im Rahmen der Hegeverpflichtung gehört es daher zu den Aufgaben des Hauptpächters, dieser Entwicklung durch Hegebefischung entgegenzuwirken.

Der Betrieb des früheren Hauptpächters zerfiel durch den Tod des Fischermeisters im Jahre 1985 und die nachfolgenden Erbschafts- und Familienspaltungen. Seitens der Mitglieder des Fischervereins Steinhude bestand kein Interesse an der Übernahme der Hauptpacht. Mit Rudolf Endjer wurde wieder ein Fischwirtschaftsmeister als Hauptpächter gefunden, der die andernfalls beim Land Niedersachsen als Eigentümer des Fischereirechts verbleibende Hegeverpflichtung übernommen hat. Mit Wirkung vom 01.03.1998 konnte zwischen Herrn Endjer und dem Land Niedersachsen ein entsprechender Pachtvertrag für die Dauer von 12 Jahren mit der Option auf 12jährige Verlängerung geschlossen werden. Die Familie Endjer betreibt bereits seit 1845 einen Betrieb der Fluss- und Seenfischerei in Ostfriesland.

Am 12.02.1998 stellte Herr Endjer beim Landkreis Schaumburg eine Bauvoranfrage zur Errichtung eines Fischereibetriebsgebäudes auf dem Grundstück Flur 7, Flurstück 57/7 der Gemarkung Hagenburg. Der Landkreis Schaumburg erteilte am 18.06.1998 einen Bauvorbescheid, der zahlreiche Nebenbestimmungen und Hinweise beinhaltet. So wurde der Bauherr u. a. darauf hingewiesen, dass sich das Grundstück innerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung zum Schutz des Landschaftsteiles „Feuchtgebiet internationaler Bedeutung Steinhuder Meer" vom 12.06.1981 befinde und die Errichtung baulicher Anlagen nach § 3 Abs. 1 a dieser Verordnung der vorherigen Erlaubnis des Landkreises Schaumburg bedürfe.

Zu dem am 23.04.1999 beim Landkreis Schaumburg eingegangenen Bauantrag für den Neubau eines Fischereigebäudes mit integrierter Betriebswohnung wurde am 08.06. die Baugenehmigung erteilt. Bestandteil der Baugenehmigung ist die landschaftsschutzrechtliche Erlaubnis zur Durchführung der genannten Baumaßnahme.