Arbeitsamt

Offenbarung der Identität vor, die auch mit polizeilichen Zwangsmaßnahmen bis hin zur Durchsuchung und Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen durchgesetzt werden kann bzw. konnte.

Das Verfassungsgericht sieht einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung u. a. darin, dass eine gesetzliche Eingriffsbefugnis ohne Differenzierung gegen jede Person eingeräumt werde, die sich auf Durchgangsstraßen außerhalb des Grenzgebietes aufhält. Der Freiheitsanspruch des Einzelnen verlange, dass er von polizeilichen Maßnahmen verschont bleibt, die nicht durch eine hinreichende Beziehung zwischen ihm und einer Gefährdung eines zu schützenden Rechtsgutes oder eine entsprechende Gefahrennähe legitimiert sind.

Es sei daher erforderlich, die Eingriffsschwellen im Gesetz präzise zu bestimmen, wobei für Eingriffe, die über das Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, die Schwellen höher gelegt werden müssten.

Mit dem Niedersächsischen Innenministerium habe ich die Frage eingehend erörtert, ob und inwieweit sich aus dieser verfassungsrechtlichen Bewertung auch gesetzgeberischer Handlungsbedarf in Niedersachsen ergibt. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen, nicht vergleichbaren Rechtslage in beiden Ländern sieht das Innenministerium einen solchen Handlungsbedarf nicht. Wie an anderer Stelle ausgeführt, werde ich mit dem Innenministerium demnächst Gespräche über den Novellierungsbedarf beim NGefAG führen und dabei auch das Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zur sog. Schleierfahndung mit ansprechen. Aus meiner Sicht geht es dabei vor allem um die Frage, ob es geboten ist, den bisherigen räumlichen Anwendungsbereich (nämlich den gesamten öffentlichen Verkehrsraum des Landes) zu beschränken. „Fahndungsehe" zwischen Polizei und Arbeitsamt?

Der nachfolgende Fall mag belegen, dass meine Befürchtung, verdachtsunabhängige Kontrollen der Polizei könnten gleichsam als „Türöffner" für andere, mit der Bekämpfung erheblicher Straftaten mit internationalem Bezug in keinerlei Zusammenhang stehende Kontrollen benutzt werden, zumindest nicht ganz unbegründet ist.

Was war geschehen? Unter der Überschrift „Kontrollen quer durch die Gesetze" berichtete eine Zeitung aus dem Oldenburgischen über eine verdachtsunabhängige Kontrolle der Polizei auf der Autobahn A 28 in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt, bei der - so die Zeitung weiter - reihenweise Sozialbetrüger ins Netz gegangen seien. Der Ablauf stellte sich so dar, dass die Polizei auf dem Gelände einer Autobahnraststätte eine großflächige verdachtsunabhängige Kontrolle durchgeführt hatte. Auf der Grundlage eines entsprechenden polizeilichen Lagebildes - nur dies ist Voraussetzung für die ansonsten voraussetzungsfreien Kontrollen - sollte mit der Maßnahme gezielt Einbruchskriminalität osteuropäischer Tätergruppen bekämpft werden. Nach Abschluss der Polizeikontrolle wurden dann bestimmte Fahrzeuge (überwiegend Kleinlastwagen und -transporter, wie sie allgemein von Kurierdiensten eingesetzt werden) zu einer Kontrollstelle des Arbeitsamtes „weitergereicht". Ziel dieser nächtlichen Arbeitsamts-Kontrolle war es insbesondere, Fälle von Leistungsmissbrauch aufzudecken.

Der Verdacht lag nahe, dass sich das Arbeitsamt hier an die nur der Polizei zustehende Befugnis zur Jedermannkontrolle „angehängt" und sich auf diese Weise die des Leistungsmissbrauchs und der Schwarzarbeit verdächtigen Klein- und Kleinstunternehmer hatte zuführen lassen. Diese Verknüpfung verdachtsunabhängiger Kontrollen der Polizei mit Außenprüfungen des Arbeitsamtes (auf der Grundlage des SGB III) habe ich daher mit den zuständigen Landes- und Bundesbehörden erörtert, da deren Zulässigkeit auch im Hinblick auf die gesetzliche Zielrichtung verdachtsunabhängiger Kontrollen zumindest fraglich erschien.

Die beteiligten Stellen haben darauf hingewiesen, dass beide Kontrollen in der jeweils eigenen Zuständigkeit durchgeführt worden seien und insbesondere die Polizei auch nicht in unterstützender Weise für das Arbeitsamt tätig geworden sei (was auch unzulässig gewesen wäre). Vielmehr habe die Polizei eine eigene Kontrollaktion durchgeführt und dazu Fahrzeuge angehalten und eingewiesen.

Das Arbeitsamt, dem ein Anhalterecht selbst nicht zusteht, habe lediglich diesen tatsächlichen Umstand genutzt.

In datenschutzrechtlicher Hinsicht ist es tatsächlich nicht zu beanstanden, wenn die Polizei die ihr eingeräumte Befugnis zu einer verdachtsunabhängigen Kontrolle nutzt und zu diesem Zweck alle Fahrzeuge anhält und kontrolliert. Für mich bleibt aber nach wie vor offen, aufgrund welcher Rechtsgrundlage das Arbeitsamt seinerzeit die im Anschluss an die Polizeikontrolle zu überprüfenden Fahrzeuge angehalten hatte. Ich habe diese Frage letztlich auf sich beruhen lassen, da das fehlende Anhalterecht der Arbeitsverwaltung keine datenschutzrechtliche Frage ist und die Zuständigkeit für die Arbeitsverwaltung ohnehin dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz obliegt, den ich natürlich entsprechend informiert habe.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die beschriebene „Fahndungsehe" zwischen Polizei und Arbeitsamt zwar in datenschutzrechtlicher Hinsicht zulässig war, die tatsächlichen Umstände aber gleichwohl die Vermutung nahe legen, dass das besondere Instrument der verdachtsunabhängigen Kontrollen hier auch für ganz andere als die gesetzlich festgelegten Zielen genutzt worden ist. Ich werde diese Entwicklung weiterhin aufmerksam beobachten.

INPOL-neu

Bereits in meinem letzten Tätigkeitsbericht hatte ich mich mit Problemen der Neukonzeption der INPOL-Datenbank auseinandergesetzt. Da sich herausgestellt hat, dass die Mehrzahl der Länder aus unterschiedlichen Gründen nicht in der Lage sein wird, rechtzeitig zur Inbetriebnahme von INPOL-neu beim Bundeskriminalamt (BKA) eigene INPOL-neu-kompatible Datenbanken bereitzustellen, hat sich das BKA auf der Grundlage des § 2 Abs. 5 des Bundeskriminalamtgesetzes (BKAG) bereit erklärt, im Wege der Auftragsdatenverarbeitung die Daten der Länderpolizeien zu verarbeiten. Nach dieser Vorschrift kann das BKA die Länder auf Ersuchen bei deren Datenverarbeitung unterstützen. Allerdings folgt aus § 2 Abs. 1 BKAG, dass die Länder grundsätzlich eigene Datenspeicher zu betreiben haben. Die Hilfeleistung des BKA kann also nur zeitlich befristet erfolgen. Mittlerweile mehren sich die Anzeichen dafür, dass das BKA und die Polizeien der Länder zunehmend eine dauerhafte Datenhaltung der Länder beim BKA anstreben.

Bereits Mitte Juni und nochmals Ende September 2000 habe ich mich an das Niedersächsische Innenministerium gewandt und darauf hingewiesen, dass ich in Übereinstimmung mit den anderen Datenschutzbeauftragten eine dauerhafte Auslagerung der Verarbeitung wesentlicher Teile der Datenbestände der Landespolizeien zum BKA auf der Grundlage des § 2 Abs. 5 BKAG für unzulässig halte. Diese Haltung hat die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder in einem Umlaufbeschluss vom 10. Oktober 2000 gegenüber dem Bundesinnenministerium nochmals bekräftigt (vgl. Anlage 20). Gleichwohl möchte ich mich zwingenden Erforderlichkeiten, im Wege einer zeitlich begrenzten Übergangslösung einen termingerechten Anschluss an INPOL-neu sicherzustellen, nicht verschließen und eine datenschutzkonforme Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen für eine übergangsweise Auftragsdatenverarbeitung erreichen. Der Termin- und Kostendruck, unter dem der Anschluss der Datenverarbeitung der Länder an INPOL-neu steht, darf aber weder die rechtliche Interpretation des Regelungsgehaltes des § 2 Abs. 5 BKAG steuern noch als Begründung für eine neuerliche faktische Ausdehnung des wechselseitigen Zugriffs von BKA und Länderpolizeien auf Daten dienen, ohne dass die durch § 2 Abs. 1 BKAG bezeichnete Grenze beachtet würde. Aus § 2 Abs. 1 BKAG folgt, dass die Länderpolizeien grundsätzlich eigene Datenspeicher zu betreiben haben. Die Hilfskonstruktion per Auftragsdatenverarbeitung ist nur als vorübergehende Notmaßnahme zur Gewährleistung eines termingerechten Anschlusses der Länder an INPOL-neu tragbar. Die Datenbestände der Länder sind beim BKA so zueinander abzuschotten, wie es bei einer dezentralen Haltung der Landesdaten der Fall wäre.

Zu dem mittlerweile vorliegenden Entwurf einer Rahmenvereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung durch das BKA habe ich gegenüber dem Niedersächsischen Innenministerium umfangreich Stellung genommen. Ich habe eine eindeutige Trennung der Landesdatenbestände untereinander sowie gegenüber dem Bundesbestand verlangt. Die gegenwärtige Rechtslage fordert eine solche eindeutige Verpflichtung zur Wahrung einer absoluten Zweckbindung sowohl gegenüber dem BKA als auch den anderen Teilnehmern am INPOL-neu-Verbund.

Als ein weiteres Problem stellt sich die Übernahme von Daten aus INPOLaktuell in das neue System INPOL dar. Hierzu hat die Arbeitsgruppe INPOLneu der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder darauf hingewiesen, dass die Datenbestände unter Erforderlichkeitsgesichtspunkten vor einer Übernahme zu selektieren seien. Dies trifft insbesondere für die PIOS-Dateien zu, in denen Daten über „Dritte" gespeichert sind, die nach geltender Rechtslage nicht mehr Bestandteil von INPOL sein dürfen. Die Projektgruppe INPOL-neu des BKA hat hierzu dargelegt, Plausibilitäten entwickelt zu haben, um die erforderlichen Selektionen durchführen zu können. Die Prüfung, ob in PIOS Daten gespeichert sind, die gemäß BKAG nicht nach INPOL-neu übernommen werden können, werde in Abstimmung mit den Bundesländern nach Abschluss der fachlichen Vorarbeiten erfolgen. Ich habe beim Niedersächsischen Innenministerium angefragt, ob für den Bereich der niedersächsischen Polizei bereits Kriterien für die Selektion der Datenbestände entwickelt worden sind, und gebeten, mir diese ggf. mitzuteilen. Eine Antwort steht noch aus.

Weiterhin ist nach meinem Kenntnisstand geplant, in INPOL-neu im Rahmen eines sogenannten DNA-Merkers die Möglichkeit zur Speicherung eines Hinweises über eine bereits stattgefundene Entnahme von Körperzellen zu schaffen.

Diese Information soll den polizeilichen Anwendern von INPOL-neu bei jeder Personenabfrage zur Verfügung gestellt werden. Hiergegen bestehen meinerseits erhebliche Bedenken, weil durch die Erfassung dieses Merkmales eine stigmatisierende Wirkung im Kontakt zwischen Polizei und Bürger erzeugt werden könnte, die u. U. dazu führt, dass der Bürger weitergehenden Kontrollen unterzogen wird. Rechtlicher Ansatzpunkt für diese Überlegungen sind die engen Zweckbestimmungsregelungen im DNA-Identitätsfeststellungsgesetz und der Errichtungsanordnung für die DNA-Analyse-Datei beim BKA. Da ich jedoch die grundsätzliche Zulässigkeit der Speicherung des DNA-Merkers nicht bestreite, sehe ich eine mögliche Lösung dieses Konflikts darin, dass der DNAMerker erforderlichenfalls nur über eine zweite Abfrage zur Verfügung gestellt wird. Diese zweite Abfrage sollte durch flankierende Maßnahmen (Protokollaufzeichnung o. Ä.) für Zwecke datenschutzrechtlicher Kontrollen abgesichert werden. Ich habe das Innenministerium gebeten, sich beim BKA für eine solche Lösung einzusetzen.