StPO gestattet körperliche Eingriffe zur DNAIdentitätsfeststellung nur in der Form einer Entnahme von Körperzellen

17. April 1998 errichtete Verbundanwendung „DNA-Analyse-Datei" soll darüber hinaus der noch effizientere Betrieb dieser Datei sichergestellt werden.

§ 81 g Abs. 1 StPO gestattet körperliche Eingriffe zur DNAIdentitätsfeststellung nur in der Form einer Entnahme von Körperzellen. Diese Maßnahme ist aber nur zulässig, wenn sie zur Erreichung ihres Zwecks auch erforderlich ist. Das ist z. B. nicht der Fall, wenn den Strafverfolgungsbehörden ein für spätere Identifizierungszwecke geeignetes DNA-Muster aufgrund von früheren Maßnahmen nach §§ 81 e und 81 f StPO bereits zur Verfügung steht.

Auf welche Art die Entnahme zu erfolgen hat, schreibt das Gesetz nicht vor. In der polizeilichen Praxis wird im Regelfall ein Abstrich von Schleimhautzellen in der Mundhöhle vorgenommen. In Betracht kommt aber auch eine Blutprobe, die von einem Arzt abzunehmen ist. Die Vorschrift gestattet darüber hinaus die molekulargenetische Untersuchung des gewonnenen Körpermaterials. Diese Regelung entspricht den in § 81 e StPO getroffenen Bestimmungen. Sie war erforderlich, weil sich der Anwendungsbereich des § 81 e StPO nicht auf den in § 81 g StPO genannten Fall erstreckt. Der Zweck dieser Maßnahmen besteht in der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren. Die Entnahme von Körperzellen darf daher nur mit dem Ziel erfolgen, Material für die nachfolgende molekulargenetische Untersuchung zu gewinnen. Diese ist wiederum auf das Ziel der Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters gerichtet (§ 81 g Abs. 2 Satz 1 StPO).

Die Maßnahmen dürfen sich nur gegen einen Beschuldigten bzw. Verurteilten richten, der verdächtig ist, eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen zu haben. Als Beispiele nennt das Gesetz Verbrechen, Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gefährliche Körperverletzung, Diebstahl in einem besonders schweren Fall oder Erpressung. Als Anhaltspunkt dafür, wann eine solche Straftat in Betracht kommt, ist der als Anlage zu § 2 c DNA-IFG genannte

- nicht abschließende - Straftatenkatalog anzusehen. Die Entnahme von Körperzellen und deren Untersuchung sind nur zulässig, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht. Aufgrund der Art und Ausführung der Anlasstat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse muss eine sog. Negativprognose gestellt werden, d.h. es ist eine weitere „kriminelle Karriere" wegen vergleichbarer Taten zu erwarten.

§ 81 g Abs. 3 StPO verweist für die Zuständigkeit zur Anordnung der Maßnahmen und die datenschutzrechtlichen Vorkehrungen auf §§ 81 a Abs. 2, 81 f StPO. Für die Entnahme von Körperzellen bedarf es gemäß § 81 a Abs. 2 StPO grundsätzlich einer richterlichen Anordnung. Dadurch soll gewährleistet werden, dass auch die Gefahrenprognose durch den Richter getroffen wird. Im Eilfall sind auch die Staatsanwaltschaft oder ihre Hilfsbeamten zur Anordnung befugt.

Die Entnahme von Körperzellen ist ebenso wie bei Maßnahmen nach § 81 e StPO zulässig, wenn der Beschuldigte bzw. Verurteilte wirksam eingewilligt hat.

Bei inhaftierten Verurteilten ist jedoch zu gewährleisten, dass ihre Entscheidung, die Einwilligung zu erteilen oder sie zu verweigern, keine Auswirkungen auf Maßnahmen im Vollzug hat. Wird die Gewährung von Vollzugslockerungen davon abhängig gemacht, dass der Verurteilte einwilligt, kann von einer freiwilligen Entscheidung keine Rede sein.

Die Anordnung der molekulargenetischen Untersuchung ist gemäß §§ 81 g Abs. 3, 81 f Abs. 1 StPO allein dem Richter vorbehalten. Sie kann nicht durch die Einwilligung der Betroffenen ersetzt werden, denn dadurch wären sie gezwungen, sich selbst eine negative Prognose zur Begehung künftiger Straftaten zu stellen. Es ist jedoch niemand gezwungen, durch aktives Tun an seiner eigenen Strafverfolgung mitzuwirken. Gerade das würde ein Beschuldigter Verurteilter aber tun, wenn er in die molekulargenetische Untersuchung einwilligt, auch wenn er sie lediglich dulden muss. Die Untersuchung erfolgt allein zu dem Zweck, das DNA-Identifizierungsmuster in der DNA-Analyse-Datei zu speichern. Ein Vergleich des DNA-Profils mit dem Spurenmaterial eines Strafverfahrens soll die schnelle Identifizierung des Täters ermöglichen. Der Einwilligung kommt damit faktisch eine selbstbezichtigende Wirkung zu, da der Betroffene allein durch den Abgleich der DNA-Profile überführt werden kann.

Dieser mit der Einwilligung verbundene Zwang zur Selbstbelastung entfällt bei einem ausschließlichen Richtervorbehalt. Die 58. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat daher am 7. und 8. Oktober 1999 in Rostock eine Entschließung gefasst, dass DNA-Analysen zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung nur aufgrund einer richterlichen Anordnung zulässig sein sollten (Anlage 9). Die niedersächsischen Strafverfolgungsbehörden führen in der Praxis aus Gründen der Rechtssicherheit auch hier in allen Fällen eine richterliche Anordnung herbei. Bestrebungen, die Untersuchung der Körperzellen auf der Grundlage von Einwilligungen zu ermöglichen, werde ich mit Nachdruck entgegen treten.

Über die Schutzvorkehrungen des § 81 f Abs. 2 StPO hinaus, auf die § 81 g Abs. 3 StPO verweist, enthält § 81 g Abs. 2 StPO eine Vielzahl von Bestimmungen, die den Belangen des Datenschutzes Rechnung tragen sollen. § 81 g Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 StPO stellt eine strenge Zweckbindung auf. Entnommene Körperzellen dürfen nur zur Feststellung des DNAIdentifizierungsmusters zur Vorsorge für die künftige Strafverfolgung genutzt werden. Andere Untersuchungen, etwa zu Zwecken der Forschung oder der Gefahrenabwehr, sind unzulässig. Das Vernichtungsgebot des § 81 g Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 StPO erstreckt sich auf das gesamte dem Beschuldigten entnommene Körpermaterial, ungeachtet der Frage, ob es für die molekulargenetische Untersuchung verwendet worden ist oder nicht. Es umfasst auch Zwischenprodukte und aufbereitetes Material, um zu einem späteren Zeitpunkt auftretende Missbräuche zu verhindern. § 81 g Abs. 2 Satz 2 StPO begründet ein Feststellungsund Untersuchungsverbot, das sich an die in § 81 e Abs. 1 Satz 3 StPO getroffene Regelung anlehnt. Es soll gewährleisten, dass Untersuchungen, die auf die Erstellung eines „Persönlichkeitsprofils" gerichtet wären, unterbleiben.

Die DNA-Identifizierungsmuster dürfen dagegen nach den Vorschriften des Bundeskriminalamtgesetzes (BKAG verarbeitet und genutzt werden (§ 3 DNAIFG). Während der Gesetzgeber für die Gewinnung von Körperzellen und deren Untersuchung detaillierte Vorschriften in die Strafprozessordnung eingefügt hat, bleiben die Regelungen zur Speicherung unausgewogen und lückenhaft (§§ 32, 34 BKAG). So ergibt sich aus diesen Vorschriften nur in Verbindung mit der jeweils gültigen Errichtungsanordnung die im Einzelfall zulässige Dauer der Speicherung. Die Errichtungsanordnung sieht zudem vor, dass eine Speicherung solcher DNA-Identifizierungsmuster zulässig sein soll, die auf der Grundlage einer Einwilligung des Betroffenen in die molekulargenetische Untersuchung erlangt worden sind. Damit wird der gesetzlich vorgesehene Richtervorbehalt unterlaufen. Bei Verurteilten oder ihnen gleichgestellten Personen im Sinne von § 2 DNA-IFG ist bislang nicht geklärt, welche Folgen die Tilgung der Eintragung im Bundeszentral- oder Erziehungsregister für die Speicherung hat.

DNA-Identifizierungsmuster eines Beschuldigten, die nach § 81 e StPO gewonnen worden sind, dürfen gemäß § 3 Satz 3 DNA-IFG unter den Voraussetzungen des § 81 g Abs. 1 StPO in der DNA-Analyse-Datei gespeichert werden. Der Gesetzgeber hat von einer Verweisung auf § 81 g Abs. 3 StPO, der eine richterliche Anordnung statuiert, abgesehen, weil er der Ansicht war, die molekulargenetische Untersuchung der Körperzellen gemäß § 81 e StPO ordne in jedem Fall ein Richter an. Er hat dabei jedoch übersehen, dass der Richter bei seiner Entscheidung gemäß § 81 e StPO nicht zugleich über die Voraussetzungen des § 81 g Abs. 1 StPO entscheidet. Das hat zur Folge, dass die DNAIdentifizierungsmuster eines Beschuldigten ohne richterliche Entscheidung allein auf der Grundlage einer polizeilichen Prognose in die DNA-Analyse-Datei eingestellt werden. Auf diese Weise wird der Richtervorbehalt umgangen, dem

- wie dargelegt - eine besondere Bedeutung zukommt. Ich habe gegenüber dem Niedersächsischen Innenministerium deutlich gemacht, dass zukünftig in allen Fällen ein sog. Doppelbeschluss herbeigeführt werden muss, in denen die materiellen Voraussetzungen der §§ 81 e und 81 g StPO vorliegen. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass ein Richter die Negativprognose stellt. Eine Antwort des Ministeriums steht auch hier noch aus.

Ich habe eine datenschutzrechtliche Kontrolle von DNA-Maßnahmen einzelner Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften eingeleitet und in die Kontrolle auch die in Hannover durchgeführte Massenreihenuntersuchung (EG-Fessel) einbezogen. Im Rahmen der Kontrolle sollen neben den organisatorischen und technischen Vorkehrungen zum Datenschutz die Erhebung der DNAIdentifizierungsmuster durch die Entnahme und molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen, deren Speicherung in der DNA-Analyse-Datei und schließlich der Abruf, die Übermittlung und die sonstige Verarbeitung Nutzung der personenbezogenen Daten untersucht werden. Die Kontrolle erstreckt sich auf entsprechende Daten in der Spuren- und der Personendatei der DNA-Analyse-Datei. Es werden sowohl Verfahren untersucht, bei denen Körperzellen aufgrund einer Einverständniserklärung der Betroffenen entnommen worden sind, als auch Verfahren, bei denen die DNA-Analyse aufgrund einer richterlichen Anordnung erfolgt ist. Die Kontrolle ist bislang noch nicht abgeschlossen.

Parlamentarische Kontrolle des sog. „Großen Lauschangriffs"

Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität vom 4.5.1998 (BGBl. I S. 845) wurde in § 100 c Abs. 1 Nr. 3 Strafprozessordnung (StPO) der politisch umstrittene Einsatz technischer Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen zu repressiven Zwecken eingeführt - sog. „Großer Lauschangriff" (vgl. XIV.TB 27.4). Dazu wurde Art. 13 Grundgesetz (GG) durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 13) vom 26.3.1998 (BGBl. I S. 610) neu gefasst.

Durch den Einsatz technischer Mittel zur akustischen Wohnraumüberwachung, der gemäß Art. 13 Abs. 4 und 5 GG auch zu präventiven Zwecken zulässig ist, kann in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG), das allgemeine Persönlichkeitsrecht und den dadurch gewährleisteten Schutz der Privatsphäre, das Recht am gesprochenen Wort und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) eingegriffen werden. Um eine effektive Kontrolle der Exekutive durch das Parlament auf diesem Gebiet der besonders intensiven Grundrechtseingriffe zu schaffen, verpflichtet Art. 13 Abs. 6 Satz 1 GG die Bundesregierung zur jährlichen Unterrichtung des Bundestages über die Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 bis 5 GG.

Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. § 100 e Strafprozessordnung (StPO) konkretisiert die Berichtspflicht in der Weise, dass die Bundesregierung den Bundestag auf der Grundlage der Mitteilungen der Staatsanwaltschaften an die obersten Landesjustizbehörden über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der Maßnahme zu unterrichten hat.

Es handelt sich dabei nicht um eine parlamentarische Kontrolle, die den gerichtlichen Rechtsschutz ersetzen könnte. Der Bundestag überprüft also nicht die Rechtmäßigkeit jeder einzelnen Überwachungsmaßnahme, sondern die „Normeffizienz" von Art. 13 Abs. 3 bis 5 GG und der zu seiner Ausführung ergangenen einfachgesetzlichen Regelungen (§§ 100 c bis 101 StPO).