Ausbaubeitragssatzungen in niedersächsischen Gemeinden

Zahlreiche niedersächsische Gemeinden haben so genannte Ausbaubeitragssatzungen verabschiedet, andere wiederum nicht. Dort, wo es Satzungen gibt, fallen sie zum Teil recht unterschiedlich aus. So gibt es Ausbaubeiträge, die von den Anwohnern verlangt werden, die bei 90 % liegen. In anderen Gemeinden werden lediglich 40 % verlangt. In Fußgängerzonen reicht die Spanne von 20 bis 70 %. Manche Gemeinden haben auch gar keine Regelung für Fußgängerzonen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Erkenntnisse liegen vor zur Handhabung der Ausbaubeitragssatzungen in Niedersachsen, insbesondere hinsichtlich der Höhe der anteiligen Kosten für die Anwohner?

2. Hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber, wie die Situation in anderen Bundesländern hinsichtlich der Ausbaubeitragssatzungen ist?

Die niedersächsischen Gemeinden können gemäß § 6 Abs. 1 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen, zu denen auch die öffentlichen Straßen, Wege und Plätze gehören, Straßenausbaubeiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet.

Maßnahmen zur erstmaligen Herstellung von Erschließungsanlagen unterliegen der Erschließungsbeitragspflicht nach § 127 ff. BauGB. Insoweit gehen die bundesrechtlichen Vorschriften vor. Nicht beitragsfähig sind Maßnahmen der Straßenunterhaltung und Straßeninstandsetzung. Diese müssen aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert werden, da für öffentliche Straßen im Gemeingebrauch Gebühren nicht erhoben werden dürfen.

Anders als im Erschließungsbeitragsrecht nach § 127 ff. BauGB besteht für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen keine Beitragserhebungspflicht (vgl. § 83 Abs. 2 Satz 2 NGO), sodass die Kommunen in eigener Zuständigkeit und rechtlicher sowie kommunal finanzpolitischer Eigenverantwortung darüber entscheiden können, ob sie Straßenausbaubeiträge erheben wollen. Hat sich eine Gemeinde für die Beitragserhebung entschieden, muss sie eine Straßenausbaubeitragssatzung erlassen (§ 2 Abs. 1 NKAG), zu deren Mindestinhalt u. a. der Satz der Abgabe gehört (§ 2 Abs. 2 NKAG). Die Notwendigkeit zur Festlegung eines Abgabesatzes entfällt jedoch, wenn - wie dies im Straßenausbaubeitragsrecht regelmäßig der Fall ist - eine Beitragssatzung für mehrere gleichartige Einrichtungen erlassen wird und der Beitragssatz für die einzelnen Einrichtungen in ihr nicht festgelegt werden kann, weil der für beitragsfähige Maßnahmen entstandene Aufwand beim Satzungsbeschluss noch nicht feststeht. Es genügt daher, wenn in der Straßenausbaubeitragssatzung die Maßnahmen nach Art und Umfang bezeichnet werden, für die Beiträge erhoben werden sollen und der umzulegende Teil des Gesamtaufwandes bestimmt wird. D. h. es muss der Vomhundertsatz festgelegt werden, den die Gemeinde tragen wird bzw. der auf die Beitragspflichtigen umzulegen ist (§ 6 Abs. 5 Satz 3 NKAG). Wenn die Einrichtungen erfahrungsgemäß auch von der Allgemeinheit oder der Gemeinde in Anspruch genommen werden, gebietet § 6 Abs. 5 Satz 4 NKAG bei der Ermittlung des Beitrages einen dem besonderen Vorteil der Allgemeinheit oder der Gebietskörperschaft entsprechenden Teil des Aufwandes außer Ansatz zu lassen. Im Gesetz ist davon abgesehen worden, feste Sätze oder Mindestanteile für den Teil des Aufwandes vorzusehen, der dem Vorteil der Allgemeinheit oder der Gebietskörperschaft entspricht, weil dieser Anteil am Gesamtaufwand bei verschiedenen Einrichtungen und unter den verschiedenen örtlichen Gegebenheiten unterschiedlich hoch ist.

Zur Bestimmung der in der jeweiligen Straßenausbaubeitragssatzung festzulegenden Anteilssätze ist eine Vorteilsabwägung erforderlich, d. h. die Gemeinden haben das Maß der schätzungsweise zu erwartenden Inanspruchnahme der ausgebauten Einrichtung durch die Grundstückseigentümer einerseits und die Allgemeinheit andererseits gegenüberzustellen und auf dieser Grundlage die jeweiligen Anteilssätze festzulegen. Je mehr die ausgebaute Einrichtung erfahrungsgemäß von der Allgemeinheit in Anspruch genommen werden kann, desto höher ist der Wert des durch diese Inanspruchnahmemöglichkeit vermittelten besonderen (wirtschaftlichen) Vorteils zu bemessen, und desto höher muss dementsprechend der auf die Allgemeinheit entfallende Anteil angesetzt werden.

Umgekehrt muss der Eigentümeranteil desto höher sein, je mehr die ausgebaute Anlage erfahrungsgemäß von den „anliegenden" Grundstücken aus in Anspruch genommen werden kann. Welches Anteilsverhältnis als vorteilsgerecht anzusehen ist, entscheiden die beitragserhebenden Gemeinden im Rahmen ihres ortsgesetzgeberischen, am Maß der wahrscheinlichen Inanspruchnahme zu orientierenden Ermessens.

Das Verhältnis der durch die Inanspruchnahmemöglichkeit für die Allgemeinheit und die Grundstückseigentümer gebotenen wirtschaftlichen Vorteile hängt sowohl von der Verkehrsbedeutung der auszubauenden Einrichtung als auch davon ab, welche Teileinrichtungen innerhalb der jeweiligen Straßenart ausgebaut werden. Zur Wahrung des Vorteilsprinzips müssen die Gemeinden daher nach der Verkehrsbedeutung ausgebauter Straßen und innerhalb der Straßenarten nach Teileinrichtungen differenzieren, deren Inanspruchnahmemöglichkeit Allgemeinheit und Grundstückseigentümern typischerweise unterschiedliche Vorteile vermittelt. Das bedeutet, dass eine Gemeinde ihre Anteilssätze zumindest nach reinen Wohnstraßen (Anliegerstraßen), Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr (Haupterschließungsstraßen) und Straßen mit überwiegendem Durchgangsverkehr (Hauptverkehrs- und Durchgangsstraßen) und innerhalb dieser Straßenarten im Übrigen nach den vorhandenen Teileinrichtungen (wie z. B. Fahrbahnen, Radwege, Gehwege, Straßenbeleuchtung, Parkflächen) unterscheiden muss. Weitere nach den örtlichen Verhältnissen vorhandene Straßentypen (wie z. B. Fußgängerzonen, verkehrsberuhigte Mischflächen, Gemeindeverbindungsstraßen - § 47 Nr. 2 NStrG - und dem öffentlichen Verkehr gewidmete Außenbereichsstraßen - § 47 Nr. 3 NStrG -) müssen sich ebenfalls vorteilsentsprechend in das genannte System einfügen.

Für die Bemessung des Gemeindeanteils bzw. der Anliegeranteile im Einzelnen können sich die Gemeinden an bestimmten von der Rechtsprechung anerkannten Erfahrungswerten als „Leitlinien" orientieren. Nach ständiger Rechtsprechung des Niedersächsi schen Oberverwaltungsgerichts bestehen z. B. keine Bedenken, wenn die Anliegersätze für reine Wohnstraßen bis zu 75 v. H. der Ausbaukosten, bei Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr für den Fahrbahnausbau bis zu 40 v. H. und den Gehwegausbau bis zu 60 v. H. und bei reinen Durchgangsstraßen von 20 v. H. bis 30 v. H. für den Fahrbahnausbau und bis zu 60 v. H. für den Gehwegausbau betragen. Für Gemeindestraßen nach § 47 Nr. 3 NStrG dürfte sich ein Gemeindeanteil zwischen 25 v. H. bis 40 v. H. und damit ein Eigentümeranteil von 60 v. H. bis 75 v. H. im Rahmen des ortsgesetzgeberischen Ermessens bewegen. Keine Bedenken bestehen, wenn die Anteilssätze zugunsten der Anlieger in gewissem Umfang von diesen Leitlinien abweichen. Schließlich gebietet der Gleichheitsgrundsatz eine hinreichende Stimmigkeit der Anteilssätze untereinander.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu 1: Die Erkenntnisse der Landesregierung über die von den niedersächsischen Gemeinden in ihren Straßenausbaubeitragssatzungen festgelegten Aufwandsanteile der Beitragspflichtigen sind aus der Anlage ersichtlich. Dafür, dass die beitragserhebenden Gemeinden bei der Festlegung der Vorteilssätze den ihnen zustehenden Ermessensrahmen überschritten haben, ist nichts erkennbar geworden. Wenn einzelne Gemeinden die auf die Anlieger entfallenden Anteilssätze für Fußgängerzonen nicht in der allgemeinen Straßenausbaubeitragssatzung festgelegt haben, kann dies nicht beanstandet werden. Denn eine satzungsmäßige Festlegung des Gemeinde- bzw. Anliegeranteils braucht nicht für alle in Betracht kommenden Fälle in der allgemeinen Beitragssatzung zu erfolgen. Vielmehr sind auch die allgemeine Satzung ergänzende Einzelsatzungen für den Gemeinde- Anliegeranteil grundsätzlich zulässig. Soweit Fußgängerzonen in einer Gemeinde vorhanden sind, hängt die Bewertung der zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteile für Allgemeinheit und Grundstückseigentümer zudem häufig von den besonderen Umständen der jeweiligen Einzelsituation ab. Es kann daher zweckmäßig sein, insoweit die Anteilssätze in einer Einzelsatzung festzulegen.

Soweit eine Aufwanddeckung durch die Anlieger von 90 % angesprochen ist, wird es sich regelmäßig um Erschließungsbeiträge nach § 127 ff. BauGB handeln. § 129 Abs. 1 Satz 2 BauGB bestimmt, dass die Gemeinden mindestens 10 v. H. des beitragsfähigen Erschließungsaufwands tragen.

Zu 2: Nach den Erkenntnissen der Landesregierung erheben aufgrund kommunalabgabengesetzlicher Ermächtigung der jeweiligen Landesgesetzgeber auch die Kommunen in anderen Bundesländern Straßenausbaubeiträge nach Maßgabe kommunaler Beitragssatzung.

In diesen Beitragssatzungen werden die Anteile der Allgemeinheit und der Beitragspflichtigen am beitragsfähigen Aufwand ebenfalls differenzierend nach der Verkehrsbedeutung der Straßen und nach Teileinrichtungen festgesetzt. Erkenntnisse über die Satzungspraxis im Einzelnen liegen der Landesregierung nicht vor.