Ausländerbehörde

13. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die örtliche Polizei durch die Ausländerbehörde Braunschweig nicht ausreichend über die psychische Verfasstheit, d. h. über die tatsächliche und akute Suizidgefahr und deren ursächliche Gründe, informiert wurde?

14. Teilt sie die Einschätzung, dass die Vorabinformationen zur psychischen Verfasstheit und den Lebensumständen Dr. Nikolovs der Ausländerbehörde an die Polizei nicht ausreichend waren und die Polizei somit zu der falschen Lageeinschätzung kam, dass Dr. Nikolov seine Suiziddrohung nicht in die Tat umsetzen würde?

15. In welchen Zusammenhängen und in welcher Weise zeichneten sich die eingesetzten Beamten, wie von der Landesregierung behauptet, als bewährt aus?

16. Wie viele SEK-Beamte stürmten nach dem Einsatz der Blendgranate in die Wohnung Dr. Nikolovs? Warum wurde ein SEK-Beamter, zu dessen Schutz der tödliche Schuss fiel, ohne Schutzweste in die Wohnung geschickt?

17. Wie viele Hunde führten die SEK-Beamten beim Eindringen in Dr. Nikolovs Wohnung zu welchem Zweck mit sich, und wie wurden sie eingesetzt? Wurde Dr. Nikolov durch Bisse verletzt?

18. Wann traf die angeforderte Verhandlungstruppe ein? Wie viele Personen mit welchen Funktionen gehörten ihr an? Welchen Auftrag bzw. welche wechselnden Aufträge hatten sie? Waren sie uniformiert und bewaffnet? Welche Reaktionen riefen sie bei Dr. Nikolov hervor?

19. Welche Kräfte wurden um 8.50 Uhr zusätzlich zur Verhandlungsgruppe der BR/PD Braunschweig und dem SEK Niedersachsen angefordert?

20. Wo kam die unbefristete Aufenthaltserlaubnis her, deren Annahme Dr. Nikolov zweimal (10.05 Uhr und 10.47 Uhr) verweigerte? Wann und von wem wurde sie ausgestellt? Auf welcher Rechtsgrundlage konnte sie ausgestellt werden, und warum erhielt Dr. Nikolov sie nicht vor dem Einsatz zur Sicherung seines Aufenthaltes und zur Verbesserung seiner psychischen Verfasstheit?

21. Warum wurde kein Psychologe hinzugezogen, obwohl sowohl im Vorfeld des Einsatzes aufgrund der eindeutigen Aussagen Dr. Nikolovs „Nach Bulgarien kriegt ihr mich nur im Sarg" als auch während des Einsatzes klar war, dass es um Schutz und Leben Dr. Nikolovs ging?

22. Warum wurde, nachdem Dr. Nikolov einen Zettel mit der Telefonnummer Dr. Graessners vom Behandlungszentrum für Folteropfer aus dem Fenster warf, kein telefonischer Kontakt zwischen Dr. Graessner und Dr. Nikolov durch die Übergabe eines Handys hergestellt, obwohl Dr. Graessner dieses zugesagt wurde? Wie bewertet die Landesregierung das Nichtzustandekommen nach dem eindeutig als Hilferuf zu deutenden Hinweis Dr. Nikolovs?

23. Welche Maßnahmen riet Dr. Graessner an, und vor welchen warnte er?

24. Wind die Gespräche zwischen der Polizei und Dr. Graessner aufgezeichnet worden?

Wenn nein, warum nicht, und strebt die Landesregierung zur abschließenden Klärung der Vorgänge eine „Zeugenvernehmung" des Dr. Graessner an?

25. Welche Ergebnisse ergaben der von der Landesregierung angestrebte Dialog mit der Polizei und dem SEK Niedersachsen, um die Umstände, die zur Tötung von Dr. Nikolov führten, aufzuarbeiten?

26. Wird sie, um weitere Tote und Verletzte zu vermeiden, zukünftig nach individueller Prüfung von Einzelfällen von der (zwangsweisen) Begutachtung durch Amtsärzte absehen und Gutachten und Stellungnahmen von Folterzentren und Fachärzten anerkennen?

27. Bei welchen Institutionen holen sich niedersächsische Amtsärzte den nötigen Sachverstand bei der Begutachtung von Folteropfern?

28. Wie oft und in welchen Haftanstalten wurden seit 1995 psychiatrische Untersuchungen zur Feststellung der Unbedenklichkeit der Abschiebung durchgeführt? Wer führte die Untersuchungen mit welchen Ergebnissen durch?

29. Wie viele der Gefangenen erteilten keine Zustimmung zur Untersuchung, und wie wurde in diesen Fällen verfahren?

30. In wie vielen Fällen wurde die Unbedenklichkeit der Abschiebung festgestellt, in wie vielen Fällen wurde ein Abschiebehindernis festgestellt, und welche Maßnahmen folgten dem Anerkennen?

31. Für welchen Zeitraum wurde die jeweils angeordnete Abschiebehaft beantragt und gerichtlich beschieden?

32. Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichtes Berlin vom 21.12.1999 Az: VG 35 F 82.99 in Bezug auf den Umgang mit traumatisierten Asylbewerbern und dem Bestehen auf (zwangsweise) amtsärztlichen Untersuchungen?

33. Wie viele Asylbewerberinnen und Asylbewerber befinden sich in niedersächsischen Landeskrankenhäusern, wie viele erfahren eine ambulante Therapie?

34. Ist das nach Begleichung der Kosten für den Krankenhausaufenthalt und die Beerdigung Dr. Nikolovs verbliebene Vermögen Dr. Nikolovs durch den eingesetzten Nachlassverwalter an die Eltern in Bulgarien weitergeleitet worden?

Die Landesregierung hat bereits am 29.02.2000 eine Kleine Anfrage des Abg. Schwarzenholz zu den Umständen des Todes des abgelehnten bulgarischen Asylbewerbers Dr. Zdravko Dimitrov ausführlich beantwortet. Der Abgeordnete stellt in den Vorbemerkungen seiner erneuten Anfrage fest, diese Antwort habe die Zweifel daran nicht ausräumen können, dass Herrn Dr. Dimitrovs Grundrechte in mehrfacher Hinsicht verletzt worden seien und die Ausländerbehörde entgegen der Auffassung der Landesregierung doch über weitergehende Ermessenspielräume verfügt habe. Insbesondere sei die über § 70

Ausländergesetz (AuslG) hergeleitete allgemeine Pflicht zur Duldung einer ärztlichen Untersuchung nicht eindeutig nachzuvollziehen; eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung für eine zwangsweise Untersuchung fehle. Damit sei die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Abschiebehaft nicht abschließend beantwortet worden.

Auch gebe es keine Anhaltspunkte für eine Risikoabwägung durch die Ausländerbehörde in der Vorbereitung des Einsatzes und bei der Kooperation mit der Polizeidienststelle Braunschweig.

Diese Bewertung der Antwort der Landesregierung durch den Abgeordneten ist zurückzuweisen.

Die Landesregierung ist vielmehr in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 17.01.2000, auf die insoweit verwiesen wird, auf diese Aspekte ausführlich eingegangen.

Sowohl die rechtliche Beurteilung der sich aus § 70 Abs. 1 AuslG ergebenden Mitwirkungspflichten als auch die Einzelheiten zur Risikoeinschätzung, Vorbereitung, Durchführung und rechtlichen Bewertung des Einsatzes der Ausländerbehörde und der Polizei ergeben sich umfassend aus dieser Antwort (s. Vorbemerkungen, Antworten zu Fragen 6 und 7).

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen wie folgt:

Zu 1:

Das Klageverfahren auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 12.01.2000 nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt.

Das Klageverfahren gegen die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens wurde laut Abschlussmitteilung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 10.01.2000 eingestellt. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren auf Erteilung einer Duldung wurde nach Mitteilung des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 29.12.1999 ebenfalls eingestellt.

Zu 2: Es war beabsichtigt, Abschiebungshaft für die Dauer von zwei Wochen zu beantragen.

Eine spezifische Behandlung bzw. Unterbringung wäre abhängig vom Ergebnis der Aufnahmeuntersuchung gewesen.

Zu 3: Die geplante Untersuchung sollte im Rahmen der Haftfähigkeitsprüfung durch die Anstaltsärztin und den Amtsarzt erfolgen. Da Herr Dr. Dimitrov durch eine entsprechende Mitwirkung die Gelegenheit gehabt hätte, die Vollstreckung der Abschiebungshaft und ggf. die beabsichtigte Abschiebung zu verhindern, war von seiner Mitwirkung auszugehen. Im Falle einer Verweigerung der Mitwirkung hätte die Anstaltsärztin über die Aufnahme in die Haftanstalt entscheiden müssen.

Zu 4: Herr Dr. Dimitrov war zu Terminen am 11.08.1999 und 18.08.1999 vom sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes zur Begutachtung eingeladen worden. Die Termine nahm er nicht wahr.

Zu 5: Auf die Antwort der Landesregierung vom 29.02.2000 (s. Vorbemerkungen) wird verwiesen.

Zu 6: Die Notwendigkeit zur Einholung eines derartigen Gutachtens bestand bereits deshalb nicht, weil keine zwangsweise amtsärztliche Untersuchung beabsichtigt war.

Zu 7: Auf die Antwort der Landesregierung vom 29.02.2000 (Vorbemerkungen) wird verwiesen.

Zu 8: Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen.

Zu 9: Auf die Antwort der Landesregierung vom 29.02.2000 (Vorbemerkungen) wird verwiesen.