Gewerbeaufsichtsrechtliche Maßnahmen bei der Firma „Florida-Chemie" in Holzminden

Bei der Firma „Florida-Chemie" in der Stadt Holzminden sind bei einem Besuch von Vertretern des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Hildesheim im Herbst 1999 erhebliche Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz, das Arbeitssicherheitsgesetz und die Gefahrstoffverordnung festgestellt worden. Mit Hinweis auf die begonnene Tätigkeit eines neuen Geschäftsführers wurde von einem sofortigen Beschäftigungsverbot nach § 22 Abs. 3 ArbSchG bis zur Sanierung der Arbeitsstätte und dem Aufbau einer Arbeitssicherheitsorganisation abgesehen.

Bei einem erneuten Besuch im Februar 2000 musste das Gewerbeaufsichtsamt feststellen, dass dem neuen Geschäftsführer die Angelegenheiten des Arbeitschutzes vom Inhaber des Betriebes nicht übertragen worden waren und keinerlei Besserung im Zustand des Betriebes zu verzeichnen war.

Eine entsprechende Darlegungsfrist, wie und wann die inkriminierten Zustände beseitigt würden, ließ der 86-jährige Besitzer ohne Antwort verstreichen. Stattdessen wurde seitens seines Arztes ein fachärztliches Attest vorgelegt, in dem es heißt, dass der Eigner aufgrund seiner Erkrankungen bis auf Weiteres nicht in der Lage sei, Verhandlungen, Besprechungen oder Terminen jeglicher Art beizuwohnen. Gleichwohl nahm er an einer am 16.03.2000 stattfindenden Betriebsrevision teil, die gemeinsam von Gewerbeaufsicht und der Berufsgenossenschaft-Chemie anberaumt wurde. Dort sollten konkrete Absprachen zur Arbeitssicherheitsorganisation getroffen und die dringendsten Defizite im technischen und baulichen Bereich zur Bereinigung auf den Weg gebracht wurden.

Laut Aussagen von Betriebsangehörigen ist seitdem allerdings nichts in dieser Hinsicht geschehen. Ganz im Gegenteil besteht nach ihrer Auffassung nach wie vor Gefahr für Leib und Leben der dort Beschäftigten. Der Geschäftsführer wird die Firma zum Jahresende verlassen, da er die Zustände nicht mehr verantworten will.

Bereits in den vergangenen Jahren gab es zu diesem Betrieb, der 10 Personen beschäftigt, Beanstandungen der Stadt Holzminden. Am 01.10.1997 wurde festgestellt, dass bauliche Anlagen ohne Genehmigung errichtet worden waren, Nutzungsänderungen nicht angezeigt wurden und darüber auch keine Aufzeichnungen vorhanden waren, Stoffe unvorschriftsgemäß gelagert wurden.

Unabhängig davon wurde bei der Staatsanwaltschaft Anzeige wegen gesundheitsgefährdender Inhaltsstoffe bei den Produkten der Firma erstattet.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Anordnungen zum Schutz der Beschäftigten als auch Dritter hat das staatliche Gewerbeaufsichtsamt bei seinen verschiedenen Betriebsbegehungen in dem Betrieb „Florida-Chemie" bisher verfügt?

2. Welche Fristen wurden dem Eigner des Betriebes zur Behebung der Beanstandungen gesetzt?

3. Welche vorbeugenden Maßnahmen (organisatorisch/technische) sind zum Schutz der Beschäftigten bis zur endgültigen Behebung der Beanstandungen veranlasst worden?

4. Welche Maßnahmen wurden bisher seitens des Betriebes zur Behebung der Beanstandungen des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes im Einzelnen durchgeführt?

5. Falls den Anordnungen des Gewerbeaufsichtsamtes bisher nicht Folge geleistet wurde: welche Gründe werden seitens des Betriebs bzw. des Eigners dafür angeführt?

6. Sind die Beanstandungen des Gewerbeaufsichtsamtes so gravierend, dass die dort tätigen Arbeitnehmer gesundheitlich und sicherheitstechnisch ernsthaft gefährdet sind?

7. Gibt es vor dem Hintergrund der Beanstandungen Anlass dafür, ein sofortiges Beschäftigungsverbot für die dort tätigen Arbeitnehmer auszusprechen?

8. Welche Sanktionen wurden bisher gegenüber „Florida-Chemie" erlassen?

9. Welche Sanktionen kann das Gewerbeaufsichtsamt bei Nichteinhaltung seiner Anordnungen erlassen?

10. Welche Anordnungen hat die Stadt Holzminden zur Behebung ihrer damaligen Beanstandungen gegenüber dem Betrieb verfügt? Sind die Anordnungen der Stadt befolgt worden? Wenn nein, welche Folgen hat das für den Weiterbetrieb von „Florida-Chemie"?

11. Welche chemischen Stoffe werden auf dem Gelände der Firma gelagert? Werden diese (z. B. Natriumdichloroisocyanurat) vorschriftsgemäß gelagert und verarbeitet?

12. Sind seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Betrieb „Florida-Chemie" aufgrund von Anzeigen privater Personen oder aufgrund von behördlichen Erkenntnissen in die Wege geleitet worden? Wenn ja, zu welchem Ergebnis sind diese Ermittlungen gekommen?

13. Wie viele Arbeitnehmer des Betriebes „Florida-Chemie" wurden mit Hilfe von Fördermitteln des Arbeitsamtes eingestellt?

14. Welche Prüfungen unternimmt das zuständige Arbeitsamt bei Verdacht auf nicht ordnungsgemäße Betriebsführung in Firmen, die vom Arbeitsamt vermittelte und öffentlich geförderte Arbeitnehmer beschäftigen?

15. Hat das Arbeitsamt trotz der bekannt gewordenen Beanstandungen weiterhin erwerbslose Arbeitnehmer an die Firma „Florida-Chemie" vermittelt?

Bei der Firma „Florida-Chemie" handelt es sich um eine kleine Firma, die aus angelieferten Grundchemikalien Fertigprodukte im Wesentlichen für Bundeswehr, Katastrophenschutz und Seefahrt mischt.

Die Produktpalette umfasst, soweit hier bekannt, neben Trinkwasserbeuteln für Rettungsinseln und Jetpiloten, Schuhcreme für Bundeswehrschuhwerk, Salbe, Übungsentgiftungs- und Darstellungsmittel (Talkum), Chlortabletten zur Trinkwasseraufbereitung und Scheibenenteiser.

Bis auf die Trinkwasserherstellung sind die übrigen Produktlinien nur bei Auftragseingang (ca. 1 bis 2 mal jährlich/Schuhcreme, alle 5 Jahre/Chlor-Tabletten) in Betrieb. In Abhängigkeit von der Auftragslage sind bis zu 10 Beschäftigte in der Firma tätig.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1: Am 06.10.2000 ist eine Anordnung nach § 12 Abs. 2 Gerätesicherheitsgesetz zur ordnungsgemäßen Lagerung brennbarer Flüssigkeiten ergangen. 7 000 Liter brennbare Flüssigkeit (Scheibenenteiser) - verbotswidrig auf dem Dachboden des Privathauses auf dem Betriebsgelände abgestellt - waren umgehend in das ebenfalls auf dem Betriebsgelände genehmigte Lager zu transportieren.

Diese Anordnung ergab sich aus einer Zeugenaussage des Geschäftsführers vom 29.09.2000 bei der Polizeiinspektion Holzminden, die am 02.10.2000 dem Staatl. Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim (GAA) zur Kenntnis gebracht wurde.

Zu 2: Die Durchführung der angeordneten Maßnahmen hatte unverzüglich zu erfolgen.

Zu 3: Als vorbeugende Maßnahmen sind insbesondere folgende Aktivitäten zu nennen: 04.10.1999 Der Eigentümer stellte bei einer Besichtigung durch das GAA den neuen Geschäftsführer und künftigen Mitgesellschafter der FloridaChemie mit Arbeitsaufnahme ab dem 15.10.1999 vor.

Die bauliche Situation, zahlreiche kleine Mängel an Arbeitsgeräten, Lagereinrichtungen, Arbeitsplätzen sowie bei der Arbeitsorganisation und der Beachtung rechtlicher Formalien, wie der Führung eines vollständigen Gefahrstoffkatasters, führten zu der Vereinbarung, dass die Abstellung der Mängel die vordringlichste Aufgabe des neuen Geschäftsführers sein sollte.

23.02.2000 Anhörung des Betriebsinhabers nach § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) durch das GAA, wie zukünftig die Wahrnehmung der Arbeitgeberpflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sichergestellt werden soll.

04.03.2000 Antwortschreiben des Firmeneigentümers an das GAA, dass er dem Geschäftsführer ab 06.03.2000 die gesamte Personalverantwortung und die Weisungsbefugnis in Fragen des Arbeits- und Umweltschutzes übertragen und auch ein Mitspracherecht bei Investitionsentscheidungen einräumen wird.

16.03.2000 Gemeinsame Revision des GAA mit dem Aufsichtsbeamten der Berufsgenossenschaft Chemie (BG Chemie):

­ Ein signifikantes Unfallgeschehen konnte nicht festgestellt werden.

­ Die Betriebsrevision zeigte keine unmittelbar das Leben und die Gesundheit der Beschäftigten bedrohenden Sachverhalte, die ein unmittelbares Einschreiten rechtlich zugelassen hätten.