Arbeitsweise der Vollstreckungsstellen in den Finanzämtern

Die Finanzbehörden können Steuerforderungen im Verwaltungsweg vollstrecken. Die zwangsweise Durchsetzung der nicht fristgerecht beglichenen Steuerforderungen obliegt den bei den Finanzämtern eingerichteten Vollstreckungsstellen. In Niedersachsen wurden in den Jahren 1996 bis 1998 Rückstände von jährlich etwa 1,5 Milliarden DM eingezogen. Die nicht eingezogenen (vollstreckbaren) Rückstände betrugen zum Schluss dieser Jahre jeweils annähernd 1,2 Milliarden DM, was rund 2 v. H. des Kassensolls entsprach.

Diese Rückstandsquote lag Ende 1998 über dem Bundesdurchschnitt von rund 1,5 v. H.

Der Ausschuss für Haushalt und Finanzen bemängelt, dass die Vollstreckungsstellen einiger Finanzämter nicht effektiv gearbeitet und dadurch die in Vollstreckung befindlichen Rückstände vielfach nur unvollständig oder verzögert eingezogen haben. Er erwartet, dass die Verwaltung die Effizienz der Vollstreckungstätigkeit insbesondere durch die

­ bessere Ermittlung und Nutzung von Vollstreckungsmöglichkeiten,

­ Vermeidung unberechtigter Aussetzungen der Vollstreckung,

­ sachgerechte Bearbeitung von Vollstreckungsfällen mit Groß- und Betriebssteuerrückständen,

­ wirtschaftliche Einziehung von Kraftfahrzeugsteuerrückständen,

­ intensive Fortbildung des Vollstreckungspersonals und

­ wirksame vollstreckungsfachliche Begleitung und Kontrolle durch die Dienstvorgesetzten wesentlich steigert und dadurch die vollstreckbaren Rückstände spürbar verringert.

Über das Veranlasste ist dem Landtag bis zum 31.03.2001 zu berichten.

Die Arbeitslage in den Vollstreckungsstellen der niedersächsischen Finanzämter ist in den vergangenen Jahren von einem stetigen Anwachsen der Rückstandsfälle sowie der rückständigen Beträge geprägt worden. Um den negativen Trend zu stoppen und nach Möglichkeit umzukehren, ist im Herbst 1998 auf Veranlassung des MF auf Ebene der Oberfinanzdirektion Hannover (OFD) eine Arbeitsgruppe Vollstreckung eingerichtet worden. Zielvorgabe war, den Arbeitsstand in den Vollstreckungsstellen zu untersuchen sowie kurzfristig Vorschläge zur Steigerung der Effektivität zu erarbeiten.

Nach einer ersten Analyse der Ausgangssituation hat die Arbeitsgruppe eine nicht unerhebliche Anzahl von Themenkomplexen untersucht und darauf aufbauend Sofortmaßnahmen eingeleitet. Hierzu zählen insbesondere

­ Optimierung der Organisationsstruktur der Vollstreckungsstellen hin zu einer ganzheitlichen teamorientierten Bearbeitung und Festlegung einer einheitlichen Aufbauund Ablauforganisation;

­ Festlegung eines Fortbildungsprogramms für die nächsten Jahre unter Einbeziehung regelmäßiger Fachtagungen;

­ Intensivierung der Fachaufsicht durch regelmäßige Dienstbesuche und verstärkte Durchführung von Vollstreckungsfachprüfungen;

­ Steigerung der Effizienz der Außendiensttätigkeit und IuK-gestützte Bearbeitung der Vollstreckungsvergütung;

­ Verbesserung der Beitreibung der Kraftfahrzeugsteuerrückstände durch Abkürzung des Mahnverfahrens und beschleunigte Zwangsabmeldung;

­ Steigerung der Effizienz von Gewerbeuntersagungsverfahren und anderer rückstandsunterbindender Maßnahmen im berufs- und standesrechtlichen Bereich;

­ Verringerung der Zahl von unerledigten Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung bei in Beitreibung befindlichen Steuerrückständen;

­ Beseitigung der Probleme bei Schätzfällen im Zuge von Gewerbeanmeldungen;

­ Verbesserung der Aussagekraft der Ergebnisstatistik;

­ Verstärkung des Technikeinsatzes in den Vollstreckungsstellen und Aufbau eines automationsgestützten Vordruckwesens.

Die beschriebenen Empfehlungen zur Optimierung der Ablauforganisation der Vollstreckungsstellen sind in die Arbeit der Fachreferate der OFD eingeflossen und münden nunmehr in eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen. Ziel der Projektarbeit war von Anfang an eine nachhaltige konzeptionelle Veränderung der Situation des Beitreibungsbereiches, die insbesondere im Rahmen des Projektes „Finanzamt 2003" weiter zu verfolgen sein wird.

Dies vorausgeschickt wird zu den Bemerkungen des LRH wie folgt Stellung genommen: Bessere Ermittlung und Nutzung von Vollstreckungsmöglichkeiten

Die Vollstreckungsstellen sind angewiesen worden, regelmäßig zunächst Ermittlungen durch Abfragen im Speicherkonto der Schuldner anzustellen. Ferner sind sie gehalten, die Steuerakten von Schuldnern auszuwerten und die Ergebnisse hinsichtlich der Vollstreckungsmöglichkeiten in einem besonderen Vordruck zu dokumentieren. Zum Erkennen und zur Nutzung externer Informationsquellen sind den Vollstreckungsstellen in Dienstanweisungen der Fachreferate der OFD umfangreiche Hilfestellungen gegeben worden.

Hierzu werden die so genannte Vollstreckungskartei überarbeitet und im Schreibsystem StarOffice eine Vielzahl von Vordrucken entwickelt und zur Verfügung gestellt, die der Beschleunigung und Vereinheitlichung der Beitreibungspraxis in den Finanzämtern dienen sollen. Darüber hinaus werden die Vollstreckungsstellen in den nächsten Monaten mit Internetzugängen ausgestattet. Dieses Arbeitsmittel wird zur weiteren Steigerung der Effektivität der Vollstreckungsarbeit beitragen.

Vermeidung unberechtigter Aussetzungen der Vollstreckung

Zur Aussetzung der Vollstreckung hat die OFD in Rundverfügungen, Karteianweisungen, Fortbildungsseminaren und anlässlich von Kurz- und Geschäftsprüfungen laufend Hinweise auf eine sachgerechte Rechtsanwendung des § 258 Abgabenordnung (AO) gegeben. Die Verfahrensweise bei Anträgen auf Vollstreckungsaufschub ist nunmehr verbindlich geregelt. Den Finanzämtern wurde zur Entscheidungsfindung ein Prüfkatalog zur Verfügung gestellt.

Sachgerechte Bearbeitung von Vollstreckungsfällen mit Groß- und Betriebsteuerrückständen

Die OFD hat hierzu den Kontrollkatalog der Dienstvorgesetzten um Vorgaben zur Überwachung der entsprechenden Vollstreckungsfälle und zur Dokumentation der Kontrollen erweitert. Ferner wurde in der Vollstreckungskartei festgelegt, dass in Großrückstandsfällen stets die Sachgebietsleiterinnen oder Sachgebietsleiter zu beteiligen sind. Als weitere Kontrollmaßnahme werden den Finanzämtern ab 2001 jeweils am 10.01. und 10.07.

Listen über Großrückstände sowie am 10.04. und 10.10. Listen über Vollstreckungsfälle mit nicht unerheblichen Betriebsteuerrückständen im automatisierten Verfahren zugehen.

Die Dienstvorgesetzten sind angewiesen, die in diesen Ausdrucken enthaltenen Fälle hinsichtlich rückstandsunterbindender Maßnahmen zu prüfen und das Ergebnis zu dokumentieren.

Wirtschaftliche Einziehung von Kraftfahrzeugsteuerrückständen

Die OFD hat die Vollstreckungsstellen der Finanzämter durch Dienstanweisung zur Vollstreckungskartei zur verstärkten Nutzung der Abmeldung von Amts wegen nach § 14

KraftStG angehalten. Danach soll die Zwangsabmeldung sofort nach Eingang einer Rückstandsanzeige betrieben werden, wenn der Vollstreckungsschuldner die Kraftfahrzeugsteuer wiederholt erst nach Beginn der Beitreibung entrichtet hat oder feststeht, dass die Vollstreckung keinen Erfolg verspricht. In den übrigen Fällen soll nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit weiterhin ein Vollstreckungsversuch unternommen werden.

Die beschleunigte Zwangsabmeldung soll durch einen entsprechenden Vordruck maschinell unterstützt werden.

Intensive Fortbildung des Vollstreckungspersonals

Das Fortbildungsangebot ist in den letzten Jahren kontinuierlich erweitert worden. Im Kalenderjahr 2000 sind durchgeführt worden

­ vier Vollstreckungseinführungsseminare mittlerer Dienst;

­ zwei Vollstreckungseinführungsseminare gehobener Dienst;

­ drei Vollstreckungsseminare für Vollziehungsbeamtinnen und Vollziehungsbeamte;

­ drei Vollstreckungsseminare für Sachgebietsleiterinnen und Sachgebietsleiter.

Für 2001 beinhaltet das Fortbildungsprogramm der OFD für das Vollstreckungspersonal die nachfolgend aufgeführten Veranstaltungen

­ zwei Vollstreckungseinführungsseminare mittlerer Dienst;

­ zwei Vollstreckungseinführungsseminare gehobener Dienst;

­ zwei Vollstreckungsseminare für Vollziehungsbeamtinnen und Vollziehungsbeamte;

­ sechs Vollstreckungsseminare für Dienstvorgesetzte, Bearbeiterinnen und Bearbeiter;

­ zwei Workshops zum Thema „Vollstreckung und Internet".

Ferner werden Angestellte im Rahmen der so genannten Förderungsfortbildung im Unterricht intensiv auf eine spätere Verwendung im Vollstreckungsbereich vorbereitet.

Die vorstehend genannten Seminare befassen sich inhaltlich mit einer breiten Palette von Themen. Eingehend wird besprochen

­ wie Vollstreckungsmöglichkeiten zu ermitteln sind und welche Maßnahmen getroffen werden sollten,

­ welche internen und externen Informationsquellen genutzt werden können,

­ wie in das bewegliche und unbewegliche Vermögen zu vollstrecken ist,

­ wie Anträge auf Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO zu bearbeiten sind,

­ wann und wie rückstandsunterbindende Maßnahmen zu treffen sind (Insolvenzverfahren, Gewerbeuntersagung, berufsrechtliche Eingriffe),

­ wann und wie Dritte in Anspruch zu nehmen sind und

­ in welchen Fällen die Erhebung von Abgabeansprüchen vorübergehend zurückzustellen ist (§ 261 AO, Niederschlagung). Wirksame vollstreckungsfachliche Begleitung und Kontrolle durch die Dienstvorgesetzten

Die fachlichen Vorgesetzten der Bearbeiterinnen und Bearbeiter in den Vollstreckungsstellen sind in einem ersten Schritt im November 2000 in einer Fortbildung umfassend geschult worden. In diesem Zusammenhang wurde die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben intensiv erörtert. Die Schulungsmaßnahmen werden 2001 fortgesetzt. Zur Unterstützung und Hilfestellung ist ferner die Dienst- und Fachaufsicht durch die OFD erheblich ausgeweitet worden. Im Rahmen von Kurzprüfungen des Organisations- und Fachbereichs werden die Vollstreckungsstellen dazu angehalten, die vorgegebene Palette von Beitreibungsmöglichkeiten auszuschöpfen sowie zügig und konsequent anzuwenden.

In Prüfvermerken werden Defizite und Mängel allgemeiner Art aufgezeigt sowie konkrete Einzelfälle angesprochen.

Die beschriebenen Maßnahmen haben nach dem vorliegenden statistischen Material unverkennbar eine positive Entwicklung eingeleitet. Diese Annahme wird von der folgenden Übersicht zur Entwicklung der Fallzahlen, der echten Rückstände sowie der vollstreckbaren Beträge seit 1998 unterstützt. Für die Einschätzung der Arbeitslage in den Vollstreckungsstellen der Finanzämter besonders bedeutsam ist die Tatsache, dass die vollstreckbaren Rückstände, d. h. die echten Rückstände reduziert um Beträge vor Fälligkeit sowie Beträge im gesetzlich vorgeschriebenen Mahnverfahren, erstmalig seit vielen Jahren die Milliardengrenze unterschritten haben.

Um die eingeleitete Trendumkehr in einen nachhaltigen, dauerhaften Prozess münden zu lassen, wird es jedoch unabdingbar sein, die Rahmenbedingungen im Erhebungsbereich der Finanzämter umfassend zu überprüfen und insgesamt auf eine neue Grundlage zu stellen. Im Rahmen des Reformprojektes „Finanzamt 2003" ist daher mit den Vorbereitungen eines Modellversuchs zum Aufbau eines einheitlichen Erhebungsbereiches begonnen worden. Die bisherigen Organisationseinheiten Finanzkasse, Vollstreckung sowie Stundungs- und Erlassstelle sollen zusammengefasst und in so genannten Erhebungsbezirken neu gegliedert werden. Der LRH wird hierbei seinen Sachverstand beratend einbringen und den Reformprozess unterstützen.