Störfallrecht

Lediglich in einem Fall (Universität Göttingen) sind die Mengenschwellen einzelner Stoffgruppen überschritten. In einem anderen Fall (Universität Hannover) kann dies nicht völlig ausgeschlossen werden.

Mit einer Zunahme der Zahl der Anwendungsfälle wird in der Zukunft kaum zu rechnen sein, da das Gesetz insoweit eine „Präventionswirkung" entfaltet, d. h. potentiell betroffene Institutionen werden angehalten, mit gefährlichen Stoffen nur in Mengen umzugehen, die unter den Anwendungsschwellen für dieses Gesetz liegen.

Mit dem Gesetz soll der landesrechtliche Umsetzungsbedarf richtlinienkonform und in enger Anlehnung an diejenigen bundesrechtlichen Regelungen der StörfallVerordnung erfolgen, die für die gewerblich oder wirtschaftlich betriebenen Betriebsbereiche gelten. Dies ist erforderlich, da die Richtlinie keinen Unterschied zwischen wirtschaftlich oder nicht wirtschaftlich betriebenen Betriebsbereichen macht und daher eine Gleichbehandlung fordert. Das Gesetz nimmt die Störfall-Verordnung aber nur so weit in Bezug, als diese die Richtlinie 1 : 1 umsetzt. Soweit die StörfallVerordnung durch die Aufnahme einer Anordnungsbefugnis im Einzelfall (§ 1 Abs. 2) sowie die Aufnahme bestimmter zusätzlicher Anlagentypen (§§ 1 Abs. 3 und 4, §§ 17, 18 und Anhang VII) über die Richtlinie hinausgeht, nimmt das Gesetz darauf keinen Bezug. Hierzu besteht auch kein Grund, weil die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Störfall-Verordnung in den genannten Punkten nur erfolgte, um bereits bislang dem Störfallrecht unterliegende Anlagen auch weiterhin dem Anwendungsbereich zu unterstellen. Insoweit sollte das bestehende nationale Niveau nicht abgesenkt, sondern der Status quo erhalten werden.

Soweit die Richtlinie nicht dem Störfallrecht, sondern dem Katastrophenschutzrecht zuzuordnen ist - dies betrifft die externe Notfallplanung nach Artikel 11 der Richtlinie -, ist eine Änderung des Niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes durch das zuständige Innenministerium in Vorbereitung. Eine nach Störfall- und Katastrophenschutzrecht getrennte Umsetzung der Richtlinie ist auch in den anderen Bundesländern überwiegend beabsichtigt oder erfolgt.

Die Europäische Kommission hat unter dem 19. Oktober 2000 wegen der noch ausstehenden Umsetzung der Richtlinie in den Ländern, insbesondere im Hinblick auf Artikel 11 der Richtlinie, Klage gegen Deutschland vor dem EuGH erhoben.

II. Form der dynamischen Fremdverweisung

Eine europarechtskonforme Umsetzung der Richtlinie erfordert, dass sie auf Bundesund Landesebene einheitlich erfolgt. Der Entwurf verweist daher in seinem § 3 auf bestimmte Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und Teile der StörfallVerordnung in der jeweils geltenden Fassung. Die Form der dynamischen Verweisung führt dazu, dass der Landesgesetzgeber bei künftigen Änderungen des BundesImmissionsschutzgesetzes und der Störfall-Verordnung durch die Anpassungsautomatik entlastet wird und sich das Landesrecht elastisch an dortige Änderungen anpasst. Nur so ist ein einheitlicher Verwaltungsvollzug auf Bundes- und Landesebene gewährleistet.

Hinzu kommt, dass Bund und Länder bei der Umsetzung der Richtlinie, die nicht zwischen wirtschaftlichen Unternehmungen und nicht wirtschaftlichen Unternehmungen unterscheidet, an deren Regelungen gebunden sind, sodass der gesetzgeberische Entscheidungsspielraum eng begrenzt ist und inhaltlich abweichende Regelungen des Bundes und der Länder weder zulässig noch wünschenswert wären. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist die dynamische Verweisung auch dann zulässig, wenn keine Identität der Gesetzgeber besteht (BVerfGE 47, 285, 312).

III. Auswirkungen auf die Umwelt und auf frauenpolitische Belange

Dem Schutz der Umwelt wird durch die Umsetzung der Richtlinie in besonderer Weise Rechnung getragen. Die Umsetzung soll sicherstellen, dass in Einrichtungen mit einem gewissen Gefährdungspotential schweren Unfällen vorgebeugt und deren Folgen für Mensch und Umwelt begrenzt werden. Frauenpolitische Belange sind nicht berührt.

IV. Haushaltsmäßige Auswirkungen

In den Anwendungsbereich des Gesetzes können nach derzeitiger Kenntnis potentiell zwei Einrichtungen fallen. Dies vorausgesetzt, werden sich im Gewerbeaufsichtsamt Göttingen die Zahl der zu überwachenden Störfallbetriebe um eins auf 21 und im Gewerbeaufsichtsamt Hannover um eins auf 26 erhöhen.

Im Verwaltungsvollzug müssen die zuständigen Gewerbeaufsichtsämter im Rahmen ihrer Überwachungspflicht insbesondere bestimmte planmäßige und systematische Prüfungen der technischen, organisatorischen und managementspezifischen Sicherheitssysteme durchführen. Hierfür ist ein gewisser zusätzlicher Vollzugsaufwand in den betroffenen Gewerbeaufsichtsämtern zu erwarten, zumal es hier um Einrichtungen geht, die erstmals dem Störfallrecht unterfallen. Außerdem müssen die von den Betreibern zu erstellenden Konzepte zur Verhinderung von Störfällen geprüft werden. Sicherheitsberichte sowie Alarm- und Gefahrenabwehrpläne müssen hingegen nur erstellt und überprüft werden, wenn in dem Betriebsbereich die qualifizierten Mengenschwellen der Richtlinie erreicht sind und keine Änderung der Lagerhaltung erfolgt.

Für den Betreiber ist der Personalaufwand mit etwa dem Doppelten anzusetzen, da das Erstellen der Anzeigen, Konzepte und eventuell - bei erweiterten Pflichten - des Sicherheitsberichts und der Alarm- und Gefahrenabwehrpläne mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden ist.

Zu Einzelheiten der anfallenden Personal- und Sachkosten wird auf die durchgeführte Gesetzesfolgenabschätzung verwiesen.

Nach dem Bericht der kommunalen Spitzenverbände gibt es in Niedersachsen keine kommunal betriebenen Betriebsbereiche, die dem Landesgesetz unterfallen könnten.

Dies ist auch plausibel, da wesentliche, in Betracht kommende kommunale Einrichtungen der Daseinsvorsorge wie Schwimmbäder, Eisstadien oder Schlachthöfe, schon unter den Begriff der wirtschaftlichen Unternehmung fallen und damit bereits von der Bundes-Störfall-Verordnung erfasst werden.

V. Anhörungen:

Zu dem Gesetzentwurf sind die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens, der Verband der Chemischen Industrie e. V., Landesverband Nord, sowie weitere Stellen angehört worden. Eine Betroffenheit wurde von keiner der angehörten Stellen vorgetragen. Bedenken oder Änderungsvorschläge wurden gleichfalls nicht unterbreitet.

B. Besonderer Teil

Zu § 1: Gegenstand und Zweck dieses Gesetzes sind aus Artikel 1 der Richtlinie 96/82/EG übernommen. Außerdem wird der Anwendungsbereich des Gesetzes umschrieben.

Das Gesetz dient dem Gefahrenschutz und erfasst nur Einrichtungen in Betriebsbereichen, die nicht gewerblich und nicht wirtschaftlich genutzt werden. Der Gefahrenschutz des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nach § 5 Abs. 1 Satz 1 gilt hingegen nur für Anlagen/ Betriebsbereiche, die gewerblich oder wirtschaftlich genutzt werden (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 1 a Satz 1, § 22 Abs. 1 Satz 3, § 23 Satz 1, § 25 Abs. 1 a Satz 1 BImSchG). Die Definition des Betriebsbereichs entspricht § 3 Abs. 5 a BImSchG. Um eine einheitliche Begriffsbildung zu gewährleisten, wird insoweit Bezug genommen.

Zu § 2:

Mit dieser Vorschrift werden die einschlägigen bundesrechtlichen Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der geänderten Störfall-Verordnung durch Verweis für entsprechend anwendbar erklärt. Mit dem Verweis wird ein einheitlicher Vollzug von Bundes- und Landesrecht bei der Umsetzung der Richtlinie sichergestellt.

Mit den Regelungen des § 20 Abs. 1 a sowie der §§ 24 und 25 BImSchG werden die einschlägigen immissionsschutzrechtlichen Eingriffs- und Überwachungsvorschriften für entsprechend anwendbar erklärt. Damit wird sichergestellt, dass die zuständige Behörde auch bei nicht gewerblich und nicht wirtschaftlich genutzten Anlagen, die Betriebsbereich oder Teil eines Betriebsbereichs sind, unter den gegebenen Voraussetzungen eine entsprechende Anordnungsbefugnis hat. Die Bezugnahme auf § 52 BImSchG sichert die behördlichen Überwachungsbefugnisse, zur Durchführung der Überwachungsaufgabe Informationen auch unter Eingriff in Rechte des Überwachungspflichtigen einholen zu können.

Durch den Verweis auf § 1 Abs. 1 der Störfall-Verordnung (Betriebsbereiche, die die in Spalte 4 oder 5 des Anhangs I genannten Mengenschwellen erreichen oder überschreiten) wird der Anwendungsbereich des Gesetzes definiert. Der Verweis auf § 1 Abs. 5 stellt klar, dass militärische Einrichtungen, der Bergbau und Abfalldeponien nicht erfasst werden. (vgl. Artikel 4 d der Richtlinie). Auch die Begriffsbestimmungen des § 2 der Störfall-Verordnung sollen synonym gelten.

Der Verweis auf den Zweiten Teil der Störfall-Verordnung (§§ 3 bis 16) macht deutlich, dass der Pflichtenkatalog für Betreiber und Behörden im Sinne der Richtlinie einheitlich auch für nicht wirtschaftliche Betriebe gelten soll. Die Inbezugnahme der §§ 19 und 20 stellt schließlich klar, dass zur Sicherung eines einheitlichen Vollzugs auch die Regelungen über das Meldeverfahren sowie zu den Übergangsvorschriften entsprechend gelten sollen. Da die Übergangsvorschriften der Störfall-Verordnung in § 20 Abs. 1, 2 und 5 an das In-Kraft-Treten dieser Verordnung geknüpft sind, sind diese nicht mehr einzuhalten. Daher werden sie für den landesrechtlich zu regelnden Bereich durch Satz 2 an das In-Kraft-Treten dieses Gesetzes geknüpft. Die in § 20 Abs. 3 und 4 der Störfall-Verordnung genannten Übergangsfristen ergeben sich unmittelbar aus der Richtlinie und sind daher zwingend.

Zu § 3: Zuständige Behörden für den Vollzug des Gesetzes sollen die Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter sein. Diese verfügen über die erforderliche Sachkompetenz, da sie auch die Störfallbetriebe, die der Bundesverordnung unterfallen, zu überwachen haben. Zuständiges Fachministerium ist das für Immissionsschutz und Störfallfragen zuständige Umweltministerium.

Zu § 4:

Die Richtlinie ist am 3. Februar 1997 in Kraft getreten. Die zweijährige Umsetzungsfrist gemäß Artikel 24 Abs. 1 der Richtlinie endete am 3. Februar 1999. Die Richtlinie ist unverzüglich nach diesem Zeitpunkt in innerstaatliches Recht umzusetzen.