Zertifizierung

Pflichtenreduzierung nach Entscheidung der Waldbesitzenden in der bisherigen niedersächsischen Regelung als verfassungsrechtlich bedenklich an.

Demgemäß ist entgegen der Auffassung der HLFV und des WBV WE von der zusätzlich freistellenden, sonst Bürgerinnen und Bürgern gegenüber ungebräuchlichen Sollpflichtenregelung abzusehen und insoweit eine bindende Verpflichtung zur Erfüllung allerdings hinreichend bestimmter Pflichten vorzusehen. Auch nur insoweit kommt eine verwaltungsrechtliche Durchsetzbarkeit in Betracht.

Einschränkungen aus anderen Gesetzen sind daneben zu beachten, z. B. aus dem Niedersächsischen Naturschutzgesetz (und z. B. Naturschutzgebietsregelungen), dem Nachbarrechtsgesetz (§§ 58 ff.) und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, dem Wasserrecht, dem Straßenrecht, dem Straßenverkehrsgesetz mit der Straßenverkehrsordnung, dem Jagdrecht, dem Flurbereinigungs- und dem Grundstücksverkehrsgesetz, dem Düngemittelgesetz, dem Pflanzenschutzgesetz hinsichtlich der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (in Verbindung mit § 37 Abs. 3 NNatSchG).

Zu Absatz 2: Vorab in Absatz 2 sollen die nicht abschließenden Kennzeichen der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft aus Nummer 3 der Ergebnisse der genannten Agrarministerkonferenz vom 20. Februar 1989 übernommen werden, wie es der BUND vorschlägt, im Ergebnis teilweise auch der NABU, der jedoch im Übrigen die Eigentumsbindungen für die privaten Waldbesitzenden und die öffentlich-rechtlichen Körperschaften mit Selbstverwaltungsgarantie entsprechend dem nur für die Landesforstverwaltung geltenden LÖWE-Programm erweitern will. Dem soll nicht gefolgt werden, da die Bindungen zu weit gehen und durch öffentlich-rechtliche Fördermaßnahmen freiwillig entsprechende Ergebnisse erreicht werden können.

Mit der Übernahme der Nummer 2 ist zugleich dem Vorschlag der LJN, des NABU und des ODF gefolgt, wie zu § 1 Nr. 1 auch hier die mit dem Ökosystem stets verbundene Lebensraumfunktion (des Waldes) für wild lebende Tiere und wild wachsende Pflanzen aufzunehmen. Die Kahlschlagsvermeidung der Nummer 3 ist wegen der Spezialregelung des § 12 weggelassen. Die „Aufforstungen" in Nummer 3 umfassen auch Ergänzungen von Verlichtungen. Die Nummern 6 und 8 sind zu Nummer 5 zusammengefasst, die Nummer 6 ist auf die Erforderlichkeit beschränkt.

Zu Absatz 3:

Zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Forstwirtschaft gehört schon dem Wortlaut nach nicht die Befugnis, die Nutzung spezifischer Waldflächen aufzugeben und sie der eigendynamischen Entwicklung zu überlassen. Ein solches Unterlassen der Bewirtschaftung und Nutzung ist aber von dem weit gefassten Gesetzeszweck des § 1 BWaldG/§ 1 des Gesetzentwurfs nicht ausgeschlossen. Der waldbesitzenden Person ist die eigenverantwortliche Entscheidung überlassen, ob sie sich für mehr Naturnähe (etwa wie nach dem LÖWE-Programm oder weitergehend) oder aber für ein besonderes forstwirtschaftliches Bemühen um die Qualität und Quantität des zunehmend wichtigen nachwachsenden Rohstoffs Holz entscheiden will.

Die Freigabe einer natürlichen Entwicklung kann aber nicht schrankenlos geschehen. Zum einen muss - auch zur Erfüllung statistischer Pflichten u. a. nach Europa-Recht - ein Überblick über die aus der Bewirtschaftung genommenen Flächen möglich bleiben. Dazu ist keine Genehmigungspflicht erforderlich, aber doch eine Anzeigepflicht. Im Rahmen der Anzeigepflicht bleiben die auch bundesrechtlich gegebenen Pflichten der waldbesitzenden Person erhalten, nämlich zu prüfen, ob Kahlschläge in angemessener Frist wieder aufzuforsten sind und für neuen Waldbewuchs bei Verlichtungen primär durch Sukzession zu sorgen ist. Zum anderen muss als Pflicht der Schutz der Waldnachbarn vor dem Befall der Bäume durch Schadorganismen (z. B. Borkenkäfer, Kiefernspanner, Baumpilzarten) ausdrücklich geregelt werden (vgl. § 13 Abs. 3). Anzeigepflichtig sollen auch die Referenzflächen im Rahmen von Zertifizierungsverfahren bleiben. Anderenfalls wäre der genannte notwendige statistische Überblick nicht realisierbar. Der Eigendynamik überlassene Flächen der Landesforstverwaltung werden ohnehin beschrieben und bekannt gegeben, z. B. im Umweltbericht der Landesregierung.

Indem nicht mehr eine Genehmigungspflicht mit engeren Grenzen im Gesetzentwurf enthalten ist, wird dem Anliegen der AG KomSpV, des BUND, des HLFV/WBV WE, der LJN, des NABU, des NHeimB und des VNP Rechnung getragen. Die nicht so weitgehenden inhaltlichen Forderungen der ANJN, der IG BAU, der SDW, des NVN und der BSH sind damit auch abgedeckt.

Von den Kennzeichen des § 11 Abs. 2 in Verbindung mit Absatz 1 gelten nach Absatz 3 nur wenige und zudem auch ohne verwaltungsbehördliche Sanktionen (§ 14; siehe auch zu Absatz 2). Sobald bei solchen Waldflächen Holz zur wirtschaftlichen Verwertung entnommen wird, leben wieder die vollen Pflichten einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft auf (Satz 2). So genannte aussetzende Betriebe fallen von vornherein nicht unter den Fall, dass die Flächen der eigendynamischen Entwicklung überlassen werden.

Zu § 12:

Zu Absatz 1:

In anderen deutschen Ländern besteht eine Genehmigungspflicht für Kahlschläge unterschiedlicher Mindestfläche. In Satz 1 ist geringer regulierend, aber nicht minder wirksam, eine Anzeigepflicht für Kahlschläge von mehr als zusammenhängend zwei Hektar mit einer Holzverringerung auf weniger als 25 vom Hundert vorgesehen, soweit nicht Ausnahmen des Satzes 2 vorliegen (wegen der Prüfungsfrist vor einem Eingriffsbeginn liegt die Form einer Anmeldepflicht vor). Dem Verlangen der AG KomSpV, des BUND, der IG BAU, des NABU, des NVN und der BSH, die Grenze auf einen Hektar abzusenken, kann im Einklang mit der ANJN und entgegen den Verbänden, die dem bisherigen Vorschlag einer Drei-Hektar-Grenze nicht entgegengetreten sind, insbesondere aus dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Eigentumsnutzung nicht gefolgt werden. Dass bei erkennbarem Zusammenhang zeitlich versetzte Abtriebe mit in die Ermittlung einzubeziehen sind, ob die Zwei-Hektar-Grenze überschritten wird, ergibt eine am Gesetzeszweck orientierte Auslegung und braucht entgegen dem Vorschlag des BUND nicht ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen zu werden. Auch ist nicht dem Vorschlag des BUND zu folgen, dass ein Kahlschlag schon bei weniger als 40 vom Hundert des Bestandes anzunehmen ist. Besonderheiten bei Waldverjüngungsmaßnahmen, Baumarten mit breiter Schirmstellung (hoher Kiefernanteil) und die hoheitliche Praxis (z. B. bei der Sicherung bewaldeter Wasserschutzgebiete) rechtfertigen in Niedersachsen den vergleichsweise niedrigen Wert.

Die Voraussetzungen für Ausnahmen von der Anzeigepflicht in Satz 2 sind erforderlich und können entgegen der Auffassung der ANJN nicht gestrichen werden. Zu der Einleitung, Förderung und Übernahme von Naturverjüngung in Nummer 1 gehören die Lichtung und Räumung des Schirmbestandes über einer gesicherten Verjüngung. Entgegen der Auffassung der IG BAU ist insbesondere die Nummer 3 als Ausnahme gerechtfertigt. In den genannten Fällen geschädigter Bestände könnte ohnehin nicht untersagend eingeschritten werden.

Die weitere Ausnahmeregelung in Satz 3 hinsichtlich Maßnahmen der Landesforstverwaltung entspricht der bei der Waldumwandlung und Erstaufforstung. Ein Verbot für die Abholzung oder Verlichtung nicht hiebreifer Bestände (BUND) geht in seiner Absolutheit angesichts der auch zu sichernden Nutzfunktion zu weit. Aufgrund Wirtschaftlichkeitserwägungen der Waldbesitzenden sind solche Abtriebsmaßnahmen ohnehin wenig praktisch.

Zu Absatz 2: Absatz 2 regelt die üblichen vereinfachenden Rechtsfolgen bei Anzeigen. Entgegen den Bedenken des ZJEN kann die maximale Prüfungsfrist von zwei Monaten nicht zulasten der Waldbehörden für alle Fälle weiter verkürzt werden. In dringenden Fällen wird sich eine Waldbehörde, falls möglich, nicht einer früheren Erledigung entziehen. Entgegen dem Vorschlag der ANJN ist verwaltungsvereinfachend nach Ablauf der Frist keine Mitteilung an die anzeigende waldbesitzende Person erforderlich. Bei dem allgemein immer häufiger anstelle eines Genehmigungsverfahrens vorgesehenen Anzeigeverfahren ist entgegen der Auffassung des HLFV und des WBV WE eine fiktive Genehmigung nach Fristablauf entbehrlich.

Zu Absatz 3:

Nach Nummer 1 müssen schon über normale Kahlschlagswirkungen hinausgehende Beeinträchtigungen der Schutz- und Erholungsfunktion zu erwarten sein. Die Lebensraumfunktion ist schon in der Schutzfunktion enthalten (zu NABU; vgl. zu § 1).

Auch zu Nummer 2 ist auf Vorschlag des HLFV, des WBV WE und des ZJEN (wie in den Nummern 1 und 3 und z. B. auch in der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung) „erheblich" eingefügt.

Im Sinne der Nummer 3 ist der Wasserhaushalt sowohl der betroffenen Fläche als auch des benachbarten Gebiets gemeint, zumal eine Trennung oft nicht möglich ist.

Zu der Sonderregelung für einen Kahlschlag oder sonstige Maßnahmen zur teilweisen Umgestaltung von Wald mit vollem Naturhaushalt in nur an den Wald angrenzende Weihnachtsbaumkulturen oder als Wald geltende Parkanlagen wird auf die Ausführungen zu § 14 verwiesen. Der von der AG KomSpV vorgeschlagene weitere Versagungsgrund: „aus Arten- und Biotopschutzgründen" ist zu allgemein und im Übrigen durch Naturschutzrecht, insbesondere die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung abgedeckt (§ 9 NNatSchG). Die Verhinderung von Vernetzungs-Unterbrechungen ist im Rahmen des Naturschutzrechts, insbesondere den §§ 19 a ff. BNatSchG (weitergehend das LÖWEProgramm für den Landeswald) ausreichend sichergestellt.

Zu Absatz 4:

Wie bisher ist die Wiederaufforstungspflicht nach Kahlschlag in Absatz 4 Satz 1 Nr. 1 zwingend gemäß bundesgesetzlicher Vorgabe geregelt und auch auf Flächen zu beziehen, die durch Naturereignisse (z. B. Brand, Windwurf) kahl geworden sind.

Einbezogen ist in Nummer 2 die Wahlmöglichkeit einer natürlichen Waldneubildung. Die Zulassung einer günstig prognostizierten begrenzten natürlichen Verjüngung nach Kahlschlägen ist mit dem Zweck des Bundeswaldgesetzes und der rahmengesetzlichen Regelung vereinbar. Soweit die Prognose nicht zutrifft, ist wieder aufzuforsten.

Hinsichtlich der einem Kahlschlag gleichkommenden Schäden (weniger als 25 vom Hundert Holzvorrat des Bestandes der betreffenden Fläche) ist von der Bundesregelung auszugehen.

Die „angemessene" Frist für die Wiederaufforstungspflicht durch eine Höchstgrenze sollte nach Auffassung der AG KomSpV konkretisiert werden, die IG BAU schlägt dafür eine Drei-Jahres-Frist vor, der NABU eine - mit dem Walderhaltungsgedanken kaum vereinbare - Zehn-Jahres-Frist. Die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Lösung einer dreijährigen Erfolgsprognose für eine natürliche Waldneubildung - mit Wiederaufforstungspflicht bei einer Fehleinschätzung - wird dem Bundesrecht noch gerecht und ist auch sachgerecht.

Zu Absatz 5:

Als verlichtete Waldbestände außerhalb einer eigendynamischen Entwicklung können nach zweckgerechter Auslegung im Allgemeinen nur übermäßig verlichtete Bestände in Betracht kommen. Die Festlegung eines festen Grenzwertes - Verlichtung bis auf 30 vom Hundert (IG BAU) oder bis auf 40 vom Hundert (BUND) - erscheint wegen der Vielfalt der Waldgestaltungen nicht sachgerecht.