Gefangenenentlohnung und ihre haushaltsrechtlichen Folgen

Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 01.07.1998 wurde die Neuregelung der Entlohnung der Gefangenen durch die Änderung des Strafvollzugsgesetzes zum 01.01.2001 vom Bundestag ermöglicht.

Diese Gesetzesänderung die darin besteht, dass Strafgefangene ab 01.01.2001 statt 5 % künftig 9 % - einer Bezugsgröße - als Arbeitsentgelt erhalten, hat Auswirkungen, die weit über die eigentliche Höhe der Gefangenenentlohnung hinausgehende haushaltsrechtliche Bedeutung haben.

Die Arbeitsbetriebe der Justizvollzugsanstalten sind Landesbetriebe nach § 26 LHO. Als solche sind sie erwerbswirtschaftlich ausgerichtet. Schon bisher konnten einige dieser Betriebe nicht kostendeckend arbeiten.

Viele Gefangene erhalten nunmehr Arbeitsentgelte, die in aller Regel in der Summe aller Zuwendungen deutlich über 630 DM liegen - in der Spitze bis zu 1 000 DM -. Sie sind damit im Sinne des 630 DM-Gesetzes keine Geringverdiener mehr.

Würden zu den o. g. Einkünften der Gefangenen Sachbezüge für Unterkunft, Verpflegung, Heizung, ärztliche Versorgung, Arbeitslosenversicherung etc. hinzugerechnet wie bei freien Arbeitnehmern auch, erhielten die Gefangenen sogar Einkünfte von bis zu 2 000 DM.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie stellt sich die finanzielle Situation in den Arbeitsbetrieben der Justizvollzugsanstalten nach der Neuregelung der Gefangenenentlohnung um fast das Doppelte der Arbeitsentgelte dar?

2. Jeder Arbeitnehmer ist im Rahmen des 630 DM-Gesetzes sozialabgabepflichtig

- teilweise auch steuerpflichtig -; gilt diese Regelung auch für Gefangene?

a) Wenn ja, warum?

b) Wenn nein, warum nicht?

3. Werden zu den o. g. Einkünften der Gefangenen die Beträge für Unterkunft, Verpflegung, Bekleidung, Hygiene, Wasser, Strom, freie Heilfürsorge usw. im Sinne des Einkommensteuerrechts als geleistete Sachaufwendungen wie bei freien Arbeitnehmern berücksichtigt? Wenn nein, warum nicht?

4. Ist der Gefangene - wie jeder freie Arbeitnehmer - bei entsprechenden Einkünften lohn- und einkommensteuerpflichtig?

5. Wie erfolgt Meldung an das Finanzamt und die Versicherungsanstalt?

6. Ist beabsichtigt, die Gefangenen zu Haftkosten heranzuziehen?

7. Mit welchen zusätzlichen finanziellen Belastungen durch die Neuregelung der Gefangenenentlohnung hat das Land zu rechnen?

Durch das Anordnung Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vom 27.12.2000 wurde zum 01.01.2001 das Arbeitsentgelt der Gefangenen neu geregelt.

Der Bemessung des Arbeitsentgelts sind gem. § 200 StVollzG künftig 9 v. H. der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV zugrunde zu legen (Eckvergütung), hiervon abweichend bei erwachsenen Untersuchungsgefangenen gem. § 177 S. 2 StVollzG weiterhin 5 v. H.

Die Neuregelung sieht zudem erstmals eine zusätzliche nicht-monetäre Anerkennung geleisteter Pflichtarbeit der Gefangenen durch Gewährung eines Freistellungstages für zwei Monate ununterbrochener Arbeit vor (§ 43 Abs. 6 StVollzG). Der besondere Anreiz dieser von der Freistellung von der Arbeitspflicht nach § 42 StVollzG unabhängigen Regelung liegt darin, dass die zusätzlichen Freistellungstage für eine Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes angespart werden können (§ 43 Abs. 9 StVollzG).

Auch die alternative Möglichkeit für Gefangene, die urlaubsgeeignet sind, neben dem Urlaub gem. § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 3 und 4, § 35 Abs. 1 und 2 und § 36 StVollzG zusätzlichen Arbeitsurlaub von bis zu 6 Tagen im Jahr gem. § 43 Abs. 7 StVollzG in Anspruch nehmen zu können, wird einen Anreiz zu kontinuierlicher Arbeitsleistung darstellen.

Die nicht-monetäre Komponente der Anerkennung von Arbeit gem. § 43 Abs. 6 bis 11 StVollzG gilt nicht für erwachsene Untersuchungsgefangene (§ 177 Satz 3 StVollzG).

Die Regelungen des § 43 Abs. 6 bis 11 StVollzG sind ebenfalls nicht anwendbar auf Gefangene im Vollzug einer gerichtlich angeordneten Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft (§ 171 StVollzG) und Abschiebungsgefangene (§ 8 Abs. 2 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen i. V. m. § 171 StVollzG), da Eigenart und Zweck der Haft der Anwendung der genannten Regelungen entgegen stehen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1:

In den vergangenen Jahren wurden im Landesdurchschnitt 40 % der abgerechneten Arbeitslöhne für die Zahlung von Arbeitsentgelt aufgewendet. Durch die Erhöhung des Arbeitsentgelts bei gleichzeitiger Einschränkung der Gewährung von Leistungszulagen und einer strengeren Zeitvorgabe der im Leistungslohn abgerechneten Arbeitsplätze wird der Entgeltanteil auf ca. 60 % ansteigen.

Für das Rechnungsjahr 2000 hätte dies bedeutet, dass anstelle von 13 Mio. DM lediglich 9 Mio. DM an Überschussanteilen an den Landeshaushalt hätten abgeführt werden können.

Die wirtschaftliche Eigenständigkeit der Arbeitsbetriebe bzw. die des nach § 26 eingerichteten Landesbetriebs ist durch die Erhöhung des Gefangenenentgelts nicht gefährdet.

Zu 2: Nach § 3 Nr. 39 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist das Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (sog. 630-DM-Arbeitsverhältnis), für das der Arbeitgeber Beträge nach § 168 Abs. 1 Nr. 1 b (geringfügig versicherungspflichtig Beschäftigte) oder nach § 172 Abs. 3 (versicherungsfrei geringfügig Beschäftigte) des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch zu entrichten hat, steuerfrei, wenn die Summe der anderen Einkünfte des Arbeitnehmers nicht positiv ist.

Diese Regelung gilt nicht für Gefangene, weil nach Auffassung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder die Tätigkeit der Gefangenen nicht als lohnsteuerpflichtiges Arbeitsverhältnis anzusehen ist und die Gefangenen mit dem für die zugewiesenen Tätigkeiten gezahlten Entgelt daher ohnehin nicht steuerpflichtig sind.

Zu 3: Nein.

Da das gezahlte Entgelt nicht als Arbeitslohn anzusehen ist, erübrigt sich eine Hinzurechnung von Sachbezügen.

Zu 4: Das Arbeitsentgelt aus der dem Gefangenen zugewiesenen Tätigkeit ist nicht steuerpflichtig, weil es unter keine der sieben Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes fällt. Erzielt der Gefangene andere Einkünfte, z. B. Kapitaleinkünfte, sind diese Einkünfte

- wie bei anderen Steuerbürgern auch - zu versteuern.

Zu 5: Da das Entgelt aus der Tätigkeit des Gefangenen nicht steuerpflichtig ist, erübrigt sich eine Meldung an das jeweilige Finanzamt.

Für die nach § 43 StVollzG beschäftigten Gefangenen werden Beiträge zur Arbeitslosenversicherung an die Bundesanstalt für Arbeit entrichtet.

Die Einbeziehung der Gefangenen in die Sozialversicherung (§§ 191 bis 193 StVollzG) ist gemäß § 198 Abs. 3 StVollzG von einem besonderen Bundesgesetz abhängig, das bisher nicht ergangen ist. Demnach sind Rentenversicherungsbeiträge nicht abzuführen.

Zu 6: Nein.

Gemäß § 50 StVollzG werden von Gefangenen, die Bezüge nach dem StVollzG beziehen, keine Haftkosten erhoben. Dies gilt auch nach Erhöhung des Gefangenenentgelts.

Die Erhebung eines Haftkostenbeitrags von selbstbeschäftigten Gefangenen oder einem im freien Beschäftigungsverhältnis stehenden Gefangenen (§ 39 Abs. 1 StVollzG) bleibt von der gesetzlichen Neuregelung des Arbeitsentgelts unberührt.

Zu 7: Durch die Neuregelung der Gefangenenentlohnung ist mit einer zusätzlichen Haushaltsbelastung in Höhe von ca. 2,1 Mio. EUR zu rechnen. Davon entfallen ca. 1,5 Mio. EUR auf eine Verringerung der Einnahmen durch Reduzierung der Ablieferungen der Arbeitsbetriebe und ca. 0,6 Mio. EUR auf eine Erhöhung der Ausgaben für Ausbildungsbeihilfe.