Selbstverständlich kann es zum Unterricht gehören an politischen Demonstrationen teilzunehmen

Demonstration während der Schulzeit am 18. April 2001.

Am 18. April 2001, 11 Uhr, wurde in Salzgitter eine Demonstration gegen rechte Gewalt durchgeführt. Zu diesem Zweck wurden die Schülerinnen und Schüler der allgemein bildenden Schulen Salzgitters über ihre Schulleitungen zum Demonstrieren entsandt.

Selbstverständlich kann es zum Unterricht gehören, an politischen Demonstrationen teilzunehmen. Allerdings sieht das Schulgesetz eine Vor- bzw. Nachbereitung im Unterricht vor. Vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten bei der Unterrichtsversorgung stellt sich auch die Frage, inwiefern dem Schulgesetz Genüge getan werden kann.

Daher frage ich die Landesregierung:

1. Hat es an den allgemein bildenden Schulen Salzgitters eine Vorbereitung Nachbereitung dieser politischen Demonstration gegeben? Wenn ja, bitte ich um Beantwortung, nach welchen Inhalten, mit wie viel Stunden, an welchen Schulen getrennt nach Klassen dies geschehen ist.

2. Trifft es zu, dass am Kranich-Gymnasium ein Klassenlehrer im Nachhinein von den Eltern Entschuldigungen für die Teilnahme ihrer Kinder an der Demonstration verlangt hat? Wenn ja, bitte ich um Begründung, warum hier schulfrei nicht auf Grundlage des Schulgesetzes gegeben werden konnte.

3. Wie viel Unterricht in anderen Fächern ist getrennt nach Schulen und Klassen ausgefallen, und wie wird dieser Ausfall in den nächsten Wochen aufgeholt? Antwort bitte auch getrennt nach Schulen und Klassenverbänden.

Die Kleine Anfrage bezieht sich auf eine Veranstaltung, die am 19. April 2001 um 11. Uhr im Stadtteil Salzgitter-Lebenstedt als Aktion gegen „rechte Gewalt" von einem „Runden Tisch zur Ächtung des Rassismus und Antisemitismus, der Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz, Salzgitter - 2000" initiiert wurde. Das Bündnis wird nach Kenntnis der Bezirksregierung Braunschweig federführend vertreten von der örtlichen Verwaltungsstelle der IG Metall und gestützt von Vereinen und Institutionen. Das Bündnis hatte am 15. März 2001 alle Schulen der Stadt Salzgitter mit einem Schreiben von dem Vorhaben und damit über die Programmbestandteile informiert und zu einem Vorgespräch am 29. März 2001 eingeladen.

Ob eine Veranstaltung Dritter durch Genehmigung der Teilnahme von Schülerinnen und Schülern als schulische Veranstaltung anzusehen ist, entscheiden die jeweiligen Schulen vor Ort selbst. Die beteiligten Schulen legen besonderen Wert auf die Feststellung, dass Schülerinnen und Schüler nicht „zum Demonstrieren entsandt" wurden. Stattdessen haben die betreffenden Personen freiwillig an der Veranstaltung teilgenommen. Weiterhin trifft das Niedersächsische Schulgesetz keine Regelungen über die individuelle Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an „Demonstrationen". Somit sehen schulrechtliche Vorschriften auch keine Vor- und Nachbereitung im Unterricht vor.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu 1 und 3:

Aufgrund der unterschiedlichen Verfahrensweise in den einzelnen Schulen ist eine schulbzw. schulformspezifische Beantwortung sinnvoll.

Gymnasium Salzgitter-Bad:

Die Schulleiterin des Gymnasiums in Salzgitter-Bad betont, dass diese Veranstaltung nicht zu einer Schulveranstaltung erklärt wurde und darum keine unterrichtliche Voroder Nachbereitung per Schulleitungs- bzw. Konferenzbeschluss stattgefunden hat.

Selbstverständlich sei davon auszugehen, dass z. T. die Fachlehrerinnen und Fachlehrer auf Initiative ihrer Lerngruppen die Thematik der Veranstaltung im Unterricht erörtert und diskutiert haben.

Der Unterricht ist nicht ausgefallen, sondern wurde voll erteilt. Die an der Veranstaltung teilnehmenden Schülerinnen und Schüler waren nach der zweiten Stunde befreit.

Insgesamt haben ca. 300 Schülerinnen und Schüler an der Veranstaltung teilgenommen.

Gymnasium am Fredenberg:

Die Schulleiterin des Gymnasiums am Fredenberg hebt ebenfalls hervor, dass es sich bei der Veranstaltung nicht um eine Schulveranstaltung handelte und hinsichtlich Vor- und Nachbereitung genauso verfahren worden ist wie im Gymnasium Salzgitter-Bad.

Auf Antrag der Erziehungsberechtigten wurden nicht volljährige Schülerinnen und Schüler vom Unterricht befreit. Seitens der Lehrkräfte wurde der Unterricht durchgängig angeboten. Der Unterricht, der durch Abwesenheit ganzer Klassen ausgefallen ist, wird im Rahmen von Vertretungsunterricht nachgeholt.

Insgesamt haben ca. 200 Schülerinnen und Schüler an der Veranstaltung teilgenommen.

Kranich-Gymnasium:

Nach Auskunft des Schulleiters haben auf Antrag geschlossene Lerngruppen in Begleitung der entsprechenden Lehrkräfte an der Veranstaltung teilgenommen, und zwar sieben Klassen der Sekundarstufe I, eine Klasse des ersten Jahrgangs und ein Leistungskurs.

In den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern war das Thema der Veranstaltung Unterrichtsgegenstand.

Bis zur vierten Stunde wurde regulärer Unterricht für alle Klassen und Kurse erteilt, danach nahmen die o. g. Lerngruppen an der Veranstaltung teil.

Für die übrigen Schulformen traf Folgendes zu: Grundschulen der Stadt Salzgitter haben nicht an der Veranstaltung teilgenommen.

Unterrichtsklassen von zwei der drei Hauptschulen in Salzgitter-Lebenstedt, der Hauptschule Salzgitter-Thiede und der beiden Realschulen in Salzgitter-Lebenstedt sowie eine

6. Jahrgangsklasse einer Lebenstedter Orientierungsstufe (OS Krähenriede) haben an der Veranstaltung teilgenommen.

Die Schulformen Orientierungsstufe, Realschule und Hauptschule bearbeiten im Rahmen ihrer im Jahresarbeitsplan festgeschriebenen Unterrichtsarbeit der Fächer Welt- und

Umweltkunde (OS) und geschichtlich-soziale Weltkunde (HS, RS) die in den fachspezifischen Rahmenrichtlinien verbindlich vorgeschriebenen Themenfelder. Diese sind z. B. für die Schulform Realschule die für den 7. und 8. Schuljahrgang vorgesehenen Themenfelder vier „Migration" und fünf „Extremismus - auf der Suche nach Identität?". Für den

10. Schuljahrgang ist die Bearbeitung des Themenfeldes 13 „Nationalsozialismus" mit den Schlüsselproblemen „Herrschaft und politische Ordnung" sowie „Frieden und Gewalt" vorgesehen. Darüber hinaus ergänzen gerade die Sekundarstufenschulen der Stadt Salzgitter ihre Schulprogramme um Anti-Gewaltprojekte wie z. B. „Schritte gegen Tritte", „Lions Quest", „Stark ohne Gewalt". Daher wurde die Teilnahme an einem Veranstaltungsangebot wie dem oben beschriebenen nicht aufwendig vorbereitet. Es handelt sich um eine Konkretisierung der im Unterricht behandelten Themenfelder. Dies ist besonders im Sinne eines handlungsorientierten Kontextes rahmenrichtlinienkonform und entspricht dem Bildungsauftrag der Schulen nach § 2 NSchG. Unterrichtszeit wurde demnach nicht zur speziellen inhaltlichen Vorbereitung für die Teilnahme an dieser Veranstaltung verwendet. Die für einen Unterrichtsgang und die damit verbundene schulische Arbeit außerhalb des Schulhauses gegebenen, der Erziehung zuzurechnenden Hinweise haben die begleitenden Lehrkräfte im üblichen Umfang vor Beginn des Unterrichtsganges gegeben.

Die kritische Nachbereitung nach Teilnahme an einer Veranstaltung erfolgt im Rahmen des geschichtlich-soziale Weltkunde-Unterrichts und erfordert daher keine zusätzliche Unterrichtszeit.

Fachbezogene Unterrichtsausfälle hat es am Tage selbst zwischen der 4. und 6. Unterrichtsstunde in einigen beteiligten Klassen gegeben. Dies bedeutet nicht den Wegfall von den Klassen zustehender Unterrichtszeit, da die Teilnahme an der Veranstaltung die planmäßige Unterrichtszeit überdauerte. Im Rahmen von projektartiger Unterrichtsarbeit (z. B. Museumsbesichtigung, Betriebsbesichtigung, Besuch von Ausstellungen, Teilnahme an Veranstaltungen an außerschulischen Standorten etc.) oder Projektarbeit kommt es immer wieder zu Verschiebungen von Fachunterricht. Dies gefährdet nicht das Erreichen der durch Rahmenrichtlinien beschriebenen Lernziele im Fächerkanon der einzelnen Jahrgangsstufen.

Einige Lehrkräfte haben unentgeltliche Mehrarbeit geleistet, um die ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler begleiten zu können und die organisatorischen Veränderungen im Stundenplan der Schulen so gering wie möglich zu halten.

Zu 2: Für die Teilnahme an der Veranstaltung erfolgte eine Befreiung vom Unterricht nur auf Antrag der Schülerinnen und Schüler. Da einige Schülerinnen und Schüler in diesem Sinn ohne Genehmigung das Schulgelände verlassen haben, wurden diese in der Regel vom Fach- bzw. Klassenlehrer auf ihr unentschuldigtes Fehlen angesprochen. Es handelt sich hierbei um eine pädagogisch sinnvolle Maßnahme mit Blick auf die in § 62 NSchG geregelte Aufsichtspflicht der Schule gegenüber nicht volljährigen Schülerinnen und Schülern. Zudem ist es Aufgabe der Schule, die Einhaltung der Schulpflicht zu überwachen.