Devisentermingeschäfte der Kreissparkasse (KSK) Nordhorn

Durch entsprechende Anlageberatung ihres Kreditinstitutes motiviert, haben mehrere Dutzend Kunden der KSK Nordhorn ruinöse finanzielle Verluste erlitten. Schätzungen der Aktionärsvereinigung DSW zufolge könnte der durch hochspekulative Devisentermingeschäfte erlittene Schaden 100 Mio. DM übersteigen.

In der Antwort auf meine parlamentarische Anfrage im März-Plenum des Landtages differenziert Finanzminister Aller (SPD) zwischen „Kunden der Kreissparkasse", die Verluste erlitten haben, und „einige(n) dieser Sparkassenkunden", die der Sparkasse vorwerfen, dass ihre Verluste das Ergebnis einer falschen Beratung sei. Da dem Minister insoweit offenbar weitergehende Erkenntnisse vorliegen, frage ich die Landesregierung:

1. Wie viele Kunden der KSK Nordhorn haben durch Termingeschäfte auf Dollar oder Yen Verluste erlitten?

2. Wie viele dieser Kunden werfen der KSK Nordhorn vor, falsch beraten worden zu sein?

3. Wie hoch ist der finanzielle Gesamtschaden aller durch Termingeschäfte auf Dollar oder Yen betroffenen Kunden der KSK Nordhorn?

4. Wie viele der betroffenen Anleger sind Vollkaufleute, haben also eine Beratungsformular der KSK nicht unterschrieben?

5. Trifft es zu, dass die KSK ihr eigenes Anlagerisiko über Rückgeschäfte mit der Nord/LB abgesichert hat, nicht aber das ihrer Kunden?

6. Wie viele der betroffenen Anleger sind von sich aus an die KSK Nordhorn mit dem Wunsch herangetreten, ihr Geld in Devisentermingeschäften anzulegen, und in wie vielen Fällen ging die entsprechende Initiative von der Sparkasse aus?

7. Wie beurteilt die Landesregierung die Auffassung, dass die KSK - trotz der von den Anlegern unterschriebenen Beratungsformulare - die Unerfahrenheit einzelner Kunden ausgenutzt und damit gegen das Börsengesetz verstoßen hat?

8. Welche anderen Sparkassen in Niedersachsen bieten Privatkunden Termingeschäfte auf Dollar oder Yen an?

Mit Verfügung vom 2. April 2001 habe ich die Prüfungsstelle des Niedersächsischen Sparkassen- und Giroverbandes beauftragt, bei der Kreissparkasse Grafschaft Bentheim zu Nordhorn (nachfolgend Sparkasse genannt) eine Prüfung der im Kundenauftrag von der Sparkasse abgeschlossenen Devisentermin- und Devisenoptionsgeschäfte in USDollar (USD) und japanischen Yen (JPY) durchzuführen. Aufgrund des Prüfungsauftrages umfasste die Prüfung den Zeitraum ab dem 1. Januar 1999, wobei auch Geschäfte einbezogen wurden, die vor dem Stichtag abgeschlossen wurden, aber zu Jahresbeginn noch nicht erfüllt waren.

Dieses vorausgeschickt beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: 66 Kunden der Sparkasse haben im Prüfungszeitraum Verluste aus Devisentermin- und Devisenoptionsgeschäften in JPY und USD erlitten.

Zu 2: ­ 34 Kunden haben sich im Zeitraum von September 1999 bis März 2001 unmittelbar bei der Sparkasse beschwert. Zwölf dieser Kunden haben im Zeitraum von November 2000 bis Februar 2001 ihre Beschwerden zusätzlich auch bei der Bezirksregierung Weser-Ems als zuständiger Sparkassenaufsichtsbehörde vorgetragen.

­ Am Prüfungsstichtag (05.04.2001) waren Zivilrechtsverfahren mit 5 der insgesamt 34

Beschwerdeführer anhängig. In drei Fällen tritt die Sparkasse als Klägerin auf, um ihre aus der Erfüllung von Devisengeschäften herrührenden Forderungen gegen die entsprechenden Kunden gerichtlich durchzusetzen (1,3 Mio. DM). In den beiden anderen Fällen ist die Sparkasse von den Kunden auf Verlustausgleich verklagt worden. Die Ansprüche der Kunden werden mit einer Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflichten durch die Sparkasse begründet.Wichtige Informationen über Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften" verzichten konnte.

Zu 5: Die geprüften Devisentermin- und Devisenoptionsgeschäfte wurden von der Sparkasse im Auftrag der Kunden für deren Rechnung abgeschlossen. Dabei wurde die Sparkasse jeweils „im Wege des Eigenhandels für andere" (sog. Eigenhandelsgeschäfte i. S. des § 2 Abs. 3 Nr. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes) für die Kunden tätig. Im Unterschied zum Kommissionsgeschäft tritt die Sparkasse hierbei als Verkäufer bzw. Käufer auf.

Die von der Sparkasse abgeschlossenen Finanzgeschäfte entsprechen den sparkassenrechtlichen Vorschriften. Nach § 24 Nr. 3 der Niedersächsischen Sparkassenverordnung (NSpVO) ist die Sparkasse zur Anschaffung und Veräußerung von Rechten aus Terminund Optionsgeschäften in Wertpapieren und Devisen im Kundenauftrag berechtigt.

Geschäftliches Ziel der Sparkasse waren nicht eigene Spekulationsgewinne, sondern die Vereinnahmung von Provisionserträgen aus der Veräußerung von Finanzprodukten. Zu den Kundengeschäften tätigte die Sparkasse deshalb währungs-, betrags- und laufzeitkongruente Gegengeschäfte, sodass jedem Devisengeschäft der Sparkasse mit den betroffenen Kunden ein entsprechendes Gegengeschäft der Sparkasse mit einem anderen Kreditinstitut gegenüberstand und Devisenkursschwankungen für die Sparkasse damit ergebnisneutral waren (sog. geschlossene Position). Insofern bestand für die Sparkasse weder eine Spekulationschance noch ein Spekulationsrisiko, das gesondert hätte abgesichert werden müssen.

Im Gegensatz dazu führt der Abschluss eines Devisentermin- oder Devisenoptionsgeschäfts für den Kunden gewollt zu einer offenen Position, der kein kongruentes Gegengeschäft gegenüber steht. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass der spekulierende Kunde an den erwarteten Devisenkursentwicklungen teilnehmen und Devisenkursgewinne realisieren kann - mit allen Chancen aber auch allen Risiken.

Zu 6: Derartige Feststellungen lassen sich im Nachhinein nicht mehr treffen.

Zu 7: Die Sparkassenaufsicht beurteilt den in Frage stehenden Sachverhalt einzig danach, ob ein Einschreiten im Rahmen nach dem Niedersächsischen Sparkassengesetz (NSpG) geboten ist. Nach dem NSpG hat die Sparkassenaufsicht sicherzustellen, dass Verwaltung und Geschäftsführung der Sparkasse dem geltenden Recht entsprechen. Gegenstand der Prüfung war daher u. a. festzustellen, ob die Vorschriften des § 53 BörsG und sonstige gesetzliche Bestimmungen beachtet worden sind. Die Beurteilung rein zivilrechtlicher Streitigkeiten zwischen Kunden und Sparkassen ist dagegen grundsätzlich nicht Aufgabe der Aufsichtsbehörde und war daher nicht Gegenstand der durchgeführten Prüfung.

Bei 82 Kunden (bei Gemeinschaftskunden jede Person getrennt) wurde die Herstellung der Börsentermingeschäftsfähigkeit sowie ihre Aufrechterhaltung durch die gesetzlich vorgeschriebenen Folgeunterrichtungen geprüft.

Dabei wurde festgestellt, dass bei 5 Kunden keine Börsentermingeschäftsfähigkeit hergestellt worden ist. Die zunächst unverbindlichen Termin- und Optionsgeschäfte wurden aber nachträglich von den Kunden bestätigt und damit rechtsverbindlich. Bei weiteren sieben Kunden fehlte bei einzelnen Termin- und/oder Optionsgeschäften ebenfalls die Börsentermingeschäftsfähigkeit. In diesen Fällen wurde es versäumt, die Geschäfte nachträglich von den Kunden bestätigen zu lassen. Aus diesen Geschäften, bei denen Gewinne von 16 TDM und Verluste von 77 TDM realisiert wurden, entstanden daher keine einklagbaren Ansprüche für die Sparkasse. Die wirtschaftlichen Risiken für die Sparkasse aus diesen Geschäften sind indes begrenzt. Im Übrigen hat die Sparkasse vor dem Abschluss weiterer Geschäfte mit diesen Kunden in jedem Fall die Börsentermingeschäftsfähigkeit hergestellt.

Im Rahmen der Prüfung haben sich für die Sparkassenaufsicht keine Anhaltspunkte ergeben, dass die Sparkasse die Unerfahrenheit einzelner Kunden ausgenutzt hat.

Zu 8: Nach § 4 NSpG in Verbindung mit § 24 Nr. 3 NSpVO ist die Sparkasse zur Anschaffung und Veräußerung von Rechten aus Termin- und Optionsgeschäften in Wertpapieren und Devisen im Kundenauftrag berechtigt. Die branchenüblichen Usancen für diese Geschäfte sind dabei zu beachten.

Derartige Geschäfte gehören nach hiesiger Kenntnis heutzutage bei allen Kreditinstituten (Sparkassen, Landesbanken, genossenschaftlichen Kreditinstituten, Privat- und Geschäftsbanken) zu den Geschäften, die für den interessierten Kunden abgewickelt werden.