Jugendstrafanstalt

Das kann ich Ihnen selbst aus eigener Anschauung erzählen, es gab immer Personalprobleme.

Mit einer Kriminalpolitik in Bremen, ist es gelungen, zunächst einmal von dieser hohen Einsperrquote herunterzukommen und stattdessen Alternativen zum Strafvollzug, insbesondere zum Jugendstrafvollzug zu entwickeln.

Das war einer der entscheidenden Schwerpunkte der bremischen Kriminalpolitik. Das ist auch in anderen Ländern vollzogen worden, wir wollen also jetzt nicht so tun, es sei nur eine Bremensie. In Bremen konnte dies unter Ausnutzung der, das muss man auch sagen, guten Bedingungen eines Stadtstaates natürlich hier viel besser praktiziert werden als in den großen Flächenstaaten. Wir haben die Gefangenenzahlen in den neunziger Jahren um zirka 50 Prozent reduziert.

Dies ist übrigens auch mit einer erheblichen Arbeitsbelastung verbunden. Wenn man schon über diesen Komplex spricht, muss man auch gleichzeitig über die Jugendbewährungshilfe sprechen. Wir haben das im Ausschuss ja auch getan. Hinzu kommen andere Maßnahmen außerhalb des Jugendvollzuges und der Bewährungshilfe als Täter-Opfer-Ausgleich und so weiter, die hier übrigens sehr viel bewirkt haben, die jungen Menschen wieder auf den Weg eines straffreien Lebens zurückzuführen.

Jetzt kommt aber die Schattenseite dieses zunächst günstig erscheinenden Zustandes weniger Gefangener: Es hat sich natürlich jetzt eine Population ergeben, die wesentlich schwieriger erzieherisch beeinflussbar ist. Das sagt jeder, der Umgang mit den jungen Gefangenen hat. Seinerzeit konnten die Ausbildungsstätten in den siebziger und achtziger Jahren in der Jugendstrafanstalt mit einem Durchschnitt von zwölf oder 18 Gefangenen pro Ausbildungslehrgang beschickt werden, die auch eine sehr gute Abschlussquote hatten. Die Prüfungen wurden von der Handwerkskammer in Bremen abgenommen. Inzwischen gibt es dort vielleicht noch ein oder zwei Auszubildende, weil die Struktur, die wir jetzt an jungen Gefangenen haben, für erzieherische Maßnahmen sehr schwer erreichbar ist.

Dennoch sind hier durchaus Erfolge erzielt worden auch vor dem Hintergrund einer durchaus vorhandenen Drogenkriminalität beziehungsweise eines Drogenkonsums in der Anstalt und eines hohen Ausländeranteils. Was nicht heißt, Ausländer seien schwieriger im Vollzug, sondern es gibt Sprachschwierigkeiten. Häufig sind übrigens die Türken, das kann ich Ihnen aus eigener Anschauung erzählen, besser zu integrieren, weil die Familien sich vielmehr kümmern. Türkische Familien im Besuch kommen mit Tante, Onkel, Neffen und so weiter und kümmern sich häufig mehr als deutsche Familien, auch das ist einmal an dieser Stelle festzuhalten.

Übrigens haben sie natürlich auch Angst vor der Ausweisung, das kommt hinzu, und versuchen sich natürlich hier zu integrieren.

Wir haben hier aber auch ein hohes Potential an Aggressivität unter diesen jungen Leuten. Man muss ja sehen, wer in den Jugendstrafvollzug kommt. Ich habe hier jetzt die Bewährungshilfe genannt, aber es ist eine Kette des Scheiterns zahlreicher staatlicher Institutionen, aber auch halbstaatlicher Institutionen, bis jemand dann so weit ist, dass der Richter sagt, jetzt reicht es, jetzt muss hier einmal weggesperrt werden, übrigens aus Gründen der Sicherheit, weil es dann einfach nicht mehr hinnehmbar ist, dass weiterhin Einbrüche, Überfälle und so weiter begangen werden. Diese Klientel finden unsere Beamten vor.

Damit kommen wir zu den Beamten. Die Beamtenschaft, die zu einem Drittel bis zu 40 Jahre alt ist und zu zwei Dritteln älter ist, kann natürlich auch nicht mehr so gefordert werden, um sich tagtäglich unter einem ständigen Stress mit diesen jungen Gefangenen abzumühen. Ich meine, es verdient hohe Anerkennung auch in diesem Hause, was diese Beamtinnen und Beamten hier täglich leisten.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich möchte dann noch einmal auf die Antwort, die Ihnen ja ausgedruckt vorliegt, auf das Problem, wie es weitergehen soll, kommen. Herr Dr. Kuhn, man sollte der Öffentlichkeit nicht verschweigen, dass es im schulischen Bereich im Jugendstrafvollzug zwei Hauptschulklassen gibt, die pro Jahrgang zwölf Plätze anbieten. Es gibt dazu auch eine entsprechende Hauptschulabschlussprüfung. Es wird darüber hinaus eine Elementarklasse für acht Teilnehmer mit 28 Wochenstunden angeboten. Für schulpflichtige Untersuchungsgefangene wird eine spezielle Klasse mit zehn Teilnehmern und 23 Wochenstunden angeboten.

An dieser Stelle möchte ich auch einmal darauf hinweisen, dass es auch ein Problem ist, wie lange diese jungen Gefangenen in der Anstalt sind. Es ist nicht sinnvoll, nur um eine Schulausbildung oder gar eine Berufsausbildung zu ermöglichen, den Aufenthalt in der Anstalt zu verlängern. Davon einmal abgesehen wäre das übrigens auch rechtswidrig. Viele haben Angst ­ Jugendstrafen sind ja bezüglich der Dauer ein bisschen flexibel, weil der Jugendrichter entscheidet, wann sie zu Ende ist ­, wenn sie in eine Berufsausbildung gehen, dass sie womöglich sogar ein halbes Jahr länger einsitzen müssen. Man muss sich einmal die Zahl überlegen, 80 Prozent der Untersuchungsgefangenen sind nicht länger als acht Wochen im Jugendvollzug, wobei die ersten zwei Wochen ja mit ganz andern Problemen besetzt sind, da ist die Inhaftierung, die Eltern müssen benachrichtigt werden, das familiäre Umfeld muss geklärt werden und so weiter. Die Gerichtstermine, die Vernehmung des Verfahrens, die Ermittlungen laufen ja noch. Nun frage ich einmal: Was soll nun in dieser sehr kurzen Zeit groß geschehen?

Dass es dennoch so gemacht wird, wie wir das in der Jugendanstalt zurzeit vorfinden, meine ich, ist beachtenswert auch unter den gegebenen Ressourcen. Ich sehe da auch in dieser Beziehung jeweils keine Möglichkeiten, das noch groß auszubauen. Bei der Berufsausbildung haben wir ähnliche Ausbildungsgänge qualitativ leicht abgewandelt dadurch, dass man Kurzausbildungsgänge anbietet, um hier zumindest eine Qualifikation in sechs, acht oder neun Monaten zu vermitteln.

Wie geht es weiter? Sie verlangen ein Konzept, wir auch. Wir müssen aber denjenigen, die ein Konzept erarbeiten, sagen, wie eigentlich die finanziellen Bedingungen und die des Ressourcenrahmens aussehen sollen. Das lässt die Verwaltung zurzeit durch Roland Berger erarbeiten, der übrigens nicht herangeht und sagt, da muss jetzt nur eingespart werden, sondern sogar in seinem Anfangspapier sagt, das Einsparen hat seine Grenzen, sondern wir müssen hier strukturell überlegen, ob wir etwas ändern können, und das Niveau und die Substanz dieses Vollzuges müssen erhalten bleiben. Die SPD-Fraktion wird auch nicht die Hand dafür reichen, dass hier eventuell an der Substanz des Erziehungsvollzuges Abbrüche geschehen oder dass hier diese Substanz vermindert wird.

Wir werden das genau beobachten. Wir als Rechtsausschuss sind übrigens gemeinsam mit den Bediensteten auch in diese Planungen und Beratungen der Firma Roland Berger einbezogen. Wir werden in der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses in der nächsten Woche bereits einen Vorbericht erhalten und gemeinsam mit dem Senator und dem Personalrat überlegen, wie die Zukunft des Jugendstrafvollzuges aussehen kann. Ich denke, dann können wir das hier noch einmal in Ruhe erörtern. ­ Vizepräsident Ravens: Das Wort erhält Bürgermeister Dr. Scherf.

Bürgermeister Dr. Scherf: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wer sich von Ihnen die Mühe gemacht hat, diese sehr detaillierte Antwort auf diese vielen Fragen durchzulesen, wird merken, dass man hier nicht sagen kann, wie Herr Kuhn es in seiner Rede gesagt hat, wir machen die Jugendlichen fertig. Das hat mich geärgert, Herr Kuhn, so haben Sie Ihre Rede begonnen. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Das ist eine richtig unfaire Diskreditierung der Arbeit, die da stattfindet.

Richtig ist, wir geben uns ungewöhnliche Mühe.

Wenn es ein Benchmarking gäbe über qualifizierten Jugendstrafvollzug in Deutschland, brauchten wir das überhaupt nicht zu befürchten. Wir können mit dem, was wir da machen, und mit dem, was wir da unter schwierigen finanziellen Bedingungen schaffen, im Vergleich der Länder bestehen.

Ich danke auch Herrn Isola, dass er das so sachlich und abgewogen vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus den siebziger, achtziger Jahren dargestellt hat. Ich habe in Erinnerung, dass wir bis zu - Jugendliche in der Spitze in dieser Haftanstalt gehabt haben, und wir haben heute, wenn man das richtig sieht, gut 100. Das ist eine erstaunliche positive Veränderung. Wenn Sie dort einmal einen Besuch machen, werden Sie merken, dass wir mit dem Geld, das wir aus Niedersachsen bekommen haben, außerordentliche Fortschritte gemacht haben, was die Herrichtung und den Zustand der Räumlichkeiten angeht. Das kann man überall vorzeigen, da braucht man niemandem ein X für ein U vorzumachen, sondern das ist unter den Bedingungen, unter denen wir arbeiten, erstaunlich gut, auch unter den Bedingungen, unter denen da von den Leuten gearbeitet wird, erstaunlich positiv vorzeigbar.

Wenn Frau Haker sagt, wir werden euch aber nicht herauslassen aus dem engen Finanzrahmen und werden euch ein Benchmarking zumuten, liegen wir immer noch gut. Es gibt Jugendstrafvollzugseinrichtungen in der Bundesrepublik, die mit viel weniger auskommen müssen als wir. Es ist also nicht so, dass wir, wenn man das Benchmarking von den Kosten aufmacht, dann eine arme Schlusslichtrolle haben, sondern da liegen wir erstaunlich gut. Dann, liebe Frau Haker, müssen Sie aber jetzt Klartext reden, Sie können nicht sagen, wir müssen weiter sparen, aber die Dienste vergrößern. Das geht nicht.

Ich bin in die Senatsloyalität eingebunden, ich werde sie auch nicht verlassen, wenn wir gemeinsam sparen müssen, und das ist ein zentrales Projekt unseres Sanierungsvorhabens, dann müssen wir das auch im Strafvollzug machen und uns natürlich auch andere Strafvollzugsaufwendungen in anderen Ländern ansehen. Das ist doch ganz klar, darvor können wir uns nicht drücken. Das geht nicht!

So viel Betriebswirtschaft habe ich sogar als Jurist gelernt. Zur Not werde ich meinen Kollegen Hattig zur Hilfe nehmen, der ist unser Betriebswirt Nummer eins, und der wird Ihnen dann in der CDU-Fraktion sagen, wie das geht. Wenn man Personal spart, dann kann man nicht zur gleichen Zeit Überstunden abbauen, das geht nicht, oder man muss die Anstalt schließen. Das wollen wir nicht, dürfen wir nicht, können wir ja auch nicht. Also, schön aufpassen, weiter sparsam, natürlich, und sanierungsloyal, aber bitte sehr nicht mit Mehrausgabenforderungen zur gleichen Zeit kommen! Das geht nicht!

Unter dem Strich gehe ich davon aus, so ähnlich wie Horst Isola das eben angekündigt hat, dass wir es schaffen, trotz dieser engen Rahmenbedingungen, die ich ja nicht schöner färben kann, dort einen vorzeigbaren, natürlich gesetzesloyalen Vollzug auch in Zukunft zu machen. Ich habe auch keinen Bogen um den Beirat gemacht, wir haben eine ganz offene Aussprache gehabt in der JVA Blockland, übrigens mit Frau Lürßen, und da war es anders, als Herr Kuhn eben vermutete. Frau Lürßen war nicht bereit, die pauschale Kritik des Beirats zu übernehmen.

(Abg. Dr. Kuhn [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich habe es vorgelesen aus dem Protokoll!)

Ich war ja dabei, ich habe von A bis Z diese Beratungen miterlebt, und fast die gesamte Belegschaft war dabei und hat das alles mitbekommen.

Wir wollen vielmehr die dort mühselige, unter Haushaltsenge leidende Arbeit optimieren. Aber der Haushalt wird hier beschlossen und nicht im Justizvollzug, und wer da mehr Geld ausgeben will, der muss sich in seiner Fraktion durchsetzen und nicht sagen, das habt ihr vor Ort besser zu machen. Das wissen alle. So nüchtern sind diejenigen vor Ort, und vor der Belegschaft haben wir mit dem Beirat und natürlich mit Frau Lürßen geklärt, dass es zu einem pauschalen Vorwurf ­ womöglich sogar, ihr macht da die Jugendlichen fertig ­ überhaupt nicht kommt.

(Abg. Frau Linnert [Bündnis 90/Die Grünen]: Hat er nicht gesagt!)

Wenn das Protokoll das richtig so macht, wenn das so mitgeschrieben ist, können Sie nachlesen, dass er gesagt hat, die machen da die Jugendlichen fertig.

(Abg. Frau Linnert [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein, das hat er nicht gesagt! ­ Abg. Dr. Kuhn [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich sage gleich etwas dazu!)

Das habe ich doch vor einer halben Stunde mitgehört!

Also, wir machen nicht fertig, um das klar zu sagen, sondern wir versuchen, zu fördern und herauszufordern, so gut es geht, und wir haben auch vorzeigbar damit vergleichbare Erfolge, vergleichbar!

Man kann das nicht tun, um einen Blumentopf zu gewinnen. Wenn Sie glauben, das ist eine Diskreditierung, sind Sie falsch gewickelt. So ist es wirklich!

Der Jugendstrafvollzug hat keine Lobby, (Abg. Dr. Kuhn [Bündnis 90/Die Grünen]: Doch, wir sind das!) und zu glauben, man könne mit dem Jugendstrafvollzug das ändern, da muss man sich nüchtern damit auseinander setzen, dass die Forderung der Öffentlichkeit gerade jetzt bei der neuen Kriminalität junger Leute nach härteren Strafen unübersehbar ist. Man muss eine Balance finden zwischen dem, was die Öffentlichkeit fordert, was wir gegen Kriminelle und mit kriminellen Jugendlichen bitte sehr zu bewirken und durchzusetzen haben, und unserer Verpflichtung über das Jugendgerichtsgesetz, das bitte sehr fair zu machen, das Grundgesetz loyal zu machen und das so zu machen, dass sie trotz ihrer Kriminalität eine Chance bekommen, wenn sie herauskommen aus der Strafe. Diese Balance versuchen wir, ich finde, mit respektablem Ergebnis.

Ich bin darauf eingerichtet, dass wir weiter beraten, wenn wir uns nach dieser Debatte wiedersehen in den Ausschüssen.

(Abg. Frau Dr. Trüpel [Bündnis 90/Die Grünen]: Wo ist denn der Beifall der SPD?) Vizepräsident Ravens: Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Abg. Dr. Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Erwartung ist eigentlich gewesen, und deswegen habe ich das gesagt, dass Sie als zuständiger Senator diese Lobby sind für diese jungen Menschen, (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) und da ich das nicht wahrnehme, dass Sie das sind, dass wir das denn wenigstens sind, wenn es schon so ist, dass sie jetzt keine Lobby haben.