Geplanter Gipsabbau am Ravensberg, Ortsteil Lüthorst (Stadt Dassel, LK Northeim)

Die Firma Gebr. Knauf Westdeutsche Gipswerke beabsichtigt, am Ravensberg im Ortsteil Lüthorst der Stadt Dassel ein Gipsvorkommen abzubauen. Die betroffene Fläche, ca. 24 ha, wurde vom NLfB als landesweit bedeutsames Rohstoffvorkommen eingestuft (Rohstoffsicherungskarte 4124, Stand September 1995, Lagerstätte G7, Lagerstätte

1. Ordnung). Im Regionalen Raumordnungsprogramm (RROP) des LK Northeim ist sie 1996 als Vorranggebiet für Rohstoffgewinnung aufgenommen worden, der Entwurf des Landes-Raumordnungsprogramms (LROP) von 2001 sieht ebenfalls für diese Fläche den Vorrang für Rohstoffgewinnung vor.

Die Planungen der Firma Knauf sehen einen Abbau von knapp unter 10 ha Fläche obertägig und ca. 3 ha untertägig vor. Inwieweit ein teilweise untertägiger Abbau an dieser Stelle sinnvoll und sachgerecht ist, lässt sich nur mit entsprechender Fachkenntnis beurteilen. Konsequenz dieser Vorgehensweise ist jedoch, dass für den Abbau ein bergrechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt werden muss. Bei nur obertägigem Abbau wäre dagegen ein wasserrechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen. Angesichts des zu erwartenden schwerwiegenden Eingriffs in das Wassereinzugsgebiet der Bewer, der durch eine Abbaugrube von 10 ha Größe und 80 bis 100 m Tiefe, nur wenige hundert Meter von dem Fluß entfernt, entsteht, kommt den wasserwirtschaftlichen Aspekten dieses Vorhabens eine besondere Bedeutung zu.

Im Januar 1987 wurde das Einzugsgebiet des Fließgewässers Bewer durch das Umweltministerium als repräsentativ für den Naturraum des Weser- und Leineberglandes eingestuft und für ein Modellvorhaben zur naturnahen Gestaltung ausgewählt. Träger des Modellvorhabens „Naturnahe Gestaltung der Bewer" wurde der Leineverband Göttingen.

Wesentliche ökologische Ziele des 1988 begonnenen Projektes sind: die Verbesserung der Gewässer- und Auenstruktur, die Förderung der ökologischen Durchgängigkeit, die Förderung der Biotopvernetzung und die Verbesserung der Gewässergüte. Im Juni 2000 hat der Leineverband Göttingen die Erfahrungen aus dem Modellvorhaben in einem Bericht veröffentlicht, der Hinweise und Empfehlungen für die „Planung und Umsetzung von naturnahen Maßnahmen an Fließgewässern und Auen" für den niedersächsischen Mittelgebirgsraum enthält. Es ist zu befürchten, dass durch den geplanten Gipsabbau schwerwiegend in das Einzugsgebiet der Bewer und des Wiesengrabens eingegriffen wird und die mit öffentlichen Mitteln finanzierten Maßnahmen zur naturnahen Gestaltung des Bachs konterkariert werden.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie beurteilt sie die Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Modellvorhaben „Naturnahe Gestaltung der Bewer" und ihre Bedeutung für weitere Planungen und Umsetzungen von naturnahen Maßnahmen an Fließgewässern und Auen?

2. Wann wird das Modellvorhaben voraussichtlich abgeschlossen sein, und welche weiteren Maßnahmen sind im Einzelnen noch geplant? Mit Kosten in welcher Höhe ist noch zu rechnen?

3. Welche Kosten sind bisher durch das Modellvorhaben entstanden? Welche Anteile an der Finanzierung fallen auf Land, Bund, Europäische Kommission, Kommunen, Vorhabenträger und Sonstige?

4. Ist nach Ansicht der Landesregierung zu befürchten, dass durch den geplanten Gipsabbau die bisher im Rahmen des Modellvorhabens durchgeführten Maßnahmen und damit die angestrebten Ziele an der Bewer insbesondere im Bereich des Wiesentals gefährdet oder beeinträchtigt werden?

5. Warum wurden die Bewer und ihr Einzugsgebiet trotz des durchgeführten Modellvorhabens zur naturnahen Gestaltung von Bach und Aue und des Vorkommens des Deutschen Edelkrebses (Astacus astacus) bei der Meldung des FFH Gebietes 128 Ilme nicht berücksichtigt?

6. Welche Bedenken hat der Träger der Maßnahme „Naturnahe Gestaltung der Bewer", der Leineverband Göttingen, gegen das Vorhaben vorgebracht, und wie werden diese von der Landesregierung bewertet?

7. Welche negativen Auswirkungen eines Gipsabbaus am Ravensberg sind - ohne Ergebnisse eines Genehmigungsverfahrens vorwegzunehmen - nach dem Kenntnisstand der Landesregierung auf die Bewer und ihre Aue in Hinsicht auf Grundwasserstand, Wasserführung und Gewässergüte generell und insbesondere für die Population des Deutschen Edelkrebses zu befürchten?

8. Welche Auswirkungen hätte eine Einleitung des Wassers in die Bewer aus der Wasserhaltung der geplanten Abbaugrube in Hinsicht auf die Wasserführung und die chemische Zusammensetzung?

9. In welcher Weise würden von dem geplanten Abbau die in unmittelbarer Nähe vorhandenen, als 28a Biotope geschützten Erdfälle betroffen?

Die Bewer einschließlich ihrer Aue und Nebengewässer hat aus naturschutzfachlicher und wasserwirtschaftlicher Sicht des Landes eine sehr hohe Bedeutung. Das Modellvorhaben Bewer nimmt als erstes Projekt im Rahmen der naturnahen Fließgewässergestaltung - auch aufgrund der Zusammenarbeit mehrerer Fachdisziplinen - in Niedersachsen eine Vorreiterrolle ein. Es wird als Pilotprojekt zur naturnahen Gewässergestaltung mit besonderer Bedeutung für den Artenschutz (u. a. Edelkrebsvorkommen) durchgeführt.

Die Gipslagerstätte am Ravensberg bei Lüthorst ist von überregionaler Bedeutung für die Rohstoffversorgung. Der Entwurf zur Änderung und Ergänzung des Landes-Raumordnungsprogramms (LROP) sieht deshalb vor, dass die Lagerstätte als Vorranggebiet für Rohstoffgewinnung im Regionalen Raumordnungsprogramm zu sichern ist. Im Beteiligungsverfahren vorgebrachte Anregungen und Bedenken zu einzelnen Gebieten für die Rohstoffgewinnung werden im Oktober und November d. J. Gegenstand von Erörterungen sein. Auch für die Lagerstätte am Ravensberg ergibt sich nach der Auswertung des Beteiligungsverfahrens weiterer Erörterungsbedarf. Der Abschluss des LROPÄnderungsverfahrens ist für das Jahr 2002 vorgesehen.

Die Firma Gebr. Knauf Westdeutsche Gipswerke plant seit längerer Zeit, die Lagerstätte am Ravensberg industriell abzubauen. Die für das notwendige bergrechtliche Planfeststellungsverfahren, das u. a. auch die wasserrechtlichen Genehmigungen beinhaltet, erforderlichen Antragsunterlagen sind jedoch noch nicht vorgelegt worden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1: Die im Rahmen des Modellvorhabens „Naturnahe Gestaltung der Bewer" gewonnenen grundlegenden Erkenntnisse und Erfahrungen zur Trägerschaft solcher Vorhaben, zu ihrer Akzeptanz bei den Betroffenen und in der Öffentlichkeit, zur Finanzierung, zum Umsetzungszeitraum und zur Unterhaltung und Pflege naturnaher Gewässer und ihrer Auen sind von wesentlicher Bedeutung für Planung und Umsetzung von naturnahen Maßnahmen an Fließgewässern und Auen nicht nur im südlichen Leineeinzugsgebiet. Unabhängig von den Besonderheiten des Einzelbeispiels gelten die hier gewonnenen Ergebnisse maßgeblich für die Gewässer- und Auenentwicklung im Weser- und Leinebergland und sind auch auf Gewässer in anderen Naturräumen mit vergleichbaren oder ähnlichen topographischen, hydrologischen, geologischen und ökologischen Verhältnissen übertragbar.

Zu 2: Das Bewer-Projekt ist bereits in den 80er-Jahren als komplexes Vorhaben einer Gewässerrenaturierung eingeleitet worden. Seine Durchführung und Fortsetzung hängt wesentlich von den jeweiligen Auswirkungen vorausgegangener Umsetzungsschritte ab, aus denen sich weitere Maßnahmen und ggf. auch Konzeptveränderungen und -erweiterungen ableiten. Ein exakter Zeitrahmen lässt sich daher zurzeit nicht festlegen; es ist aber von mehreren Jahren auszugehen.

Bei weiteren Maßnahmen handelt es sich um die Fortsetzung der Biotopvernetzung, um die Einleitung einer naturnahen Gewässerentwicklung bzw. -renaturierung oberhalb von Lüthorst, um die Beseitigung ökologischer Sperren, um die Gestaltung von Gewässerrandstreifen und um die Herstellung von Voraussetzungen zur natürlichen Sukzession im Bewertal mit dem Ziel, in geeigneten Bereichen einen Auewald entstehen zu lassen. Eine genaue Kostenschätzung für die Umsetzung dieser Maßnahmen liegt derzeit noch nicht vor, da die sich aus den Genehmigungsbescheiden möglicherweise ergebenden Auflagen zu berücksichtigen sind.

Zu 3: Das Land Niedersachsen hat im Zeitraum von 1988 bis 2000 Fördermittel in Höhe von 5,3 Mio. DM für das Modellvorhaben bewilligt. Die Finanzierung erfolgte allein aus Landesmitteln.

Die Mittel für Unterhaltungs- und Pflegemaßnahmen hat der Leineverband unter Beteiligung der Kommunen im Einzugsgebiet der Bewer aufgebracht.

Zu 4: Aufgrund der differenzierten hydrogeologischen Verhältnisse im Bereich des vorgesehenen Abbaubereichs und einer entsprechenden Abbautiefe, die voraussichtlich weit unter der Gewässersohle der Bewer liegen würde, können Auswirkungen auf angrenzende Bereiche wie das nahegelegene Bewertal/Wiesental zurzeit nicht ausgeschlossen werden.

Das oberirdische Einzugsgebiet der Bewer wird durch den Gipsabbau nicht berührt, sodass eine Minderung des Direktabflusses von dort nicht zu erwarten ist. Zwischen den Gipssteinen und dem Mittleren Bundsandstein, dessen Grundwasser die Bewer speist, befindet sich zwar eine hydraulische Barriere aus Tonsteinschichten, die aber durch Sprengeinwirkungen beeinträchtigt werden könnte, wenn nicht sachgerecht vorgegangen würde. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für einen geplanten Gipsabbau sind daher detaillierte Untersuchungen über mögliche Auswirkungen vor allem auf die Grundwasserverhältnisse im Bewertal/Wiesental sowie auf die Wasserführung und Wassergüte im Einzugsgebiet der Bewer erforderlich, um Folgewirkungen auszuschließen, die mit der Zielsetzung des Modellvorhabens nicht vereinbar sind.

Zu 5: Im Rahmen des von den Bezirksregierungen durchgeführten Informations- und Beteiligungsverfahrens zur Auswahl der FFH-Gebietsvorschläge (Tranche II) wurde u. a. die Bewer als ein Neu-/Erweiterungsvorschlag von verschiedener Seite benannt. Nachdem die fachliche Prüfung durch das Niedersächsische Landesamt für Ökologie (NLÖ) ergeben hatte, dass eine Erweiterung des FFH-Gebietsvorschlags Nr. 128 „Ilme" um die Bewer aus Repräsentanzgründen zur Meldung des FFH-Gebietes nicht notwendig ist, wurde auf diese Erweiterung des FFH-Gebietsvorschlags verzichtet.

Zu 6: Seitens des Leineverbandes Göttingen wurde darauf hingewiesen, dass Auswirkungen durch den in Tiefen von bis zu ca. 60 m unter Geländeoberkante geplanten Gipsabbau auf die generelle Grundwassersituation im Bewertal/Wiesental und damit auf die Wasserführung der Bewer grundsätzlich nicht auszuschließen seien. Es wurde angeregt, dass wissenschaftlich qualifizierte Untersuchungen und Analysen zu den gegenwärtigen hydrogeologischen Verhältnissen und mögliche Auswirkungen bezüglich der Wasserführung, der Wasserqualität und dergleichen zu veranlassen sei. Hierzu seien auf dem Gebiet der Hydrogeologie ausgewiesene Institutionen und unabhängige Experten heranzuziehen.

Weiterhin müsse sichergestellt sein, dass die ökologischen Verhältnisse durch den vorgesehenen Gipsabbau nicht beeinträchtigt würden, weil dadurch die Zielsetzung des Modellvorhabens insgesamt in Frage gestellt würde.

Die vom Maßnahmeträger vorgebrachten Bedenken wurden in der Projektgruppe „Naturnahe Gewässergestaltung der Bewer" erörtert, in der neben dem Maßnahmeträger, dem Landkreis Northeim sowie der Stadt Dassel auch das NLÖ und die Bezirksregierung Braunschweig vertreten sind. Sie werden seitens der Bezirksregierung Braunschweig geteilt.

Zu 7: Hierzu verweise ich auf die Antworten zu den Fragen 4 und 6.

Zu 8: Ein Antrag zum Gipsabbau mit aussagekräftigen und bewertbaren Unterlagen liegt der Genehmigungsbehörde bisher nicht vor. Deshalb können Wassereinleitungen in den Oberlauf der Bewer aus einem Abbauvorhaben noch nicht beurteilt werden. Nach vorläufigen Kenntnissen des Oberbergamtes Clausthal-Zellerfeld ist eine Überleitung von „Grubenwässern" in die Bewer nicht beabsichtigt.

Zu 9: Ob und inwieweit die im Planungsraum vorhandenen Biotope nach § 28 a NNatSchG von einem geplanten Gipsabbau betroffen sein würden, ist eine ebenfalls im Rahmen des Genehmigungsverfahrens abzuhandelnde Fragestellung.