Klärung des Schicksals des aus Niedersachsen nach Syrien abgeschobenen Asylbewerbers Hussein Daoud

Der 30jährige Kurde Hussein Daoud wurde am 10.12.2000 aus Braunschweig nach Syrien abgeschoben. Noch auf dem Flughagen in Damaskus wurde er vom syrischen Sicherheitsdienst festgenommen und inhaftiert.

Nachdem in- und ausländische Menschenrechtsorganisationen nach der Inhaftierung Herrn Daouds befürchteten, dass er aufgrund von Folter in Haft verstorben sei und sein Verbleib monatelang nicht bekannt war, scheint es nunmehr gesichert zu sein, dass er noch am Leben ist. Er befindet sich weiterhin in Haft, ohne dass die Gründe hierfür bekannt sind.

Nach der Abschiebung Hussein Daouds veröffentlichte beispielsweise das „Syrian Human Rights Comitte (SHRC)" am 23.04.2001 einen „eiligen Aufruf zur Aufdeckung von Hussein Daouds Schicksal": Laut Informationen der Menschenrechtler sei er im Sondergefängnis für politische Gefangene des Staatssicherheitsdienstes Firaa Filastin an den Folgen der Folter und der Verweigerung ärztlicher Behandlung gestorben. Nahen Angehörigen werde seit Wochen der Zugang zu Herrn Daoud verwehrt. Ein Wärter habe den Angehörigen mitgeteilt, man werde die Leiche schon „freigeben". Eine offizielle Bestätigung des Todes von Hussein Daoud läge allerdings noch nicht vor.

Den Berichten des SHCR und von Verwandten zufolge, wurde er der Mitgliedschaft in der kurdischen „Democratic Unity Party (DUP)" bezichtigt und schwer gefoltert. Ebenfalls seien im März einige syrische Bürger festgenommen und befragt worden, ob sie ebenfalls Mitglieder der DUP seien und in Verbindung mit Herrn Daoud gestanden hätten, als er sich in der Bundesrepublik Deutschland befand.

Am 30.04.2001 wies amnesty international im Rahmen einer urgent action „Sorge um Sicherheit/Folter" auf das Schicksal des Herrn Daoud hin und forderte dazu auf, Telefaxe an die syrische Regierung zu schicken, um sich nach dem ungeklärten Verbleib von Herrn Daoud zu erkundigen. „Wie es heißt, wird er immer wieder verhört und gefoltert.

Unbestätigten Berichten zufolge war er vor etwa einem Monat wegen eines auf die ihm zugefügten Folterungen zurückzuführenden Nervenzusammenbruches in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Sein derzeitiger Aufenthalt ist unbekannt. Die syrischen Behörden haben Hussein Daouds Festnahme bislang nicht bestätigt, Bekannte sollen ihn im März diesen Jahres jedoch in der Haftanstalt Nr. 285 des Staatssicherheitsdienstes gesehen haben. Sie hatten aber keine Möglichkeit mit ihm zu sprechen."

Nach Informationen von amnesty international vom 23.05.2001 haben die syrischen Behörden bestätigt, dass Hussein Daoud sich in Haft befände. Sie hätten jedoch weder seinen Haftort noch die Gründe für seine Inhaftierung bekannt gegeben. Dem Vernehmen nach hätten die syrischen Behörden Berichte dementiert, denen zufolge Herr Daoud in der Haft gestorben sei. Am 18. Juli teilte amnesty international mit, dass ein Vertreter der Deutschen Botschaft in Syrien Berichten zufolge Hussein Daoud am 28.06.2001 im Sed naya Gefängnis besuchte. „Bei dem Gespräch waren Angehörige des syrischen Militärgeheimdienstes, Gefängnisbeamte und ein vom Militär bestellter Dolmetscher die ganze Zeit anwesend. Dem deutschen Diplomaten war es nicht möglich, Hussein Daoud unter vier Augen zu sprechen. Der Häftling soll sich dem Augenschein nach in einer guten körperlichen Verfassung befinden."

Da die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien, sei noch keine Anklage gegen ihn erhoben worden, heißt es weiter. (ai-Index: MDE 24/015/2001) Herr Daoud wurde in Deutschland nicht als politischer Flüchtling anerkannt. Sein Asylantrag wurde am 01.07.1998 rechtskräftig abgelehnt, da den Behörden seine Angaben zur politischen Verfolgung nicht glaubwürdig waren. Er war seit dem 01.08.2000 vollziehbar ausreiseverpflichtet.

Obwohl Herr Daoud seine politischen Aktivitäten während seines 5jährigen Aufenthalts in Deutschlang fortsetzte, wurden keine Abschiebungshindernisse festgestellt. So nahm er u. a. an Protesten vor der syrischen Botschaft teil, besuchte Treffen seiner Organisation für ein vereintes Kurdistan und setzte sich beständig für die Rechte von Kurdinnen und Kurden in Deutschland und Syrien ein. In Kenntnis seiner exilpolitischen Aktivitäten wurde auch die in Syrien lebende Familie Hussein Daouds vom dortigen Regime immer wieder unter Druck gesetzt.

Anstatt ihm Schutz und Sicherheit zu gewähren, wurde er in dem sog. PROJEKT X, dem niedersächsischen Modellversuch zur Beschaffung von Heimreisedokumenten, in Braunschweig zur Wohnsitznahme verpflichtet. Ihm wurde unterstellt, seinen Mitwirkungspflichten nach dem Ausländergesetz nicht nachzukommen. Sowohl Flüchtlingsorganisationen als auch Herr Daoud selbst wiesen immer wieder darauf hin, dass Herr Daoud sich um entsprechende Dokumente bemühte. So korrespondierte er mit seinem Bruder in Syrien, der ihm in einem Brief jedoch mitteilte, dass es nicht möglich sei, Papiere von den syrischen Behörden zu bekommen. „Ich weiß nicht, warum ich im PROJEKT X bin. Ich war in der syrischen Botschaft, und sie haben mir bestätigt, dass ich aus Syrien bin. Sie wollen mir aber kein offizielles Dokument ausstellen, da sie keine Kurden haben wollen. Die deutschen Behörden glauben mir nicht, obwohl ich ihnen alle meine Papiere gegeben habe." (Zitat. Hussein Daoud während seines Hungerstreiks im Oktober 1999 im PROJEKT X in Braunschweig)

Trotz seiner Bemühungen, die unverschuldet nicht erfolgreich waren, musste er im PROJEKT X bleiben. Von dort aus wurde er nach Syrien abgeschoben, nachdem einer Pressemitteilung des niedersächsischen Flüchtlingsrates vom 13.06.2001 zufolge die deutschen Behörden im September 2000 ein sog. Passersatzpapier von der syrischen Botschaft in Deutschland erhielten.

Es scheint sehr wahrscheinlich, dass die syrischen Behörden im Zuge der behördlichen Vorführung und Passbeschaffung auf Hussein Daoud aufmerksam wurden und sich dadurch seine ohnehin bestehende Gefährdung an Leib und Leben bei seiner Rückkehr nach Syrien potenzierte.

Nachdem die syrische Regierung neue Richtlinien und Anweisungen zur Passbeantragung bzw. Ausstellung von syrischen Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen einführten, äußerte der Sprecher des syrischen Komitees für Menschenrechte am 13.03.2001 in einer Presseerklärung seine Besorgnis hierüber. Mit der Einführung dieser neuen Regelungen, die auch die Passausstellung von im Ausland lebenden syrischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern über die jeweiligen Botschaften beinhalte, würde nämlich der direkte Kontakt zum syrischen Sicherheitsdienst einhergehen. Um überhaupt in den Besitz von Pässen zu kommen, müssten von den Betroffenen „Kompromisse" eingegangen werden, die Menschenrechte verletzen würden. Als Beispiele nannte er u. a. das Unterschreibenmüssen von falschen Geständnissen oder von Anschuldigungen anderer und Erklärungen über den Verzicht auf zukünftige politische Aktivitäten. Vor diesem Hintergrund äußerte der SHCR-Sprecher große Besorgnis insbesondere über die im Ausland lebenden syri schen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die in den jeweiligen Botschaften Ausweispapiere beantragen müssten.

Auch die Tatsache, dass die Gültigkeit der Pässe nach den neuen Richtlinien auf lediglich ein Jahr begrenzt wird, hält er für ein großes Problem, da sie gegen den verfassungsmäßig festgeschriebenen Gleichbehandlungsgrundsatz von syrischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern verstoßen würde.

Vor dem Hintergrund des (ungeklärten) Schicksals Hussein Daouds fordern u. a. der niedersächsische Flüchtlingsrat und PRO ASYL einen Abschiebestopp nach Syrien. Darüber hinaus appellierten sie an den niedersächsischen Innenminister, den Fall des Hussein Daoud zum Anlass für eine ersatzlose Streichung des Modellversuches zur Beschaffung von Heimreisedokumenten in Braunschweig und Oldenburg zu nehmen. (FlüRat Nds. PM 13.06.2001).

Ich frage die Landesregierung:

1. Mit welcher Fluggesellschaft und in wessen Begleitung ist Herr Daoud abgeschoben worden? Befanden sich weitere syrische Flüchtlinge in der Maschine?

2. Seit wann ist der Landesregierung bekannt, dass Herr Daoud am 10.12.2000 noch auf dem Flughafen in Damaskus verhaftet wurde? Von welcher Stelle erging die Information?

3. Welche (diplomatischen) Bemühungen zur Klärung des Schicksals Hussein Daouds wurden und werden in Niedersachsen wann und von wem unternommen? Mit welchem Ergebnis?

4. Ist der Landesregierung bekannt, in welcher Haftanstalt sich Herr Daoud zurzeit befindet und in welchen Haftanstalten er sich seit seiner Festnahme auf dem Flughafen befand? Ist ihr bekannt, ob seine Haft durch einen Krankenhausaufenthalt unterbrochen war? Wenn ja, wann und warum?

5. Ist ihr bekannt, ob und welche Klage gegen Hussein Daoud erhoben wurde? Ist der Landesregierung bekannt, ob es zu einem Gerichtsverfahren kam oder kommen wird?

6. Hat sie Anstrengungen unternommen, sich für seine Entlassung aus der Haft und/oder seine Rückkehr in die Bundesregierung einzusetzen? Wenn ja, welche und wann; wenn nein, warum nicht?

7. Unter welchen Umständen hält sie seine Wiedereinreise für möglich? Wird sie sich für seine Wiedereinreise einsetzen? Wenn nein, warum nicht?

8. Warum wurde Herr Daoud trotz seiner Bemühungen um die von ihm geforderten Dokumente aus Syrien nicht aus dem Modellversuch entlassen?

9. Aus welchen Gründen war es nach Auffassung der Landesregierung Herrn Daoud und seinen in Syrien lebenden Angehörigen nicht möglich, die von ihm geforderten Dokumente aus Syrien zu erhalten?

10. Welchen Maßnahmen und welchen Druckmitteln war Hussein Daoud im Modellversuch ausgesetzt?

11. Wurde ihm das sog. Taschengeld nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährt?

Wenn nein, warum und seit wann nicht? Welche „Verhaltensänderung" wurde durch den sog. Taschengeldentzug seitens Herrn Daouds erwartet? Und wie sollte sich Herr Daoud nach Einschätzung der Landesregierung mit notwendigen Mitteln für den täglichen Gebrauch (Fahrkarten, Briefmarken etc.) versorgen, wie einen Rechtsanwalt zur Vertretung seiner persönlichen Angelegenheiten finanzieren?

12. Wie oft wurden sog. Interviews mit Herrn Daoud geführt? Mit welchem Ziel wurden sie von wem geführt, und wurden sie protokollarisch festgehalten?