Schule

Staat laut geworden ist, nun 1,8 Milliarden DM zuzuschießen, weil die Wirtschaft das nicht aufbringen könnte, dann muss ich auch sagen, das ist für mich in diesem Zusammenhang vollkommen unannehmbar. Wer sonst immer nach Privatisierung, nach Rückzug des Staates ruft und dann, wenn es etwas kostet, sagt, der Staat soll bezahlen, auch das kann so nicht sein!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es ist sehr zu begrüßen, dass wir diesen Antrag gemeinsam vorgelegt haben und dass wir uns auch in Bremen mit diesem Thema befassen, weil auch Bremen nicht aus der Welt, sondern auch betroffen ist von antisemitischen Vorgängen, wir haben es von Herrn Beckmeyer gehört.

Es ist heute auch eine ganz andere Situation als zum Beispiel vor zehn Jahren. Das muss hier auch noch einmal erwähnt werden. Vor zehn Jahren gab es eine ganz kleine jüdische Gemeinde von meistens schon älteren Menschen, die sich einmal die Woche zum Sabbat und vielleicht zu ein paar Festen getroffen hat. Heute haben wir nach der Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion eine Situation, in der nicht nur über 1000 Menschen Mitglieder der jüdischen Gemeinde sind, sondern wo durch einen Kindergarten, Kinderhort, Seniorenclub, Jugendclub, Chor, Theatergruppe praktisch den ganzen Tag, sieben Tage die Woche Präsenz vor Ort ist. Das heißt natürlich, dass auch das Potential an Bedrohung sehr viel größer ist. Die Eltern der Kinder, das haben wir uns in den letzten Tagen immer wieder bestätigen lassen, sind sehr besorgt, mögen ihre Kinder nicht mehr in den Kindergarten schicken. Hier ist also den ganzen Tag über Gott sei Dank wieder Gemeindeleben entstanden, über das wir sehr froh und glücklich sind, und da wir sehr froh und glücklich über dieses neue Gemeindeleben sind, müssen wir es auch entsprechend schützen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich möchte auch die Reaktion in Bremen sehr positiv erwähnen, auch wieder über alle Parteien hinweg. Der neue Staatsrat des Innenressorts, Dr. Böse, hat sich sehr schnell vor Ort informiert und in Bezug auf die Sicherheitskonzepte Flagge gezeigt. Ich habe gehört, dass Senatorin Adolf den jüdischen Kindergarten, ich glaube, heute oder morgen besucht. Politiker aller Parteien haben sich durch Wort oder Präsenz vor Ort entsprechend geäußert. Wir Grünen werden nächste Woche einen Besuch bei der Gemeinde machen, und ich glaube, es ist der richtige Weg. Auch die beiden großen Kirchen haben sich entsprechend verhalten. Auch das sollte man an dieser Stelle würdigen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD) Man sollte auch positiv würdigen, dass bisher die Finanzierung der gemeindlichen Aktivitäten gerade im sozialen Bereich immer wieder, auch wenn es manchmal gehakt hat, gut geklappt hat und dass im nächsten Jahr zusätzlich eine Lehrerstelle finanziert werden soll, weil natürlich immer mehr Aufgaben hinzukommen, die aus eigenen Kräften gar nicht möglich sind, wenn man sieht, wie die Gemeindeanwächst.

Lassen Sie mich aber einen letzten Punkt ansprechen, der sozusagen noch der Vollendung harrt, der unserer Meinung nach jetzt in die Zeit sehr gut passen würde, wenn man ihn endlich lösen könnte! Bremen ist eines von nur vier Bundesländern neben Baden-Württemberg, Brandenburg und dem Saarland, das noch keinen Staatsvertrag mit der jüdischen Gemeinde unterschrieben hat. Zwölf andere Länder haben dies getan, und die jüdische Gemeinde hat immer wieder darum ersucht, dies endlich zu tun. Es muss klar sein, dass dies, und das muss man immer bedenken, keine finanzielle Mehrbelastung für unser Land bedeutet, sondern auf dem gleichen Niveau eigentlich festgeschrieben werden würde, was im Moment geleistet wird. Ich möchte sehr gern die beiden großen Fraktionen, ihre Vorsitzenden und auch die anderen Senatoren bitten, diese Frage im Senat oder in den entsprechenden Gremien noch einmal anzusprechen und darauf hinzuwirken, dass wir dies noch einmal überdenken.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Warum brauchen wir diesen Staatsvertrag unbedingt? Aus zwei Gründen: Erstens, er bietet der jüdischen Gemeinde langfristige Rechtssicherheit, die sie gerade in dieser Zeit unbedingt braucht, so dass sie nicht von Jahr zu Jahr befürchten muss, dass sie ihre Aktivitäten nicht mehr gestalten kann. Diese langfristige Rechtssicherheit wäre ein sehr positives Zeichen.

Es gibt aber einen viel wichtigeren Grund in dieser Zeit, auch aus dem Anlass heraus, warum wir heute hier zu dieser Debatte zusammengekommen sind: Es wäre gerade in der aktuellen Bedrohung und Stimmung ein hoch symbolisches Zeichen, jetzt als eines der letzten Bundesländer diesen Staatsvertrag zu unterschreiben. Gerade die vielen jüdischen Neubürger, die in den letzten zehn Jahren hierher gekommen sind, würden es sicher als ein sehr positives Zeichen dieses Bundeslandes sehen, wenn das jetzt endlich zustande käme.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir befürworten den vorliegenden Antrag aus vollem Herzen. Also, grüne Forderung an das Rathaus: Wir möchten den Senat und die Senatskanzlei bitten, noch einmal alle Bedenken, die bisher gegen diesen Staatsvertrag standen, zu überprüfen, mögliche rechtliche Unsicherheiten, die sich möglicherweise aus unserer bremischen Landesverfassung ergeben, aus dem Wege zu räumen und mit der Unterschrift unter diesen Staatsvertrag auch ein entsprechendes politisches Zeichen im Land Bremen zu setzen. ­ Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) Vizepräsident Dr. Kuhn: Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Eckhoff.

Abg. Eckhoff (CDU): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich eigentlich fast nahtlos an die Worte des Kollegen Beckmeyer anschließen, der in kurzer, knapper Zeit im Endeffekt das zum Ausdruck gebracht hat, was, glaube ich, viele hier im Hause denken.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Übergriffe, die es in den letzten Wochen verstärkt gegeben hat, sind insgesamt zu verurteilen, auch wenn bei dem einen oder anderen Übergriff die Täterlage vielleicht noch nicht geklärt ist. Ich möchte sogar weiter gehen, wie wir es im Grundgesetz geschützt haben, egal, welchem Glauben man nachgeht, dieser Glaube muss durch den Staat gesichert sein, und man muss die Glaubensfreiheit schützen, egal, welche Glaubensrichtung es trifft. Da muss der Staat wachsam sein vor Extremisten, vor Gewalttätern aus jeder Richtung, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD) Mich haben die Aussagen des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden direkt im Anschluss an den Anschlag auf die Synagoge besorgt gemacht. Ich möchte an dieser Stelle ganz klar zum Ausdruck bringen, dass ich der festen Überzeugung bin, dass 99,9 Prozent der deutschen, der bremischen Bevölkerung der Überzeugung sind, dass dies hier in Deutschland, in unserem Land, in Bremen und Bremerhaven, der Platz ist, an dem man sicher leben kann. Ich möchte das auch insbesondere den Menschen jüdischen Glaubens an dieser Stelle zurufen.

Wir werden alles dafür tun, was wir mit unseren Mitteln machen können, um diese Glaubensrichtung entsprechend zu schützen, sehr geehrte Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Damit dies auch geschützt werden kann, und ich glaube, das ist das Zeichen, das wir auch mit der heutigen Debatte nach draußen senden müssen, muss die Zivilcourage wieder stärker in den Mittelpunkt dieser 99,9 Prozent der Bevölkerung rücken.

Wir müssen alle darauf achten, sehr geehrte Damen und Herren, dass es zu Übergriffen jeglicher Art, egal, wer davon betroffen ist, nicht kommen darf, dass wir aufmerksam sind, dass wir hinschauen, und wenn wir irgendetwas zur Kenntnis nehmen, das vielleicht nicht normal ist, dass wir dann möglichst schnell die Stellen rufen, wenn Zeit dazu ist, die zu rufen sind, oder notfalls auch selbst einschreiten. Ich weiß, dass das sehr schwer ist. Wenn man selbst in der Situation ist, weiß keiner von uns persönlich, wie er reagiert, aber wir müssen es uns vornehmen, weil wir alle gemeinsam den besten Schutz vor Übergriffen jeglicher Art gewährleisten können. Das ist mein Appell, den ich heute auch an die bremische Bevölkerung richten möchte, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich war froh darüber, dass viele Beteiligte so schnell reagiert haben. Der Besuch von Herrn Dr. Böse in der jüdischen Gemeinde wurde gerade von Herrn Dr. Güldner schon erwähnt, weitere Besuche folgen, beziehungsweise Termine sind verabredet.

Ich nehme die Anregung von Ihnen, Herr Dr. Güldner, auf, wir werden uns über den Punkt des Staatsvertrages, den Sie hier gerade angesprochen haben, noch einmal Gedanken machen, wie man dies langfristig absichern kann, weil das, glaube ich, auch in der heutigen Zeit ein Zeichen sein würde, das man vielleicht setzen muss.

Ich möchte eines noch sagen, und das bringt, glaube ich, im Endeffekt das auch zum Ausdruck, welchen Schutz insbesondere die jüdische Gemeinde verdient. Die Veränderungen im Leben der jüdischen Gemeinde hat Herr Dr. Güldner beschrieben.

Das ist ja bundesweit zu beobachten. Es ist auch wieder ein deutlicher Anstieg der Zahl der Mitglieder der jüdischen Gemeinden im ganzen Bundesgebiet in den letzten Jahren zu beobachten. Wir haben natürlich auch unseren geschichtlichen Hintergrund in dieser Frage. Da gab es einen Brief an Herrn Barsilay, das war eine kurze Karte, die diese Woche auch im Focus erwähnt war, mit dem Zitat: Das Schreckliche ist schnell vollbracht, die Wiedergutmachung aber ist ein langer Prozess. In dieser Wiedergutmachung, ob es die einen oder anderen akzeptieren, befinden wir uns nach wie vor. Umso mehr müssen wir darauf achten, dass diese Wiedergutmachung durch die wenigen extremen Täter, die es in unserer Gesellschaft gibt, nicht kaputtgemacht wird, auch da müssen wir wachsam sein.

Wir haben heute als demokratische Fraktionen dieses Hauses darauf reagiert und einen gemeinsamen Antrag eingebracht, das finde ich richtig und gut. Ich hoffe, dass dies ein kleiner Beitrag im Wiedergutmachungsprozess ist. ­ Vielen Dank, sehr geehrte Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Vizepräsident Dr. Kuhn: Das Wort hat der

Abg. Tittmann (DVU): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stelle mit allem Nachdruck fest, dass die Deutsche Volksunion seit ihrem Bestehen Ausländerfeindlichkeit, Extremismus und Gewalt rigoros ­ und nicht nur so wie Sie einseitig ­ verurteilt und demokratisch bekämpft hat. Der Bundesvorsitzende der Deutsche Volksunion, Herr Dr. Frey, hat schon immer, auch in der Nationalzeitung, die schändlichen Angriffe und Beschädigungen an Synagogen, an Moscheen, anderen Gotteshäusern und Schändungen jüdischer Friedhöfe sehr klar und deutlich unmissverständlich auf das Schärfste verurteilt, aber nicht nur immer dann, also quasi pro forma, wenn irgendwo angebliche Rechtsextremisten volksverhetzende Schmierereien geschmiert haben sollen. Eine Verurteilung, und hier kann man ja schon von einer Vorverurteilung sprechen, wenn das von den jüdischen Gemeinden vielleicht verlangt oder gefordert wird!

Meine Damen und Herren, Sie schreiben hier: gegen die Schmierereien rechtsextremistischer Täter am Geschwister-Scholl-Schulzentrum in Bremerhaven. Wer sagt Ihnen, dass das so genannte Rechtsextreme waren? Woher wissen Sie das? In keinem anderen Land werden rechte Patrioten so überwacht und so bespitzelt wie in Deutschland. Ich finde es da schon sehr bemerkenswert, dass Sie noch keinen ach so ersehnten Täter in Bezug auf den schrecklichen Anschlag in Düsseldorf ermitteln konnten. Irgendetwas stimmt hier nicht, in Düsseldorf und sonst irgendwo auch nicht. Ich kenne viele Fälle, aufgehetzt durch die Hysterie der Medien, wo sich Jugendliche ein Hakenkreuz eingeritzt haben, wo Agenten des Verfassungsschutzes Hakenkreuze oder Ähnliches geschmiert haben und andere Straftaten begangen haben, um es dann der demokratischen rechten DVU in die Schuhe zu schieben.

Sie sehen also, meine Damen und Herren, ein Hakenkreuz kann jeder schmieren, zumal es auch in Bremerhaven mehrere ausländische Gruppierungen gibt, die den jüdischen Mitbürgern nicht gerade wohlgesonnen sind. Demzufolge werden auch Anschläge auf Synagogen von Ausländern begangen, wie zum Beispiel am Rande einer Kundgebung gegen die Menschenrechtsverletzungen Israels in den Palästinensergebieten. Libanesische Demonstranten haben am Sonnabend und Sonntag die jüdische Gedenkstätte Alte Synagoge in Essen angegriffen. Die - Demonstranten deckten das Gebäude mit einem ungefähr auf 100 000 DM.

Ich frage Sie: Warum sollte der Vorfall in Essen der erste in dieser Art gewesen sein? Ist es nicht wahrscheinlich, dass auch die Übergriffe in Düsseldorf und Berlin Protestaktionen von Palästinensern waren? Ein solcher Schluss passt Ihnen aber nicht in das Konzept. Schließlich dienen die Synagogenangriffe als Aufhänger weiterer Repressionsmaßnahmen gegen nationale Deutsche.

Wenn Sie, meine Damen und Herren, am letzten Sonntag Spiegel-TV gesehen haben, konnten Sie hautnah als Zeitzeugen mitverfolgen, wie israelische Scharfschützen bewusst und vorsätzlich einen zwölfjährigen ­ gestern war es ein neunjähriger Junge ­ Jungen und dessen Vater eiskalt, skrupellos wie Hasen abgeknallt und ermordet haben. Das ist Fakt.

(Abg. Frau Linnert [Bündnis 90/Die Grünen]: Was hat das jetzt mit der Synagoge zu tun?) Doch, wenn wir über Gewalt reden, muss auch dies hier genannt werden! Das ist die gewalttätige israelische Politik gegenüber den Palästinensern im Nahen Osten. Wenn wir hier schon über Gewalt reden, muss diese Tatsache hier genannt werden. Wir müssen jegliche Gewalt verurteilen. Leider vermisse ich hier die tiefe Bestürzung und klare Verurteilung unseres Oberlehrers der Nation, Herrn Friedmann. Darum empfehle ich Herrn Friedmann und anderen, das tief greifende und interessante Buch des jüdischen und amerikanischen Professors Dr. Finkelstein Eine Nation auf dem Prüfstand und zum Beispiel auch die Holocaust-Industrie zu lesen und sich intensiv damit auseinander zu setzen.

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, glaube ich, dass in keinem anderen Land die jüdischen Bürger besser beschützt und geschützt werden als in Deutschland. Ich glaube, in keinem anderen Land erhalten die jüdischen Gemeinden mehr Geld und Zuwendungen als in Deutschland. Ich glaube, in keinem anderen Land werden die Forderungen jüdischer Gemeinden schneller und ergebener erfüllt als

Abschließend möchte ich noch einen toleranten Spruch von den Grünen loswerden: Wir alle sind Menschen, überall, egal, welcher Hautfarbe oder Nation!

(Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Das erste wahre Wort!)

Das ist ja völlig richtig, meine Damen und Herren.

Ich sage Ihnen als Demokrat (Abg. Pflugradt [CDU]: Ihre Rede belegt aber, dass Sie kein Demokrat sind!) im Namen der Deutschen Volksunion, kein Mensch hat das Recht, sich rassistisch über andere Menschen zu stellen und sie zu ermorden, auch nicht im Gazastreifen oder im Nahen Osten.