„Jagdforschung" - Windkraftanlagen und Niederwild

Vom Institut für Wildtierforschung an der Tierärztlichen Hochschule Hannover wurde über einen Zeitraum von drei Jahren, von April 1998 bis März 2001, ein möglicher Einfluss von Windkraftanlagen auf ausgewählte heimische Niederwildarten untersucht (Projekt „Windkraftanlagen", Raumnutzung ausgewählter heimischer Niederwildarten im Bereich von Windkraftanlagen, Abschlußbericht April 2001). Auftraggeber war die Landesjägerschaft Niedersachsen, gefördert wurde das Vorhaben mit Jagdforschungsmitteln des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Einem Bericht in der Tageszeitung vom 2. August 2001 zufolge betrugen die Kosten 250 000 DM. „Zielarten" der Studie waren Rehwild, Feldhase, Rotfuchs, Rebhuhn und Rabenkrähen.

Negative Auswirkungen der WKA auf die Tiere konnte die Untersuchung nicht nachweisen. Aufgrund der erhobenen Daten sei zu konstatieren, so die Studie, dass diese Wildarten „den Nahbereich der Windkraftanlagen nicht meiden". Das Wild scheine sich an das Vorhandensein und den Betrieb der WKA gewöhnen zu können (S. 94).

Laut Tageszeitung sei das Ergebnis nicht das, was der Auftraggeber erwartet hatte. Befürchtungen, die es bei den Jägern gegenüber Windkraftanlagen gebe, hätten sich „in erstaunlicher Weise nicht bewahrheitet", wird der Sprecher der Niedersächsischen Landesjägerschaft, Detlev Kraatz, zitiert.

Der Studie zufolge werfen die Untersuchungen neue Fragen auf und machen so den weiteren Forschungsbedarf auf diesem Gebiet deutlich. Das reicht von so genannten VorherNachher-Studien bis zur Erfassung von Bestandssituation und Raumnutzung von Rotwild und Waldvögeln. Weiterhin lassen „häufige Anfragen bezüglich einer potentiellen Einflussnahme der WKA auf domistizierte Arten wie Pferde, Schweine oder Hühner... Untersuchungen auch hier überlegenswert erscheinen" (S. 92).

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie beurteilt sie die Ergebnisse der oben zitierten Studie, und welche Folgerungen zieht sie daraus?

2. In welcher Hinsicht dient diese Studie der Förderung jagdlicher Zwecke, für die Mittel aus dem Aufkommen der Jagdabgabe verwendet werden können?

3. Was ist unter dem „Projekt Windkraftanlagen", das mit „Jagdforschungsmitteln" des NMELF gefördert wird, zu verstehen? Welche einzelnen Vorhaben, neben der hier zitierten Studie, umfasst das Projekt, welche weiteren Fragestellungen und Ziele werden damit verfolgt?

4. Wie teuer war die Studie, und zu welchem Anteil wurde sie vom NMELF finanziell gefördert?

5. Ist beabsichtigt, den in der Studie konstatierten weiteren Forschungsbedarf durch weitere Untersuchungen zu befriedigen und finanziell mit „Jagdforschungsmitteln", mit Mitteln aus dem Aufkommen der Jagdabgabe oder mit anderen Landesmitteln zu fördern?

6. Welche Projekte und Studien werden derzeit und wurden in den vergangenen zehn Jahren aus Mitteln der „Jagdforschung" gefördert? Bitte um Auflistung mit Angaben von Auftraggeber, Auftragnehmer, Untersuchungsgegenstand und -ziel sowie Kosten.

7. Ist es übliche Praxis, dass Verbände wie die Landesjägerschaft Niedersachsen Studien in Auftrag geben, die vom Land Niedersachsen finanziert werden?

8. Welche anderen Verbände, Berufsverbände, Standesorganisationen haben Forschungsprojekte in Auftrag gegeben, die direkt vom Land - sei es ganz oder teilweise - finanziert worden sind?

9. Welche anderen speziellen Forschungsmittel, vergleichbar den Mitteln für „Jagdforschung", stehen in anderen Einzelplänen des Landeshaushalts in welcher Höhe zur Verfügung? Gibt es neben den „Jagdforschungsmitteln" etwa auch „Mittelstandsforschungsmittel", „Kindertagesstättenforschungsmittel" oder „Straßenbauforschungsmittel", über deren Verwendung die einzelnen Ressorts freihändig entscheiden?

Die Kleine Anfrage beschäftigt sich mit der Jagdforschung. Für diesen Bereich werden ausweislich der Erläuterungen im Haushaltsplan zu Kapitel 10 02 Titel 685 62 jährlich rund 700 000 DM veranschlagt. Der Betrag ist ein Teil der sog. jagdfördernden Mittel, die gemäß § 22 (2) Nieders. Jagdgesetz (NJagdG) von den Personen aufgebracht werden, die einen Jagdschein erhalten. Die von den Jagdscheinbeziehern jährlich erhobene Abgabe wird dem Land ausschließlich zur Förderung jagdlicher Zwecke überlassen. Es handelt sich hierbei also nicht um ein Steueraufkommen, sondern um eine verfassungsrechtlich zulässige Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion für einen besonderen Zweck. Über die Verwendung dieser Mittel entscheidet nach Anhörung der anerkannten Landesjägerschaft das ML.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu 1: Die Projektstudie widerlegt im Grundsatz die vornehmlich aus Jägerkreisen vermuteten negativen Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Ökologie und den Bestand des im Umfeld vorkommenden Niederwildes. Neue Kenntnisse über Lebensraumnutzung, Aufenthaltspräferenzen, Entfernungstoleranzen, Beutegreiferaktivitäten (im Gebietsvergleich) wurden mit dieser Studie eindeutig erlangt und dargestellt. Es besteht insoweit kein konkreter Anlass, die Errichtung und den Betrieb dieser Anlagen zu negieren oder eventuelle Jagdwertminderungen geltend zu machen.

Zu 2: Die vorrangige Zielsetzung der Studie war, zu klären, ob Gebiete mit in Betrieb befindlichen Windkraftanlagen und auch besonders der unmittelbare Bereich um diese Anlagen vom Wild überhaupt noch als Lebensraum genutzt werden oder ob es zu Flächenmeidungen, Abwanderungen und Lebensraumverlust kommt. Die Untersuchung der möglichen Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die dem Jagdrecht unterliegenden Niederwildarten begründeten die Finanzierung aus der Jagdabgabe, um auf dieser Grundlage den Jagdwert der berührenden Flächen und ggf. Hegemaßnahmen nach § 1 Abs. 2 Bundesjagdgesetz beurteilen zu können.

Zu 3: Das Projekt „Windkraftanlagen" beinhaltet die Untersuchungen, wie sie im ersten Satz der Kleinen Anfrage zutreffend dargestellt sind. Der Abschlussbericht April 2001 liegt den Verfassern der Kleinen Anfrage vor. Darüber hinausgehende Vorhaben mit entsprechenden Fragestellungen oder Zielen werden nicht verfolgt.

Zu 4: Die Studie hat, verteilt über vier Haushaltsjahre, insgesamt 320 000 DM gekostet, wovon allein die Personalkosten der besonders personalintensiven Felduntersuchungen 72 % der Kosten ausmachte. Das Projekt wurde vollständig aus der Jagdabgabe finanziert.

Zu 5: Nein.

Zu 6: Im laufenden Haushaltsjahr werden neben dem o. a. Projekt aus den Mitteln der Jagdabgabe folgende Forschungsvorhaben vom ML gefördert: Auftragnehmer: Institut für Wildtierforschung an der TiHo Hannover Forschungsthema: Untersuchungen zum Wanderverhalten des Schwarzwildes in schweinepestgefährdeten Gebieten im östlichen Niedersachsen

- insbesondere zur Biologie und Ökologie einer Schwarzwildpopulation Kosten: 158 000 DM Auftragnehmer: Institut für Wildtierforschung an der TiHo Hannover Forschungsthema: Untersuchungen zum Prädationseinfluss - insbesondere durch Fuchs und Rabenkrähe - auf naturnahe Biotopinseln in Niedersachsen mit dem Birkwild als Indikatorart Kosten: 120 000 DM Auftragnehmer: Institut für Wildtierforschung an der TiHo Hannover Forschungsthema: Prädationseinfluss auf Beutetierpopulationen in der Kulturlandschaft in Niedersachsen Kosten: 70 000 DM Auftragnehmer: Institut für Wildbiologie und Jagdkunde der UNI Göttingen Forschungsthema: Erarbeitung jagdlicher Konzepte - insbesondere Jagdbetriebplanung für den Bereich Solling unter Berücksichtigung waldbaulicher Zielsetzungen und wildbiologischer Voraussetzungen Kosten: 49 000 DM

Die Förderung der Jagdforschung in den zurückliegenden Jahren erfolgte in vergleichbarem Rahmen wie 2001. Eine detaillierte Auflistung hierzu wäre zu aufwändig und umfangreich. Nach § 22 (2) des neuen NJagdG wird die oberste Jagdbehörde künftig jährlich einen Bericht über die Verwendung der Jagdabgabe veröffentlichen, aus dem auch die Themen und Kosten für die Jagdforschung zu entnehmen sind.

Zu 7: Nein. In Einzelfällen ist es jedoch sinnvoll, eine Studie über die Interessenvertretung der Jäger in Auftrag zu geben, wenn die private Jägerschaft durch Befragungen oder Mitarbeit einbezogen werden soll. In diesen Fällen ist es wichtig, dass die Landesjägerschaft über ihre landesweiten Unterorganisationen die örtlich ansässigen Jäger über das Forschungsprojekt aufklärt und zur Mitarbeit motiviert.

Zu 8: Keine.

Zu 9: Entsprechend den Einlassungen in der Vorbemerkung gibt es - vergleichbar den Mitteln für Jagdforschung, die aus der Jagdabgabe finanziert werden - in anderen Einzelplänen keine speziellen Forschungsmittel. Die von den Fragestellern vermuteten „Mittelstandsforschungsmittel", „Kindertagesstättenforschungsmittel" oder „Straßenbauforschungsmittel" gibt es nicht.

Allgemeine Forschungsmittel sind jedoch z. B. in den veranschlagten Zuführungen an die Hochschulen enthalten. Diese Ansätze sind im Einzelplan 06 unter Kapitel 06 08 TGr. 71

- Erhaltung und Förderung der Lehre und Forschung - sowie den Titelgruppen 73 und 74 und im Kapitel 06 09 veranschlagt.

Auch im Einzelplan 09 gibt es Ansätze für Auftragsforschung, Untersuchungen und Versuche, insbesondere im Hinblick auf eine umwelt- und ressourcenschonende Produktion u. a. (siehe Erläuterungen zu Kapitel 09 03 Titel 538 71 und 09 40 TGr. 63).

Darüber hinaus gibt es Forschungsprojekte, welche das Land selbst realisiert oder sich an der Realisierung beteiligt, sofern entsprechende Drittmittel eingeworben werden können.

In diesen Fällen sind korrespondierende Einnahme- und Ausgabetitelgruppen ausgebracht, die eine geordnete Bewirtschaftung der zweckgebundenen Drittmittel ermöglichen (siehe z. B. Kapitel 15 03 Titelgruppe 75).