Elternschaft für hörgeschädigte Kinder

Die Elternschaft für hörgeschädigte Kinder fürchtet um die weitere hörgeschädigtenspezifische und fachpädagogische Betreuung behinderter Kinder in Niedersachsen. Anlass dafür sind Forderungen des Landesrechnungshofes, die Leistungen der vier Landesbildungszentren in Braunschweig, Hildesheim, Oldenburg und Osnabrück einzuschränken.

Dies steht in eklatantem Widerspruch zur Chancengleichheit. Besonders betroffen würden die Kinder sein, die im Säuglingsalter mit einem CI (Cochlear-Implantat) versorgt wurden. Sie würden um ihre Chance, in die hörende Gesellschaft eingegliedert zu werden, betrogen.

Schon vor Monaten hat das Sozialministerium festgelegt, dass ab sofort im Kindergarten nicht mehr eine Erzieherin für vier behinderte Kinder verantwortlich ist, sondern eine Erzieherin sich jetzt um fünf Hörgeschädigte kümmern muss.

Sobald hörgeschädigte Kinder Schulkinder werden, möchten die Eltern frei entscheiden können, ob die Kinder eine Hörgeschädigtenschule oder eine Regelschule besuchen sollen. Deshalb müssen Hörgeschädigtenschulen mit der Möglichkeit aller Abschlüsse bis zum Realschulabschluss für Gehörlose und Schwerhörige bestehen bleiben.

Nicht nur in der Hausfrühförderung und im Kindergarten, auch in der Schule müssen ausgebildete Fachpädagogen für Gehörlosen- und Schwerhörigenpädagogik zur Verfügung stehen. Überlegungen, weniger qualifiziertes Personal zu beschäftigen, sind ebenfalls als behindertenfeindlich abzulehnen.

Wir fragen deshalb die Landesregierung:

1. Steht sie zu der vom Ministerpräsidenten den Eltern hörgeschädigter Kinder gegenüber gemachten Aussage, dass entgegen den Forderungen des Landesrechnungshofes alle vier Landesbildungszentren für Hörgeschädigte in Niedersachsen mit den Standorten Braunschweig, Hildesheim, Oldenburg und Osnabrück bestehen bleiben?

2. Beabsichtigt sie, die Arbeit der Beratungsstellen (pädagogische Audiologie für Elternberatung, Früherziehung, Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf in Hörgeschädigtenschulen und Integration) an den Landesbildungszentren einzuschränken? Wenn ja, in welcher Form?

3. Hält sie an ihren Plänen fest, die bislang durch den Einsatz eines Hörgeschädigtenpädagogen (Fachbereichsleitung Kindergartenarbeit und -pädagogik) gewährleistete hörgeschädigtenspezifische Kindergartenpädagogik und Elternbetreuung gegen den Willen der betroffenen Eltern z. B. im LBZH Oldenburg abzuschaffen?

4. Hat sie Vorschläge von der LBZH eingeholt, ob andere A-14-Stellen eventuell eher entbehrlich sind als die Stelle „Kinderarbeit und -pädagogik"?

5. Beabsichtigt sie die Abschaffung des Aufbaustudiums zur Ausbildung von Gehörlosen- und Schwerhörigenlehrern?

6. Wenn ja, ist dann die zukünftige Lehrerversorgung der Landesbildungszentren durch Einrichtung eines Ausbildungsseminars für grundständig ausgebildete Lehramtsanwärter in Niedersachsen gesichert?

7. Wird die Landesregierung auch bei eventueller Umstrukturierung der Lehrereinstellung für die Landesbildungszentren garantieren, dass ausnahmslos ausgebildete Fachpädagogen (sonderpädagogische Fachrichtungen Gehörlosen- und Schwerhörigenpädagogik) in den Schulen für Gehörlose und Schwerhörige in den Landesbildungszentren eingesetzt werden?

8. Wie viele Kinder - gestaffelt nach Alter - wurden bisher in Niedersachsen mit einem CI versorgt?

9. Wie viele der mit CI versorgten Kinder haben eine „hörende" Entwicklung, und wie viele können sich nur bilingual verständigen (gestaffelt nach Alter)?

10. Hält die Landesregierung an ihren Plänen fest, bereits ab 2002 Schülerinnen und Schüler der Schulen für Gehörlose (Gehörlose und mehrfach behinderte Hörgeschädigte) im Bereich der Sekundarstufe I trotz dann zusätzlich erforderlicher Internatsunterbringung und wesentlich längerer Beförderungswege nur noch an zwei Standorten zu beschulen?

11. Werden durch die zum Ausgleich der Schülerzahlen notwendigen Änderungen der Einzugsbereiche ebenfalls zusätzliche Internatsunterbringungen für schwerhörige Schüler erforderlich?

12. Sind die Elternvertretungen der Landesbildungszentren mit diesen Maßnahmen einverstanden?

13. Wird die Landesregierung sich dem vom Landesrechnungshof unterbreiteten Vorschlag, „Höchstaufnahmezahlen" für die Landesbildungszentren einzuführen, widersetzen?

14. Sieht sie in diesem Vorschlag auch die Chancengleichheit für Behinderte gefährdet?

15. Sieht sie auch einen dringenden Handlungsbedarf, Regelschulen, die hörgeschädigte Schüler aufnehmen, sächlich (schalldämmende Baumaßnahmen, Übertragungstechnik) und personell (kleinere Klassenfrequenzen, Einsatz von Hörgeschädigtenpädagogen) besser zu stellen?

Wenn ja, wann können die Eltern mit einer besseren Situation rechnen?

16. Beabsichtigt sie, Eltern hörgeschädigter Kinder zu zwingen, ihre Kinder integrativ in Regelschulen und nicht in den Landesbildungszentren beschulen zu lassen?

17. Wird der Elternwunsch, aber auch Kinderwunsch, in einem Landesbildungszentrum beschult zu werden, weiterhin respektiert werden?

18. Wird die Landesregierung der Forderung des Landesrechnungshofes folgen und Kindern mit auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (zentralen Hörstörungen) die Aufnahme in den Landesbildungszentren verwehren?

19. Sieht sie auch die Notwendigkeit, das sonderpädagogische Gesamtkonzept für die Landesbildungszentren in der Hand eines hauptverantwortlichen Leiters zu belassen?

20. Sieht sie auch die Gefahr, dass bei Trennung der Aufgaben von sozialen und schulischen Bereichen Pädagogik und Verantwortlichkeit unnötig leiden und den Eltern der behinderten Kinder ein gesamtverantwortlicher Gesprächspartner fehlt?

21. Hat sie bereits Pläne entwickelt, die Liegenschaften zukünftig zu schließen oder Landesbildungszentren oder Teile dieser Liegenschaften anderen Verwendungen zuzuführen?

22. Ist vorgesehen, Versorgungsleistungen für die Kinder (Küchenbetriebe) oder Einrichtungen wie Sport- und Schwimmhallen anderen Verwendungen zuzuführen?

23. Ist die Landesregierung tatsächlich der Meinung, durch Verpachtungen oder Vermietungen Kosten einsparen zu können?

Der Nieders. Landesrechnungshof hat in seiner Mitteilung über die Querschnittsprüfung der Landesbildungszentren vom 26.11.1999 umfassende Vorschläge zur organisatorischen und personellen Umstrukturierung der vier Landesbildungszentren für Hörgeschädigte (LBZH) unterbreitet, um eine größere Wirtschaftlichkeit dieser landeseigenen Einrichtungen zu erreichen. Bei der Prüfung der Vorschläge hat die Landesregierung zu allererst die Belange der hörgeschädigten Kinder und Jugendlichen im Blick gehabt mit dem Ziel, die bewährten Förder- und Bildungsangebote der LBZH zu erhalten und möglichst zu verbessern. Sie hat sich vor allem von dem Grundsatz leiten lassen, dass sich notwendige organisatorische und personelle Veränderungen in den LBZH nicht zulasten der in diesen Einrichtungen geförderten behinderten Kinder und Jugendlichen auswirken dürfen.

Dies schließt nicht aus, dass die LBZH alle Möglichkeiten nutzen müssen, ihren Betrieb wirtschaftlich zu gestalten. Soweit die Kosten sozialer Einrichtungen in den LBZH vom Land als überörtlichem Träger der Sozialhilfe aufgebracht werden, können für deren Leistungen grundsätzlich keine höheren Entgelte gezahlt werden, als sie Trägern der Freien Wohlfahrtspflege für vergleichbare Angebote zugebilligt werden. Das gilt z. B. für die Leistungsentgelte der Sonderkindergärten für Hörgeschädigte, deren Höhe wesentlich von der Anzahl und der Einstufung des dort beschäftigten Personals bestimmt wird.

Die Landesregierung ist den Anregungen und Vorschlägen des Landesrechnungshofs nur teilweise gefolgt. Insbesondere hat sie sich entschieden, dass eine Konzentration der jetzt bestehenden vier Landesbildungszentren für Hörgeschädigte auf zwei Standorte und die Verlagerung von Aufgaben dieser sozialen Einrichtungen auf andere Träger nicht in Betracht kommt.

Das Aufgabenspektrum der LBZH wird auch künftig Hausfrühförderung, Sonderkindergärten, Schulen für Gehörlose und Schwerhörige sowie - wie bisher an zwei Standorten Berufsschulen und berufliche Ausbildung umfassen. Die Befürchtungen der Elternschaft hörgeschädigter Kinder im Hinblick auf mögliche Einschränkungen der hörgeschädigtenspezifischen und fachpädagogischen Betreuung sind demnach unbegründet.

Auch die mit einem CI (Cochlear-Implantat) versorgten Kinder haben damit weiterhin die Möglichkeit, in den vier LBZH gefördert und beschult zu werden.

Die Haltung der Landesregierung wurde den Elternvertretungen mehrfach in persönlichen Gesprächen, zuletzt am 19.10.2001 anlässlich des Besuchs von Frau Ministerin Dr. Trauernicht im LBZH Hildesheim, erläutert.

Dies vorausgeschickt, beantwortet die Landesregierung die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu 1: Ja.

Zu 2: Nein.

Die Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf für hörgeschädigte Kinder ist Aufgabe der Schulbehörden. Sie kann hierzu fachliche Stellungnahmen der LBZ einholen.