Überhangstunden

Der Einsatz von Überhangstunden ist zweckwidrig, soweit diese nicht ausschließlich für unterrichtliche Zwecke genutzt werden. Dem Argument, dass die Überhangstunden jedenfalls für pädagogisch nützliche Zwecke verwendet werden, ist nämlich entgegenzuhalten, dass deren tatsächliche Verwendung teilweise der Verpflichtung widerspricht, die Arbeitszeit der Lehrkräfte für Unterricht einzusetzen. Außerdem werden die Verlässlichen Grundschulen insoweit ungleich behandelt, als die Überhangstunden mehr oder minder zufällig und nicht gleichmäßig an den einzelnen Schulen anfallen. Dies hängt insbesondere davon ab, in welchem Umfang Teilzeitkräfte eingesetzt werden.

Überhangstunden sind unwirtschaftlich, weil sie zur Umsetzung des Systems der Verlässlichen Grundschule nicht erforderlich sind. Nach den im Februar 2000 getroffenen Feststellungen des LRH ergaben sich unter der Annahme der flächendeckenden Einführung der Verlässlichen Grundschulen ca. 6 000 Überhangstunden. Dies entspricht einem Finanzvolumen von etwa 14,5 Millionen Euro. Nach den eigenen Angaben des Kultusministeriums lag die Zahl der Überhangstunden zum Beginn des folgenden Schuljahres sogar bei 7 860 Stunden. Dies entspricht einem Finanzvolumen von 19,1 Millionen Euro.

Etwa ein Drittel der Überhangstunden fällt im Rahmen der freiwilligen und verpflichtenden Arbeitszeitkonten im Sinne der §§ 5 und 6 ArbZVO-Lehr an. Nach diesen Regelungen erbringen die Lehrkräfte über ihre Regelstundenverpflichtung hinaus zusätzliche Unterrichtsstunden, die ihnen nicht vergütet, sondern lediglich auf einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben und in einer späteren Phase wieder ausgeglichen werden.

Dieser Anteil der Überhangstunden belastet das Land doppelt: Einerseits können die Stunden nicht zur Erteilung von Pflichtstunden und damit entgegen der Intention der Arbeitszeitverordnung nicht zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung eingesetzt werden. Andererseits werden die angesparten Stunden den Lehrkräften als Arbeitszeit gutgeschrieben und in einer späteren Phase wieder ausgeglichen. Damit stehen sie auch in der Abbauphase nicht mehr zur Sicherstellung der Unterrichtsversorgung zur Verfügung.

Es ist deshalb vordringlich geboten, solche Lehrkräfte von den Regelungen über die verpflichtenden und freiwilligen Arbeitszeitkonten auszunehmen, die ausschließlich an einer Verlässlichen Grundschule mit einer Regelstundenverpflichtung von mehr als 26 Unterrichtsstunden eingesetzt sind.

Um den darüber hinausgehenden Anteil an Überhangstunden zukünftig zu vermeiden, sollte durch eine Veränderung der konzeptionellen Vorgaben der Verlässlichen Grundschule angestrebt werden, die von den Lehrkräften zu erbringenden Unterrichtsstunden ausschließlich zur Erfüllung des Pflichtstundenunterrichts einzusetzen.

Dies setzt insgesamt flexiblere Möglichkeiten des Lehrkräfteeinsatzes im System der Verlässlichen Grundschule voraus. Beispielsweise könnte den einzelnen Schulen ein zeitversetzter Unterrichtsbeginn sowie ein zeitversetztes Unterrichtsende ermöglicht werden. Um verlässliche Anfangszeiten zu gewährleisten, müssten die Schülerinnen und Schüler allerdings bis zum Beginn des zeitversetzten Unterrichts betreut werden. Dadurch ergäbe sich insgesamt eine längere Zeitspanne, innerhalb derer die Lehrerstunden für den Pflichtunterricht eingesetzt werden könnten. Lehrkräfte könnten dann in dem Umfang frei werdender Überhangstunden an andere Schulen abgeordnet werden. Es sollte ferner angestrebt werden, zukünftig mehr teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte in den Verlässlichen Grundschulen einzusetzen. § 4 Abs. 2 ArbZVO-Lehr bietet weitere Möglichkeiten, die Unterrichtungsverpflichtung flexibel festzusetzen.

Vgl. § 4 Abs. 1 ArbZVO-Lehr.

Parlamentarische Antwort des Kultusministeriums, Stenografischer Bericht 14/99 S. 9892 (Anlage 29). Stundenrahmenverträge

Die Vertretungslehrkräfte an Verlässlichen Grundschulen werden im Rahmen befristeter Beschäftigungsverhältnisse u. a. auch in Form von Stundenrahmenverträgen eingestellt. Sie begründen die Verpflichtung, die vereinbarten Stundendeputate innerhalb der Vertragslaufzeit zu erbringen.

Die Schulen können jedoch u. a. mangels geeigneter Datengrundlagen die Anzahl und den Umfang der notwendigen Stundenrahmenverträge mit Vertretungslehrkräften oftmals nur grob schätzen. Dies führt häufig zu überhöhten Stundendeputaten mit der Folge, dass ein Teil der Vertretungsstunden nicht ausgeschöpft oder nicht bestimmungsgemäß verwendet wird.

Würdigung

Den Schulen sollte vorgegeben werden, Stundenrahmenverträge zukünftig nicht von vornherein mit der höchstmöglichen Stundenzahl abzuschließen, sondern in Höhe der Stundenzahl, die erfahrungsgemäß tatsächlich in Anspruch genommen wird. Darüber hinaus sollte die vom Kultusministerium96 bereits vorgeschlagene „Poolbildung von Vertretungskräften" intensiviert werden, um einen flexibleren Einsatz von Vertretungskräften zu gewährleisten.

Finanzielle Beteiligung der Eltern an Betreuungskosten

Die Teilnahme der Schülerinnen und Schüler des ersten und zweiten Schuljahrgangs am täglich einstündigen Betreuungsangebot der Verlässlichen Grundschule ist für die Eltern kostenlos.

Die Schule übernimmt damit - außerhalb des eigentlichen Bildungsauftrags nach § 2 NSchG eine zusätzliche Aufgabe, die primär den Eltern im Rahmen der elterlichen Sorge und im Übrigen den Gemeinden als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft zuzurechnen ist. Die Eltern, die dieses Angebot nach eigenem Entschluss in Anspruch nehmen, werden dadurch entlastet.

Unter diesem Aspekt sowie unter Berücksichtigung zunehmend knapper werdender Haushaltsmittel ist es daher zu vertreten, die Eltern angemessen an den Kosten zu beteiligen. Dies würde auch der Intention des Angebots nicht entgegenstehen, insbesondere dem kinderbetreuenden Elternteil die Aufnahme einer beruflicher Tätigkeit dadurch zu erleichtern, dass eine Betreuung zu festen Zeiten gewährleistet wird.

Bei einer - eher symbolischen - Kostenbeteiligung der Eltern von lediglich 1 Euro pro Betreuungsstunde97 ergäbe sich bei einer flächendeckenden Einführung der Verlässlichen Grundschule für das Schuljahr 2004/200598 ein Finanzvolumen von immerhin gut 12 Millionen Euro. Beteiligung des Landtages Modellversuch

Die Umwandlung der bestehenden Grundschulen in Verlässliche Grundschulen wird seit 1999 im Rahmen eines Schulversuchs nach § 22 NSchG durchgeführt.

Es ist jedoch sehr zweifelhaft, ob es sich überhaupt um einen Schulversuch handelt. Es mangelt nicht nur an der gesetzlich vorgesehenen Dokumentation und Auswertung des Versuchs.

Insbesondere dürfte es von vornherein an der Absicht gefehlt haben, das Modell ergebnisoffen zu erproben.

Niedersachsen macht Schule - Hinweise zur Durchführung des Schulversuchs, Kultusministerium, Hannover, Juni 2000, S. 8.

Bei der Berechnung wird pro Schulhalbjahr von 18 Schulwochen zu je fünf Schultagen und einem täglichen Betreuungsangebot von einer Stunde ausgegangen.

353 000 Schüler/innen in Verlässlichen Grundschulen, einstündige Betreuung in 36 Schulwochen mit jeweils fünf Schultagen.

353 000 x Beteiligungsgrad von 19 v. H. x 180 Betreuungsstunden zu je 1 Euro = 12 072 600 Euro.

Vgl. Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes vom 25.04.2002 - 5265 -.

Vielmehr hat die Landesregierung schon mit der Einführung des Schulversuchs die Umwandlung aller Grundschulen in einem vorgegebenen Zeitrahmen angestrebt. Bereits zu Beginn des Schuljahres 2001/2002 waren annähernd 60 v. H. der Grundschulen „verlässlich". Der verbleibende Anteil der Grundschulen soll zum folgenden Schuljahr folgen. Im Ergebnis schafft die Schulverwaltung dadurch vollendete Tatsachen.

Zur Erforderlichkeit eines Gesetzgebungsverfahrens

Deshalb stellt sich die Frage, ob nicht die Entscheidung für die Einführung der Verlässlichen Grundschule vom Landtag als Regelung des Schulgesetzes hätte getroffen werden sollen. Der LRH lässt dahingestellt, ob es sich hierbei um eine Entscheidung handelt, die nach der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts dem Parlament vorbehalten ist. Für die Befassung des Schulgesetzgebers mit der Entscheidung über die Einführung der Verlässlichen Grundschule spricht jedenfalls, dass sie schulfachliche Entscheidungen des Gesetzgebers berührt und über das einzelne Haushaltsjahr hinaus auf Dauer erhebliche finanzielle Folgelasten nach sich zieht:

Die Volle Halbtagsschule, die durch die Einführung der Verlässlichen Grundschule seit 1999 faktisch verdrängt wird, war nämlich im Schulgesetz bis zu dessen Änderung vom 25.06. vorgesehen. Weiterhin wird den Grundschulen mit der Betreuung auf Dauer eine zusätzliche Aufgabe auferlegt, die über den in § 2 NSchG geregelten Bildungsauftrag hinausgeht. Damit hat die Exekutive zugleich auch den künftigen Haushaltsgesetzgeber faktisch gebunden. Die Verlässliche Grundschule ist außerdem mit zusätzlichem Unterricht durch die Einführung einer Fremdsprache verbunden. Diese Maßnahme ist nicht nur von grundsätzlicher pädagogischer Bedeutung, sie präjudiziert ebenfalls zusätzlichen Bedarf an Lehrkräften und bindet damit den Haushaltsgesetzgeber. In die gleiche Richtung wirkt die Vertretungsreserve, die den Verlässlichen Grundschulen vorbehalten ist.

Letztlich handelt es sich bei der Einführung der Verlässlichen Grundschule um eine das Schulwesen betreffende Grundsatzentscheidung. Diese kann in ihrer vollen Bedeutung und ihren gesamten Auswirkungen nur in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren einschließlich einer Gesetzesfolgenabschätzung angemessen erfasst und gewürdigt werden. Es wird deshalb der erforderlichen Willensbildung des Landtages nicht gerecht, seine Entscheidung auf die finanzpolitische Maßnahme zu reduzieren, im Rahmen der Jahreshaushalte ggf. erforderliche zusätzliche Haushaltsmittel bereitzustellen.

Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr Einzelplan 08

27. Ungelöste Probleme beim Versuch einer Neuordnung der Wirtschaftsförderung in Niedersachsen

Die Wirtschaftsförderung in Niedersachsen weist in konzeptioneller Hinsicht Mängel auf. Eine organisatorische Neuordnung durch Errichtung einer Investitions- und Förderbank ist als Einzelmaßnahme allein nicht geeignet, die Effizienz der Wirtschaftsförderung zu verbessern. Vielmehr müssen auch die materiellen Schwachstellen

- insbesondere Unübersichtlichkeit der Förderprogramme, fehlende konkrete Förderziele und Erfolgskontrollen sowie Mittelverteilung nach dem Gießkannenprinzip - beseitigt werden.