eJustice - Sicherer elektronischer Rechtsverkehr für eine moderne und bürgernahe Justiz

Der Landtag begrüßt, dass die Landesregierung eJustice, den elektronischen Rechtsverkehr, im Bereich der Familiensachen - insbesondere also in Scheidungs- und Verbundverfahren - erprobt.

Mit diesem Projekt erfolgt ein wichtiger Schritt zur Einführung von E-Government in Niedersachsen.

Der Landtag unterstützt das Vorhaben der Landesregierung, eJustice vom Jahr 2005 an nach und nach, zunächst bei den niedersächsischen Amtsgerichten und dann bei allen niedersächsischen Gerichten und Staatsanwaltschaften, einzuführen.

Der Landtag ist der Auffassung, dass der Gewährleistung einer rechtssicheren und vertraulichen Kommunikation beim elektronischen Rechtsverkehr im Interesse der rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürger, der Anwaltschaft und nicht zuletzt der Justiz selbst größte Bedeutung zukommt.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

­ dafür Sorge zu tragen, dass die Beschäftigten der Gerichte frühzeitig und umfassend in den Reformprozess eingebunden werden und ihre berechtigten Belange angemessene Berücksichtigung finden,

­ die Beschäftigten durch Weiterbildungsangebote rechtzeitig auf den Umgang mit dem elektronischen Rechtsverkehr vorzubereiten,

­ im Rahmen der Erprobung von eJustice dafür Sorge zu tragen, dass elektronische Dokumente mittels einer geeigneten digitalen Signatur rechtlich verbindlich, nachweisbar und fälschungssicher übermittelt werden,

­ die Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation durch eine geeignete Verschlüsselung der bei Gericht ein- und ausgehenden Nachrichten zu gewährleisten,

­ sicherzustellen, dass bei der zur Ermöglichung des elektronischen Rechtsverkehrs erforderlichen Öffnung der Gerichte Datenspionage oder sonstige unbefugte Zugriffe auf Daten ausgeschlossen werden,

­ bei der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs auf eine landes- und bundesweite Kompatibilität zu achten, damit insbesondere Anwälte nicht für jedes Rechtsgebiet und jede Justizverwaltung eine andere Software einsetzen müssen und die Kommunikation der Gerichte untereinander gewährleistet ist.

Schließlich fordert der Landtag die Landesregierung auf, dem Landtag über die Ergebnisse der Erprobung des elektronischen Rechtsverkehrs zu berichten.

Die für das Projekt zur Erprobung des elektronischen Rechtsverkehrs in Familiensachen verantwortliche Projektgruppe wird in Zusammenarbeit mit dem MJ die Beschäftigten der Gerichte frühzeitig und umfassend in den Reformprozess einbinden und ihre berechtigten Belange angemessen berücksichtigen. Zur Erreichung einer solchen Einbindung sind bisher sowohl die Richter- und Personalvertretungen als auch die Beschäftigten des Pilotgerichtes umfassend informiert worden.

Innerhalb der Projektorganisation ist neben einem Lenkungskreis ein Beirat konstituiert worden, dem neben weiteren Mitgliedern Vertreterinnen und Vertreter des Hauptrichterrates der ordentlichen Gerichtsbarkeit, des Hauptpersonalrates beim MJ, der Rechtsanwalts- und Notarkammern der Oberlandesgerichtsbezirke Celle, Oldenburg und Braunschweig und des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger angehören. Sowohl in der konstituierenden Beiratssitzung vom 20.09.2002 als auch in der weiteren Beiratssitzung vom 28.03.2003 ist dem Beirat durch die Projektgruppe umfassend über den Stand des Projekts berichtet worden. Die Projektgruppe ist jederzeit bestrebt, Wünsche oder Anregungen des Beirates für das Projekt im Rahmen der Vorhabensbeschreibung und aller sonstigen zwischen den Vertragspartnern vereinbarten Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. In der Beiratssitzung vom 28.03.2003 ist den Mitgliedern der gegenwärtige Stand der technischen und organisatorischen Entwicklung des Pilotprojekts ebenso erläutert worden wie die in Aussicht genommene Weiterentwicklung.

Den Beschäftigten des für den Pilotbetrieb ausgewählten Amtsgerichts Westerstede ist von der Projektgruppe vor Ort das technische und organisatorische Konzept vorgestellt worden. Allen von dem Pilotverfahren betroffenen Beschäftigten ist die Möglichkeit gegeben worden, sich anhand eines Versuchsaufbaus über die praktische Handhabe des elektronischen Rechtsverkehrs am Arbeitsplatz zu informieren.

Spätestens ab Beginn des Jahres 2004 sollen umfangreiche Informationsveranstaltungen auf der Ebene aller Landgerichte stattfinden. Nach der bereits begonnenen Konzeption soll auch hier eine Vorstellung und Erläuterung der technischen Umsetzung des elektronischen Rechtsverkehrs in Familiensachen sowie eine praktische Vorführung der Technik erfolgen. Zu diesen Veranstaltungen sollen die unmittelbar vom familiengerichtlichen Verfahren betroffenen Beschäftigten der Amtsgerichte ebenso gebeten werden wie die örtlichen Richter- und Personalvertretungen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Berufsverbände.

Die Projektgruppe hat zunächst den vom Pilotbetrieb unmittelbar betroffenen Beschäftigten angeboten, eine gezielte, für die Bearbeitung von Rechtssachen im elektronischen Rechtsverkehr nötige Weiterbildung durchzuführen. Ein flächendeckendes Angebot zur Weiterbildung der erst im Rahmen einer Flächenausdehnung betroffenen Beschäftigten erscheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfrüht, da erst der Pilotbetrieb zuverlässig Auskunft darüber geben wird, in welchem Umfange und in welcher zeitlichen Reihenfolge die Ausdehnung erfolgen kann und welches Ausmaß der Schulungsbedarf voraussichtlich erreichen wird.

Es wird dafür Sorge getragen, dass im Rahmen der Erprobung von eJustice elektronische Dokumente mittels einer geeigneten digitalen Signatur rechtlich verbindlich, nachweisbar und fälschungssicher übermittelt werden. Elektronische Schriftstücke, die den Formvorschriften genügen müssen, sind qualifiziert zu signieren (Dokumentensignatur). Das Feinkonzept des Projekts wird daneben Sicherheitsaspekte für die Übermittlung selbst berücksichtigen. Für den Transport der elektronischen Dokumente ist zusätzlich eine Transportsignatur und eine Transportverschlüsselung nach einem vorgegebenen Standard vorgesehen. Aufseiten der Justiz sollen der Versand und der Empfang digitaler Sendungen über eine zentrale elektronische Poststelle abgewickelt werden.

Nach dem unmittelbar vor dem Abschluss stehenden Feinkonzept ist eine weitreichende Automation bei der Weiterverarbeitung der Dokumente nach deren Eingang vorgesehen, wozu auch die Überprüfung der Transportsignaturen, der Dokumentensignaturen und eine Virenprüfung gehören.

Für die Dokumentensignatur kommen Zertifikate auf Signatur-Chipkarten zum Einsatz. Für die Erstellung der qualifizierten Signatur im Gericht gibt es prinzipiell eine zentrale Möglichkeit unter Einsatz eines Signaturservers und eine dezentrale Möglichkeit der Signaturerstellung am individuellen Arbeitsplatz. Für das Pilotprojekt wurde die Integration eines Signaturservers zunächst zurückgestellt. In den ersten Phasen des Pilotprojekts wird die dezentrale Möglichkeit der individuellen Signaturerstellung am Arbeitsplatz eingesetzt. Die Signaturerstellung in der Serviceeinheit erfolgt daher auch dort ausschließlich am jeweiligen Arbeitsplatz unter Verwendung der persönlichen Signatur-Chipkarte. Sie erfolgt stets persönlich von der jeweiligen Inhaberin oder vom jeweiligen Inhaber der Signatur-Chipkarte unter Einsatz von Signaturanwendungskomponenten nach dem Signaturgesetz vom 16.05.2001 (BGBl. I S. 876). Von Vorteil ist in diesem Zusammenhang, dass die Signaturkarten (SignaturCard Niedersachsen) bereits in großer Stückzahl aus dem P 53 Projekt verfügbar sind und aus diesem Grunde auch weiter benutzt werden sollen.

Für die Erstellung qualifizierter Dokumentensignaturen werden die Grundanforderungen nach den organisatorisch-technischen Leitlinien für den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften (OT-Leit-ERV) und dem Signaturgesetz beachtet. Es werden nur sicherheitsbestätigte Signaturanwendungskomponenten oder Signaturanwendungskomponenten mit Herstellererklärung verwendet. Für den Dokumentenaustausch zwischen externen Beteiligten und dem Gericht werden qualifizierte Signaturen vorgeschrieben. Innerhalb des Gerichts werden nach Maßgabe des Referentenentwurfs des Justizkommunikationsgesetzes neben qualifizierten Signaturen auch „einfachere Signaturen" nebst Unterschriftsleistungen ermöglicht.

Gleichzeitig sollen im elektronischen Rechtsverkehr nach den Vorgaben der OT-Leit-ERV nur sichere Dateiformate zum Einsatz kommen. Mindestens für die erste Stufe des Pilotprojekts wird ein bestimmtes Dateiformat (PDF-Format) als allein zulässiges Dokumentenformat für Schriftstücke festgelegt.

Die Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation ist durch die vorgenannte standardisierte Verschlüsselungs- und Signaturtechnik gewährleistet. Die Vertraulichkeit ist auch insoweit gewährleistet, als es externen Verfahrensbeteiligten ermöglicht werden soll, unter bestimmten Voraussetzungen Zugang zur elektronischen Akte zu erhalten. Verfahrensbeteiligte sollen Informationen über den aktuellen Verfahrensstand von laufenden Gerichtsverfahren, an denen sie selbst beteiligt sind, abrufen können, soweit ihnen ein Einsichtsrecht zusteht. In der ersten Phase des Pilotprojekts wird ein Verfahrensstandsabruf als automatisierter E-Mail-Abruf umgesetzt (Eingang einer qualifiziert signierten Abrufdatei, Rücksendung eines den Verfahrensstand angebenden elektronischen Dokuments). In der zweiten Phase des Pilotprojekts soll diese Abrufmöglichkeit auch als web-basierte (sicherer Austausch auf Web-Basis nach dem OSCI-Standard) Sendung zur Verfügung stehen. Die Verfahrensstandinformationen sind nach gegenwärtigem Stand der Projektentwicklung vor unautorisiertem Zugriff geschützt.

Für die Führung elektronischer Akten und deren Speicherung werden die datenschutzrechtlichen Vorgaben Beachtung finden. Nach Abschluss des gegenwärtig laufenden Laborbetriebes im Justizschulungszentrum in Wildeshausen und vor Beginn der Erprobung im Echtbetrieb beim Pilotgericht soll in Abstimmung mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz eine datenschutzrechtliche Analyse der vorzunehmenden Geschäftsprozesse durchgeführt werden.

Eine übergreifende Kompatibilität für den Zugang zum elektronischen Rechtsverkehr soll durch die OT-Leit-ERV erreicht werden. Ein in diesen Leitlinien integriertes Ziel ist es, eine möglichst weitgehende Einheitlichkeit der organisatorisch-technischen Vorgaben unabhängig von dem jeweils betroffenen Rechtsgebiet und von der in der jeweiligen Justizverwaltung eingesetzten Automation zu erlangen. Weitere Zielsetzung ist, verlässliche, transparente und produktunabhängige Standards für die Dokumentenstrukturen und die Kommunikation der Verfahrensbeteiligten und Justizbehörden zu schaffen. Die OT-Leit-ERV werden diesen Zielsetzungen gerecht. Durch technische Rahmenprogramme für den elektronischen Rechtsverkehr (Anlage zur OT-Leit-ERV) werden für Medien und Formate sowie für die Authentisierung und Verschlüsselung Vorgaben gemacht. Die OT-Leit-ERV und die technischen Rahmenvorgaben werden durch die Bund-LänderKommission fortgeschrieben, insbesondere unter Berücksichtigung praktischer Erfahrungen aus den Pilotprojekten und im Hinblick auf die sich ändernden technischen Bedingungen. Insoweit ist es erforderlich, die OT-Leit-ERV sowie die technischen Rahmenvorgaben zur Grundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs zu machen. Für den Pilotbetrieb beim Amtsgericht Westerstede wird es notwendig sein, eine weitere Einengung der technischen Vorgaben vorzunehmen, um die Erprobung des technischen Betriebes zu erleichtern. Damit ist eine vollständige Kompatibilität einzelner Pilotbetriebe untereinander zwar zunächst nicht gewährleistet, zur Erreichung einer Vereinheitlichung in einer späteren Flächenausdehnung jedoch auch nicht erforderlich.

Sowohl mit Vertreterinnen und Vertretern der Anwaltschaft als auch mit denen der Hersteller für „Anwalts-Software" sind Gespräche geführt worden, um justizseitig die für eine Anbindung an den elektronischen Rechtsverkehr nötigen technischen Anforderungen zu schaffen. Auf diese WeiNiedersächsischer Landtag ­ 15. Wahlperiode Drucksache 15/192 se soll erreicht werden, dass Anwältinnen und Anwälte, die bereits mit einer auf elektronischer Basis gestützten Bürokommunikation arbeiten, auf für sie zugängliche Schnittstellen zugreifen können.

Über konkrete praktische Ergebnisse der Erprobung des elektronischen Rechtsverkehrs kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht berichtet werden. In einer Laborumgebung im Justizschulungszentrum in Wildeshausen werden gegenwärtig noch einzelne technische Lösungen erprobt.

Parallel hierzu erfolgt kontinuierlich eine Abstimmung innerhalb der Projektgruppe, insbesondere mit dem für die Realisierung der Außenkommunikation des elektronischen Rechtsverkehrs zuständigen strategischen Partner. Mit konkreten Ergebnissen der Erprobung wird nicht vor Beginn des Echtbetriebes beim Amtsgericht Westerstede, und damit nicht vor Ende des Jahres 2003, gerechnet.