Regelanfrage beim Verfassungsschutz vor der Einbürgerung von Ausländern

Der niedersächsische Innenminister Schünemann beabsichtigt, eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz vor der Einbürgerung von Ausländern per Erlass zu regeln. Der Innenminister geht dabei davon aus, dass eine Regelanfrage bislang nur bei 25 sog. Schurkenstaaten und der Türkei der Fall ist. Er will mit der Regelanfrage die Erteilung der deutschen Staatsangehörigkeit bei islamistischen Extremisten verhindern.

Schon jetzt werden Einbürgerungen verzögert, weil in zahlreichen Verfahren in den niedersächsischen Kommunen erst Anfragen beim Verfassungsschutz gestellt werden. Darüber hinaus hat sich die Bearbeitungszeit bei Einbürgerungsverfahren aus personellen und bürokratischen Gründen mittlerweile in vielen Gemeinden schon auf bis zu zwei Jahren verlängert.

Die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeitsrecht sehen solche Regelanfragen nicht vor - den Ländern ist es freigestellt, ob sie bei den Verfassungsschutzämtern Auskünfte einholen lassen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Über Angehörige welcher Staaten werden in Niedersachsen derzeit bei den Einbürgerungsverfahren keine Anfragen beim Verfassungsschutz gestellt?

2. Wie viele Anfragen beim Verfassungsschutzamt wurden in der Vergangenheit seit 1998 in Einbürgerungsverfahren gestellt (bitte nach den einzelnen Jahren, nach den Herkunftsstaaten getrennt aufführen)?

3. Welche Auskünfte über Einbürgerungsbewerberinnen und -bewerber werden - in der Regel oder im Einzelfall - vom Verfassungsschutz eingeholt?

4. In wie vielen Fällen wurden in der Vergangenheit als Folge von Anfragen - in der Regel oder im Einzelfall - Einbürgerungsanträge nicht genehmigt?

5. Wie lange ist die Bearbeitungszeit einer Regelanfrage beim Amt für Verfassungsschutz?

6. Wie viele Mitarbeiter sind beim Amt für Verfassungsschutz mit der Bearbeitung von Anfragen bzw. Regelanfragen beschäftigt?

7. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass sich durch eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz die schon sehr lange Bearbeitungszeit bei Einbürgerungsverfahren nicht noch um ein Vielfaches verlängert?

Nach § 85 Nr. 2 Ausländergesetz (AuslG) entfällt ein Anspruch auf Einbürgerung, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass die Einbürgerungsbewerberin oder der Einbürgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder unterstützt, die

­ gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind,

­ eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder

­ durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.

Für Einbürgerungen auf der Grundlage des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) gelten diese Grundsätze im Wege der Ermessensbindung durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht des Bundes (VwV-StAR) entsprechend.

Nähere Regelungen, in welcher Weise diese Einbürgerungsvoraussetzungen zu prüfen sind, enthalten die bundesrechtlichen Vorgaben nicht. Der Gesetzesvollzug liegt insoweit in Länderverantwortung. Die Verfahrensweise der niedersächsischen Einbürgerungsbehörden zu Anfragen an das Niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz (NLfV) ist in der zurückliegenden Zeit mehrfach an die sich verändernde Einschätzung des Gefährdungspotenzials angepasst worden.

Bis zu den Terroranschlägen des 11. September 2001 in New York waren Anfragen vorgesehen, wenn dazu nach Auswertung von Ausländerakten und sonstigen Unterlagen (z. B. Asylanerkennungsverfahren) konkreter Anlass bestand. Kurzfristig nach den Terroranschlägen des 11. September 2001, die im Übrigen auch dem Gesetzgeber Anlass zu Verschärfungen des Ausländerund Einbürgerungsrechts mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 09.01.2002 gegeben haben, ist mit Erlass des Innenministeriums vom 08.10.2001 eine Regelanfrage für Angehörige bestimmter, vorwiegend islamistisch geprägter Staaten insbes. des Nahen und Mittleren Ostens und Nordafrikas eingeführt worden, die zumindest im Verdacht einer Duldung terroristischer Aktivitäten stehen. Diese Liste so genannter Problemstaaten ist mit weiterem Erlass vom 18.03.2003 an eine erst später vom Bundesministerium des Innern in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt getroffene Festlegung von Staaten, deren Angehörige im Rahmen des Ausländerrechts einer sicherheitsmäßigen Überprüfungen vor der Visa-Erteilung zu unterziehen sind, ersetzt und zudem um die Türkei ergänzt worden). Seit dem 13.05.2003 ist die Einschränkung auf bestimmte Staaten aufgehoben worden.

Die Verwendung der Bezeichnung „Schurkenstaaten" für alle in den vorgenannten Listen aufgeführten Staaten, wie es auch in der hier vorliegenden Kleinen Anfrage zum Ausdruck kommt, bedarf eines klärenden Hinweises. Diese Bezeichnung entspringt dem Sprachgebrauch der Sicherheits- und Außenpolitik der USA; sie mag zwar auf einige der in den vorgenannten Listen aufgeführten Staaten zutreffen, sollte jedoch keinesfalls in der vorgenommenen Weise verallgemeinert werden.

Die Angaben unterliegen der Vertraulichkeit i. S. d. Verschlusssachenanweisung, eine namentliche Wiedergabe der Staaten unterbleibt daher.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage des Abg. Dr. Lennartz vom 30.04. namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Siehe Vorbemerkungen.

Zu 2: Eine Zuordnung der Einzelfälle nach Herkunftsstaaten ist nicht möglich, da inzwischen ein Teil der Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen gelöscht worden ist und in den verbleibenden Fällen eine nachträgliche Auswertung nur mit einem unvertretbar hohen Aufwand möglich wäre.

Zu 3: Das NLfV stützt seine Auskünfte auf bereits den Verfassungsschutzbehörden zur Verfügung stehende Informationen.

Zu 4: Die Ablehnung von Einbürgerungsanträgen wird in der amtlichen Statistik nach § 36 StAG nicht erfasst. Eine aus konkretem Anlass vorgenommene Überprüfung der Vorgänge im Jahr 2002, in denen die Verfassungsschutzbehörde Anhaltspunkte für eine extremistische oder terroristische Betätigung benannt hatte, hat ergeben, dass fünf Anträge nach der gebotenen Anhörung zurückgezogen wurden und bisher in 14 Fällen Anträge abgelehnt worden sind, von denen drei bereits Bestandskraft erlangt haben.

Zu 5: Das NLfV beantwortet Anfragen der Einbürgerungsbehörden in den Negativfällen (Erkenntnisse liegen nicht vor) grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen. Soweit Erkenntnisse auszuwerten sind, verlängert sich die Bearbeitungszeit im Durchschnitt auf ca. sechs bis acht Wochen.

Zu 6: Das NLfV hat für die Bearbeitung der Regelanfragen mit Negativauskünften nach der erforderlichen Personalverstärkung inzwischen vier Stellen besetzt. Für die Auswertung der Positivfälle stehen zwei weitere Stellen zur Verfügung.

Zu 7: Im Zuge der Antragsprüfung sind neben der Anfrage an das NLfV weitere Anfragen an andere Dienststellen und Behörden zu richten, die üblicherweise parallel eingeleitet werden. Anfragen an das NLfV führen daher regelmäßig nicht oder allenfalls in Einzelfällen zu Verfahrensverzögerungen, keineswegs aber zu einer Verlängerung der Einbürgerungserfahren um ein „Vielfaches" wie in der Anfrage unterstellt. Im Übrigen hat die Landesregierung durch innerorganisatorische Maßnahmen die notwendigen Vorkehrungen getroffen, die eine zügige Bearbeitung der Anfragen durch das NLfV gewährleisten (vgl. Antwort zu 5).

Für die angesprochenen „langen Bearbeitungszeiten" bei Einbürgerungsverfahren ist entgegen der Annahme des Anfragenden nicht die Antragsprüfung und -bearbeitung durch die Einbürgerungsbehörden ursächlich. Dies ist vielmehr Folge der oftmals langwierigen Verfahren der Behörden der Herkunftsländer, um die Aufgabe oder den Verlust der ausländische Staatsangehörigkeit als Voraussetzung für eine Einbürgerung zu bewirken.