Nachmeldung von FFH-Gebieten

Deutschland ist mit der Umsetzung der FFH-Richtlinie in starkem Verzug. Da bei den gemeinschaftlichen Bewertungstreffen im Jahr 2002 erhebliche Defizite in der deutschen Meldung festgestellt wurden, muss Deutschland - und damit die Bundesländer - weitere Gebiete auswählen und der EU-Kommission melden. EU-Kommissarin Wallström wies in einem Schreiben vom April 2003 darauf hin, dass verschiedene deutsche Länder mit erheblichen Anteilen naturschutzfachlich wertvoller Flächen in Bezug auf den Anteil der Landesfläche noch nicht einmal den niedrigen deutschen Durchschnitt erreichen. Dabei wird neben anderen Bundesländern Niedersachsen mit seinem Anteil von 6 % explizit genannt.

Niedersachsen ist daher aufgefordert, seine Gebietsmeldung zu erweitern. Mit der zweiten Gebietsmeldung von Ende 1999 waren dem Bundesumweltministerium 88 Vorschläge zur Meldung an die EU-Kommission übermittelt worden. Schon zu diesem Zeitpunkt war deutlich, dass die Meldung des Landes erhebliche Lücken in Bezug auf wichtige Lebensraumtypen und Arten aufweist. Das Bundesamt für Naturschutz hat die in den EU-Seminaren benannten Defizite zusammengefasst und dabei festgestellt, dass mehrere Lebensraumtypen und Arten in der niedersächsischen Meldung überhaupt nicht berücksichtigt sind, z. B. der Lebensraumtyp 9190 (Alte bodensaure Eichenwälder), oder nur in zu geringem Umfang wie z. B. Hainsimsenbuchenwälder (Lebensraumtyp 9110).

Es sind sowohl Gebietserweiterungen als auch Neubenennungen von Gebieten erforderlich, um den in der FFH-Richtlinie formulierten Zielsetzungen, ein kohärentes Schutzgebietsnetz Natura 2000 zu errichten, gerecht zu werden. Am 29. April 2003 teilte das Niedersächsische Umweltministerium über die Presse mit, dass Niedersachsen die Liste seiner FFH-Gebiete überprüfen werde. Bis heute ist nicht erkennbar, mit welchen Schwerpunkten und in welchem Umfang die zusätzliche Gebietsmeldung in Angriff genommen wird. Laut Zeitplan soll jedoch die Meldung der Bundesregierung an die EU-Kommission noch zum Jahresende erfolgen, damit das drohende Bußgeld für Deutschland abgewendet werden kann.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. In welchem Umfang werden bei der niedersächsischen Nachmeldung bisher fehlende Lebensraumtypen und Arten berücksichtigt werden?

2. Wie wird die Landesregierung sicherstellen, dass mindestens die zehn besten Gebiete pro Lebensraumtyp und Art in der Meldung berücksichtigt werden?

3. Wann werden die entsprechenden Gebietsvorschläge und Gebietserweiterungen der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben werden?

4. In welcher Weise werden im Vorfeld der neuen Meldung die Naturschutzverbände, die auch selbst Vorschläge erarbeitet haben, an diesem Verfahren beteiligt?

5. Wann wird das niedersächsische Auswahlverfahren abgeschlossen sein, um die Meldung an das Bundesumweltministerium weiterzugeben?

Im Rahmen der Umsetzung der FFH-Richtlinie ist Niedersachsen wie alle anderen Bundesländer verpflichtet, der Europäischen Kommission eine repräsentative Liste von FFH-Gebietsvorschlägen zu melden. Niedersachsen hatte der Europäischen Kommission in zwei Tranchen bisher 172 FFHGebietsvorschläge über das Bundesumweltministerium gemeldet.

Auf Grund der Ergebnisse der auf EU-Ebene unter Beteiligung der Mitgliedstaaten im Jahre 2002 durchgeführten wissenschaftlichen FFH-Seminare hat die Niedersächsische Landesregierung mit Beschluss vom 29. April 2003 das Niedersächsische Umweltministerium beauftragt, die Seminarprotokolle der Europäischen Kommission auf Handlungsbedarf des Landes zur Meldung weiterer FFH-Gebietsvorschläge auszuwerten.

Im Mai 2003 hat das Niedersächsische Umweltministerium das Niedersächsische Landesamt für Ökologie beauftragt, die Auswertung der o. g. Protokolle vorzunehmen und Vorschläge zur Beseitigung vorhandener Defizite zu erarbeiten. Diese Arbeiten wurden inzwischen abgeschlossen und führten zu einer Darstellung von Kernflächen auf einer Übersichtskarte im Maßstab 1 : 500 000, die die Grundlage für die detaillierte Abgrenzung weiterer FFH-Gebietsvorschläge sein werden.

Die detailgenauen Abgrenzungen der für eine Nachmeldung geeigneten Vorschläge werden erst nach dem mit der Europäischen Kommission im November 2003 geplanten bilateralen Gespräch erarbeitet.

Die Europäische Kommission ist daran interessiert, im geplanten bilateralen Gespräch mit den Ländern zu erfahren, welche Wege Deutschland beschreiten will, um die von der EU angemahnten Defizite bei bestimmten Lebensraumtypen des Anhangs I bzw. Arten des Anhangs II der FFHRichtlinie zu beseitigen.

Im bilateralen Gespräch mit der Kommission wird es jedoch keine Diskussion über die Größe und Abgrenzung einzelner Gebiete geben. Niedersachsen wird daher allgemein informieren, in welcher räumlichen Verteilung und in welcher Größenordnung und welchem Inventar an Lebensraumtypen und Arten Gebiete für eine Nachmeldung infrage kommen. Ziel des bilateralen Gesprächs ist die Zustimmung der Kommission zur Grundlinie der niedersächsischen Vorgehensweise und zur Gesamtbilanz der Auswahl, verbunden mit der Zusage, dass damit die Verpflichtungen des Landes zur Meldung von FFH-Gebietsvorschlägen abschließend erfüllt werden können.

Die angestrebte Zustimmung der Kommission legt weder den genauen Zuschnitt von Gebieten noch die endgültige Gebietsliste fest. Dies bleibt einer Entscheidung der Landesregierung über die Nachmeldeliste vorbehalten.

Änderungen des beim bilateralen Gespräch im November 2003 vorzulegenden Nachmeldekonzepts wären aus der Sicht der Kommission auch nach ihrer Zustimmung noch möglich. Abstriche an einer Stelle müssten dann allerdings an geeigneter anderer Stelle gleichwertig kompensiert werden, so dass sich das Konzept qualitativ und quantitativ nicht verschlechtert.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

1. Der für Niedersachsen festgestellte Nachbesserungsbedarf wird im erforderlichen Umfang abgearbeitet.

2. Es ist zur Beseitigung vorhandener Meldedefizite nicht zweckmäßig und seitens der Europäischen Kommission auch nicht gefordert, mindestens die zehn besten Gebiete pro Lebensraumtyp und Art in der Meldung zu berücksichtigen. Zur Erfüllung der Vorschriften der FFH-Richtlinie ist vielmehr erforderlich, eine differenzierte Bewertung der FFHLebensraumtypen und -arten nach Repräsentanzkriterien unter Zugrundelegung des jeweiligen Gesamtbestands und seiner räumlichen Verteilung vorzunehmen.

3. Es ist beabsichtigt, nach dem bilateralen Gespräch mit der Europäischen Kommission detaillierte Gebietsabgrenzungen und -beschreibungen zu erarbeiten, die ca. Anfang 2004 in ein öffentliches Beteiligungsverfahren eingebracht werden.

4. Im Juli und August 2003 hat das Umweltministerium mehrere Informationsgespräche mit den Unternehmerverbänden, den Kommunalen Spitzenverbänden, dem Niedersächsischen Landvolk und den anerkannten Naturschutzverbänden über den jeweiligen Sachstand geführt.

5. Die Entscheidung der Landesregierung über die Liste der nachzumeldenden Gebiete ist für Mitte 2004 vorgesehen. Nach dem zwischen Bund und Ländern vereinbarten und mit der Kommission abgestimmten Zeitplan wird Deutschland voraussichtlich gegen Ende 2004 die vollständigen Nachträge seiner FFH-Meldeliste der Europäischen Kommission vorlegen.