Rettungsgebühren im Landkreis Verden

Der Landkreis Verden hat den Krankenkassen für den Rettungsdienst für dieses Jahr eine Kostensteigerung von 17 % in Rechnung gestellt. Die Krankenkassen haben diese Kostensteigerung nicht akzeptiert und die Schiedsstelle angerufen. Nachdem die Verhandlungen über die Rettungsgebühren zwischen Krankenkassen und dem Landkreis Verden gescheitert sind, müssen die Versicherten die erhöhten Rettungsgebühren zunächst aus eigener Tasche bezahlen und die Rechnungen dann zur Erstattung an ihre Krankenkasse einreichen. Dieses Verfahren ist für die Versicherten umständlich und widerspricht dem gesetzlich vorgeschriebenen Sachleistungsprinzip.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie bewertet sie das Scheitern der Verhandlungen zwischen Krankenkassen und dem Landkreis Verden über Rettungsgebühren?

2. Welche Maßnahmen wird sie ergreifen, um dem gesetzlich vorgeschriebenen Sachleistungsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung auch im Landkreis Verden Geltung zu verschaffen?

3. Aus welchen anderen Landkreisen und kreisfreien Städten Niedersachsens sind der Landesregierung Preissteigerungen für den Rettungsdienst bekannt, die über die durchschnittliche Steigerungsrate der beitragspflichtigen Entgelte hinausgehen?

4. Wie bewertet die Landesregierung angesichts dieser Preissteigerungen die Wirtschaftlichkeit des Rettungsdienstes in Niedersachsen?

5. Welche Position nimmt die Landesregierung zu Forderungen der Krankenkassenverbände ein, das im Rettungsdienst geltende Selbstkostendeckungsprinzip - wie bereits in allen anderen Leistungsbereichen der Krankenversicherung geschehen - durch leistungsgerechte Entgelte zu ersetzen?

6. Wann wird die Landesregierung dem Landtag die im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte Novellierung des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes vorlegen?

7. In welchen Bereichen des Rettungsdienstgesetzes sieht die Landesregierung Handlungsbedarf?

Der bodengebundene Rettungsdienst wird von den Kommunen im eigenen Wirkungskreis durchgeführt, d. h. die Organisation des Rettungsdienstes und die Verantwortlichkeit für dessen Ablauf liegen in vollem Umfang dort. Ein Tätigwerden der Landesregierung erfolgt lediglich im Wege der

Kommunalaufsicht. Die Kommunalaufsicht ist eine Rechtsaufsicht, die gesetzlich gebotenes Handeln der Gemeinden und Landkreise sichert und deren erlaubtes Handeln im Rahmen der Gesetze unbeeinflusst lässt. Nur wenn Maßnahmen das Gesetz verletzten, kann die Kommunalaufsichtsbehörde diese beanstanden (§130 NGO/§ 72 NLO). Eine Gesetzesverletzung ist in dem der Anfrage zugrundegelegten Fall nicht erkennbar.

Der Landkreis Verden strebt entsprechend den Bestimmungen des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes (NRettDG) eine Vereinbarung über die notwendigen Entgelte mit den Kostenträgern an. Die Verhandlungen gestalten sich angesichts des enormen Kostendrucks im gesamten Gesundheitssystem schwierig. Der Landkreis geht von einer Kostensteigerung von insgesamt ca. 4 % gegenüber den Vorjahreskosten aus. Die in der Anfrage genannte Kostensteigerung von 17 % bezieht sich lediglich auf den Teilbereich Notarztvergütung, nicht aber auf den gesamten Rettungsdienst.

Die Verhandlungen sind bisher weder gescheitert noch haben die Kostenträger die Schiedsstelle angerufen.

Da die letzte Entgeltvereinbarung zum 30.06.2003 ausgelaufen ist, werden die im Rettungsdienst anfallenden Kosten seit dem 01.07.2003 per Gebührenbescheid unmittelbar denjenigen in Rechnung gestellt, die Leistungen des Rettungsdienstes in Anspruch genommen haben. Die betroffenen Personen erhalten seitens ihrer Krankenkassen eine Erstattung der Kosten. Dieses Verfahren ist in § 16 NRettDG in Abweichung von den generellen Bestimmungen des Sozialgesetzbuches V (SGB V - § 2 Abs. 2) zum Sachleistungsprinzip vorgesehen, um eine Begleichung der anfallenden Kosten auch während der Verhandlungsphase sicherzustellen und kann praktiziert werden, solange die angestrebte Vereinbarung nicht zustande gekommen ist.

Dies vorangestellt, beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu 1: Entfällt; siehe Vorbemerkung.

Zu 2: Ein Eingreifen der Landesregierung ist - wie oben ausgeführt - nicht erforderlich.

Zu 3: Aus der Mehrzahl der Landkreise sind der Landesregierung die Eckdaten der Entgeltvereinbarungen oder Entgeltverhandlungen bekannt.

Die Kostenentwicklung in den Rettungsdienstbereichen ist sehr heterogen. Kostensteigerungen, die unterschiedlich hoch über der üblichen Steigerungsrate liegen, sind ebenso häufig zu verzeichnen wie durchaus übliche Erhöhungen; in einigen Rettungsdienstbereichen ist die Kostenentwicklung rückläufig. Die Gründe dafür liegen u. a. auch in der unzureichenden Vorhersagbarkeit sowohl der Anzahl der Rettungseinsätze als auch deren personellen und sächlichen Anforderungen.

Zu 4: Rettungsdienst wird als Leistung der Gefahrenabwehr und der Daseinsvorsorge für die Einwohner Niedersachsens vorgehalten und durchgeführt. Seine Bewertung erfolgt vorrangig nach seiner Versorgungssicherheit und flächendeckenden Verlässlichkeit.

Wirtschaftlichkeitserwägungen können angesichts der zu schützenden Güter Leben und Gesundheit nicht die gleiche Priorität einnehmen. Gleichwohl sind alle an der Durchführung des Rettungsdienstes Beteiligten zu wirtschaftlichem Handeln angehalten.

Die Sicherstellung des Rettungsdienstes kann es daher erfordern, unvermeidbare Preissteigerungen, die über den üblichen Steigerungssätzen im Gesundheitswesen liegen, hinzunehmen.

Zu 5: Das in § 14 Abs. 1 NRettDG verankerte Kostendeckungsprinzip ist in engem Zusammenhang mit dem beschriebenen Charakter der Leistung Rettungsdienst zu betrachten. Es hat sich insoweit bewährt, als dass niemandem notwendige Rettungsdienstleistungen deshalb vorenthalten worden wäNiedersächsischer Landtag ­ 15. Wahlperiode Drucksache 15/446 ren, weil es an finanziellen Mitteln mangelte. Gleichwohl kann sich auch das Rettungswesen nicht vor den Forderungen nach Kostenminimierung und Erbringen von Einsparungen verschließen.

Leistungsgerechte Entgelte und Kostendeckungsprinzip müssen sich nicht zwangsläufig widersprechen.

Die Landesregierung prüft daher, wie diese beiden Grundsätze besser in Einklang gebracht werden können.

Zu 6: Der Koalitionsvertrag zwischen den „Regierungparteien" enthält keinen Passus, der eine Novellierung des NRettDG in Aussicht stellt.

Zu 8: Die Landesregierung ist mit allen am Rettungsdienst Beteiligten in einen Erfahrungs- und Gedankenaustausch getreten, um den Bedarf an Änderungen im NRettDG festzustellen.

Am 29.08.2003 hat das Ministerium für Inneres und Sport eine Veranstaltung ausgerichtet, bei der Aufgabenträger, Leistungserbringer und Kostenträger die Gelegenheit hatten, Kritik, Vorschläge und Anregungen zu äußern.

Die Landesregierung wertet zurzeit das Ergebnis dieser Veranstaltung aus.