Am Sonntag dem 2 November 2003 wurde in Osterode Harz ein neuer hauptamtlicher Bürgermeister gewählt

7. Abgeordneter Ingolf Viereck (SPD) Neuer Stil der Landesregierung - Wahlkampf in Polizeidienststellen?

Am Sonntag, dem 2. November 2003, wurde in Osterode (Harz) ein neuer hauptamtlicher Bürgermeister gewählt. Für die CDU kandidierte - erfolglos - Frank Seeringer, Ehemann der CDU-Landtagsabgeordneten Regina Seeringer. Wenige Tage zuvor, am Montag, dem 27. Oktober, hat Innenminister Schünemann (CDU) ausweislich Seite 1 des Harzkuriers vom darauf folgenden Tage die Polizeiinspektion Osterode besucht. Auf Seite 2 des Harzkuriers wird wörtlich wie folgt von diesem Besuch berichtet: „(Der Leiter des Zentralen Kriminaldienstes) erläuterte dem Minister, Regina und Frank Seeringer sowie dem CDU-Stadtverbandsvorsitzenden Jochen Freckmann vor einer größeren Anzahl von Kollegen die Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich die Arbeit im Kreis vollzieht."

Diese offene Wahlhilfe für den CDU-Bürgermeisterkandidaten Frank Seeringer durch den niedersächsischen CDU-Innenminister in Dienstgebäuden des Landes verwundert bereits deshalb, weil ein Kabinettsbeschluss, der noch aus Zeiten der Albrecht-Regierung stammt und der stets beachtet worden ist, Landesbehörden ausdrücklich untersagt, in den Wochen vor einer Wahl Kandidatenbesuche zu empfangen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Kennt der Innenminister diesen Kabinettsbeschluss, und fühlt er sich durch ihn gebunden?

2. Würde der geschilderte Vorgang nach Auffassung der Landesregierung einen Wahlanfechtungsgrund darstellen, wenn der CDU-Kandidat die Bürgermeisterwahl in Osterode gewonnen hätte (bitte begründen)?

3. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus diesem Vorfall, und wie wird sie dafür Sorge tragen, dass sich derartige Vorfälle nicht wiederholen?

8. Abgeordneter Andreas Meihsies (GRÜNE) Rentenversicherung für Strafgefangene

Während Strafgefangene, die im geschlossenen Vollzug beschäftigt sind, keine Rentenansprüche erwerben können, sind Strafgefangene, die im so genannten offenen Vollzug einer Beschäftigung nachgehen, partiell Nichtinhaftierten gleichgestellt und rentenversichert. Eine bundesgesetzliche Regelung, die zur Einbeziehung aller Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung führen müsste, scheitert bisher am Widerstand der Länder. Dies hat der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vor dem Hintergrund zahlreicher Eingaben jüngst wieder bedauernd festgestellt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Hält sie die Ungleichbehandlung Strafgefangener beim Erwerb rentenrechtlicher Ansprüche nach wie vor für gerechtfertigt?

2. Wird sie ihren Widerstand gegen eine zukünftige bundeseinheitliche Regelung zur Einbeziehung aller Strafgefangenen in die Rentenversicherung aufgeben?

3. Welche Folgen hat die bisherige zweigeteilte Rechtssituation für die „rentenversicherungsrechtliche Biografie" der Betroffenen im Alter?

9. Abgeordneter Dieter Möhrmann (SPD) Umsetzung der Polizeireform im Landkreis Soltau-Fallingbostel

Nach Meldungen in der Presse und Verlautbarungen der Landesregierung soll es zukünftig statt 47 nur noch 22 Polizeiinspektionen geben. Gleichzeitig sollen bisherige Polizeikommissariate ohne „Rund-um-die-Uhr-Dienst" abgestuft werden.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welche konkreten Wirkungen bezogen auf die einzelnen Städte und Gemeinden im Landkreis Soltau-Fallingbostel hat die Veränderung hinsichtlich der Standorte der Polizeiinspektion und der einzelnen Kommissariate und in personeller und dienstrechtlicher Hinsicht sowie auf die tatsächlich zur Verfügung stehenden Polizistinnen und Polizisten?

2. Wie werden sich durch die Veränderung die Bewertungen der Stellen an den einzelnen Standorten entwickeln (Ist-Zustand und neuer angestrebter Zustand mit Stellenzahl und Bewertung)?

3. Welche Kommunen in Niedersachsen zwischen 17 000 und 20 000 Einwohnern verfügen über einen „Rund-um-die-Uhr-Dienst" bei der Polizei, welche nicht, und für welche Standorte ist eine Veränderung in einen solchen Dienst nach den Planungen in dieser Legislaturperiode mit welcher Begründung vorgesehen?

10. Abgeordneter Enno Hagenah (GRÜNE) A 38 (Göttingen - Halle): Unzureichende Rechtsgrundlagen für Planfeststellungsverfahren in Niedersachen?

Die Bürgerinitiative Leinebergland Süd e. V. macht in einer Pressemitteilung vom 19. November 2003 auf die nach ihrer Ansicht rechtswidrige Praxis in Niedersachsen bei der Erteilung von Planfeststellungsbeschlüssen aufmerksam. Bei der Überprüfung der Rechtslage in Bezug auf den Planfeststellungsbeschluss zur A 38 (Göttingen - Halle) auf niedersächsischem Gebiet hat die Kanzlei Hesse & Kollegen festgestellt, dass dem Land Niedersachsen offenbar seit dem Jahr 1986 die Rechtsgrundlagen für Planfeststellungsverfahren nach dem Bundesfernstraßengesetz fehlen.

Nach dem Bundesfernstraßengesetz (FStrG) erfolgt die Planfeststellung von Bundesfernstraßen durch die oberste Landesstraßenbaubehörde. Die oberste Landesstraßenbaubehörde kann diese Aufgabe jedoch auf nachgeordnete Behörden übertragen. Eine Übertragung auf die Bezirksregierungen hat das Land Niedersachsen im Jahre 1986 unter dem damaligen Minister Walter Hirche durch einen Runderlass geregelt. Während andere Bundesländer eine solche Übertragung durch ein Gesetz oder eine Rechtsverordnung geregelt haben, hat das Land Niedersachsen mit dem Runderlass eine untergesetzliche Regelung gewählt, die u. a. bei Planfeststellungsverfahren keine ausreichende Rechtssicherheit gewährleistet. Für den Bau der A 38 hat das Land Niedersachsen in der Zwischenzeit Aufträge in Millionenhöhe vergeben. Die Bürgerinitiative vermutet, dass im letzten halben Jahr etwa 30 Mio. Euro bei der A 38 illegal verbaut wurden. Nach Auffassung der Kanzlei Hesse & Kollegen wird sich die untergesetzliche Regelung außerdem negativ für das Land Niedersachsen hinsichtlich des vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängigen BaustoppAntrags auswirken.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wann beabsichtigt sie, den Runderlass durch eine Rechtsvorschrift zu ersetzen?

2. Wie beurteilt sie die Auffassung, dass sich die fehlende Rechtssicherheit negativ für das Land Niedersachsen hinsichtlich des vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängigen Baustopp-Antrags auswirken wird?

3. Beabsichtigt sie einen freiwilligen Baustopp an der A 38 bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage?

11. Abgeordnete Georgia Langhans (GRÜNE) Kürzung der Zuschüsse an Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen für Homosexuelle um 50 %

Mit der finanziellen Förderung von Selbsthilfegruppen Homosexueller unterstützt das Land Niedersachsen eine große Anzahl kleiner Initiativen in Niedersachsen, die sich gegen die Ausgrenzung Homosexueller einsetzen und Beratung und Unterstützung auf ehrenamtlicher Grundlage anbieten. Die Landesmittel werden dazu eingesetzt, für dieses ehrenamtliche Engagement die Voraussetzungen zu schaffen durch Qualifizierungsangebote und die Beschaffung von Arbeitsmitteln. Darüber hinaus wird eine minimale Grundversorgung an professioneller Beratung in Niedersachsen sicherstellt. Dieses Angebot ist dabei befristet, da es gleichzeitig das Ziel verfolgt, die Beratungsangebote anderer Träger für die Probleme homosexueller Menschen zu sensibilisieren.

Obwohl im ursprünglichen Haushaltsentwurf zunächst keine Kürzungen vorgesehen wurden, schlagen nun die CDU/FDP-Regierungsfraktionen in ihrem Änderungsantrag eine Kürzung um 50 % vor.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Folgen wird die geplante Kürzung für die Strukturen ehrenamtlicher Arbeit im Bereich homosexueller Selbsthilfe haben?

2. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass in Niedersachsen weiterhin eine Qualifizierung ehrenamtlicher Arbeit zum Thema „Beratung und Aufklärung der Öffentlichkeit" stattfindet?

3. Welche Folgen ergeben sich aus dem Verlust ehrenamtlicher Arbeitsstrukturen schwuler Männer für die HIV-Prävention in Niedersachsen?

12. Abgeordneter Ralf Briese (GRÜNE) Langsamer als das Gesetz erlaubt? Verfahrensverzögerung bei Ingewahrsamnahme

Bei den CASTOR-Transporten im November 2003 kam es in den Sammelstellen für Ingewahrsamnahmen (GeSa) zu sehr langen Verfahrensdauern. Teilweise konnte man den Verdacht haben, die Polizei verschleppe die Verfahren bewusst, um die festgehaltenen Demonstranten nicht vor Einlagerung der CASTOR-Behälter im Zwischenlager Gorleben wieder auf freien Fuß setzen zu müssen. Die GeSa Neu Tramm war personell und strukturell auf ihre Aufgaben gut vorbereitet, um eine große Anzahl von festgesetzten Personen zügig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu bearbeiten. Es waren mehr als 500 Polizisten und eine Vielzahl von Verwaltungskräften am Ort.

Zudem hatte das Amtsgericht Dannenberg eine provisorische Außendienststelle in der GeSa eingerichtet, die personell ebenfalls gut besetzt war.

Das Grundgesetz schreibt in Artikel 104 bei freiheitsentziehenden Maßnahmen eine unverzügliche richterliche Anhörung vor. Die beteiligten Anwälte vor Ort kritisieren, dass von einem rechtsstaatlichen Vorgehen der Polizei keine Rede sein könne, da die richterliche Vorführung sehr lange hinausgezögert wurde. Teilweise mussten die festgesetzten Personen mehr als zehn Stunden auf ihre mündliche Anhörung warten, obwohl die Einsatzleitung im Vorfeld versichert hatte, dass alle festgehaltenen Personen zügig einem Richter vorgeführt werden würden. Die anwesenden Richter vor Ort waren über die sehr langsame Vorführung der Demonstranten durch die Polizei sichtlich ungehalten.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat sie über die Gründe der schleppenden Verfahrensabwicklung, obwohl die GeSa personell und organisatorisch gut ausgestattet war?

2. Wie lange darf nach ihrer Ansicht das schlichte Anlegen einer Personen- und Ermittlungsakte durch kompetente niedersächsische Beamte oder Angestellte höchstens dauern?