Widerspricht die Kormoranverordnung der Intention des neuen Waffenrechtes?

Seit dem 01.04.2003 gilt in der Bundesrepublik ein neues verschärftes Waffenrecht. Die Intention des neuen Gesetzes ist es, den Bestand an legalen Waffen einzugrenzen, stärker zu kontrollieren und höhere Auflagen in Bezug auf die sichere Unterbringung zu machen, da es in der Vergangenheit zu schweren Kapitalverbrechen durch legale Waffen gekommen ist. Der Gesetzgeber hat daher beabsichtigt, den Bestand von Waffen auf das geringste mögliche Maß zu begrenzen.

Der Intention, den Waffenbestand zu reduzieren, steht die neue Kormoranverordnung des Landes Niedersachsen entgegen.

Die Kormoranverordnung regelt in § 5 Abs. 1: „Inhaberinnen und Inhaber von Teichwirtschaftsbetrieben und deren Beauftragte sind abweichend von § 4 Abs. 1 auch dann zum Abschuss nach § 1 Abs. 1 berechtigt, wenn sie weder jagdausübungsberechtigt sind noch einen Jagdschein haben und sich der Kormoran auf oder über dem Betriebsgelände befindet. Sie müssen die waffenrechtlichen Voraussetzungen erfüllen; § 4 Abs. 2 gilt nicht."

Diese Regelung erlaubt „Nichtjägern" das Töten von Kormoranen mit Jagdwaffen auf ihren Betriebsgrundstücken. Jägern wird beim Erwerb des Jagdscheins ein umfassender Sachkundenachweis im Umgang mit Waffen abverlangt. Die Jagd muss zudem ethischen Ansprüchen genügen.

Tiere sind tierschutzgerecht zu töten, ihnen müssen unnötige Qualen durch nicht sachgerechten Gebrauch von Jagdwaffen erspart werden. Bei der Kormoranverordnung wird vom Grundsatz abgewichen, dass im Regelfall nur der Inhaber eines Jagdscheins ein - zudem noch naturschutzrechtlich geschütztes - Wildtier töten darf.

Unabhängig von der Beantwortung der Frage, ob der Abschuss von Kormoranen gerechtfertigt oder sinnvoll ist, liegt hier nicht nur ein ethisches Problem vor, wenn „Nichtjäger" ohne nachgewiesene Sachkunde Jagdwaffen benutzen dürfen, sondern es stellen sich auch Fragen der Auslegung des Waffenrechts, respektive, ob allein der Kormoranabschuss Erwerb und Gebrauch von Waffen rechtfertigt. Der Zugang zu und die Benutzung von Waffen unterliegen in Deutschland strengen Voraussetzungen und gesetzlichen Regelungen, um Missbrauch und Unfälle mit Waffen zu vermeiden.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Voraussetzungen für den Besitz von Waffen (Waffenbesitzkarte) und die persönliche Berechtigung zum Tragen und Benutzen der Waffen (Waffenschein) müssen Inhaberinnen und Inhaber von Teichwirtschaftsbetrieben und deren Beauftragte erfüllen, damit sie nach § 5 Abs. 1 der Kormoranverordnung zum Abschuss des Kormorans berechtigt sind?

2. Ist es ausreichend bzw. entspricht es § 8 des Waffengesetzes (WaffG), wenn Inhaberinnen und Inhaber von Teichwirtschaftsbetrieben und deren Beauftragte die Erforderlichkeit des Waffenbesitzes im Antrag auf einen Waffenschein allein mit der Notwendigkeit der „Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden" (§ 1 Abs. 1 Kormoranverordnung) begründen?

3. a) Nach welchen Kriterien beurteilt die zuständige Waffenbehörde generell in diesen Fällen die Erforderlichkeit einer waffenrechtlichen Erlaubnis, und unter welchen Bedingungen muss sie davon ausgehen, dass die Notwendigkeit der „Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden" gegeben ist?

b) Reicht dazu der Nachweis aus, dass Kormorane regelmäßig und in bestimmter Anzahl auf dem Gelände einer Teichwirtschaft bei der Nahrungssuche angetroffen werden?

c) Wie groß müsste die Anzahl der Vögel bei einer einzelnen Teichwirtschaft in Abhängigkeit von Teichfläche bzw. Fischbesatz sein, und wie regelmäßig müssten sie dort anzutreffen sein, um die Erforderlichkeit einer waffenrechtlichen Erlaubnis zur „Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden" im Einzelfall zu begründen?

d) Welche tatsächlich entstandenen fischereiwirtschaftlichen Schäden müssten im Einzelfall in welcher Form nachgewiesen werden, um eine waffenrechtliche Erlaubnis nach § 5 Abs. 1 Kormoranverordnung bzw. Waffengesetz zu begründen?

4. In welcher Weise und in welchen Abständen nach Erteilung der Ersterlaubnis haben die Inhaber von Teichwirtschaftsbetrieben nach Auffassung der Landesregierung gegenüber der Waffenbehörde nachzuweisen, ob die Notwendigkeit einer waffenrechtlichen Erlaubnis weiter besteht (§ 4 Abs. 4 WaffG), um erhebliche fischereiwirtschaftliche Schäden durch Kormorane durch Abschuss abzuwehren?

5. Wie wird sichergestellt, dass ein „Nichtjäger", der eine Waffe benutzt, über die notwendige Sachkenntnis (§ 7 WaffG) verfügt - die ein Jäger mit dem Erwerb des Jagdscheins nachgewiesen hat -, einen Kormoran tierschutzgerecht zu töten, und wie soll sichergestellt werden, dass er allein Jungvögel, die ganzjährig getötet werden dürfen, sicher von Altvögeln unterscheiden kann?

6. Welche Waffen und Munition sind im Sinne von § 8 Abs. 1 WaffG für den Abschuss des Kormorans geeignet und erforderlich?

7. Unter welchen Voraussetzungen dürfen auch Sportschützen im Auftrag eines Inhabers von Teichwirtschaftsbetrieben den Kormoranabschuss durchführen?

8. a) Durch welche Auflagen ist sicher zu stellen, dass die Allgemeinheit außerhalb von Teichwirtschaftsgeländen nicht gefährdet wird, wenn auf dem Gelände von Teichwirtschaften „Nichtjäger" auf Kormorane schießen?

b) Welche Abstände zu Wohnbebauung oder zu öffentlichen Wegen bzw. zu anderen sensiblen Nutzungen im Umfeld eines Teichwirtschaftsbetriebes müssen bei Schüssen auf Kormorane eingehalten werden, damit Außenstehende nicht durch Fehlschüsse gefährdet werden?

c) In welcher Weise sollen die abschussberechtigten Inhaber von Teichwirtschaften in dieser Hinsicht ihre Fachkunde und ihre Fähigkeit zu sachgerechtem Umgang mit Waffen nachweisen?

9. Welche besondere Situation in Niedersachsen macht es erforderlich, dass über die Regelung des § 4 Kormoranverordnung hinausgehend, und damit über den Personenkreis der ca. 59 000 Jagdscheininhaber in Niedersachsen hinaus, zusätzlich Inhaber von Teichwirtschaftsbetrieben oder deren Beauftragte, auch wenn sie weder jagdausübungsberechtigt sind noch einen Jagdschein haben, zum Abschuss von Kormoranen berechtigt sein sollen?

Die Kormoranverordnung steht den Bestimmungen und der Intention des neuen Waffengesetzes nicht entgegen. In § 5 der Kormoranverordnung wird geregelt, dass Inhaberinnen und Inhaber von Teichwirtschaftsbetrieben auf oder über ihrem Betriebsgelände Kormoranabschüsse auch dann durchführen dürfen, wenn sie nicht jagdberechtigt sind. Sie müssen jedoch die waffenrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Insgesamt wird der Zweck verfolgt, dass sich Inhaberinnen und Inhaber von Teichwirtschaftsbetrieben selbst und ohne zeitliche Verzögerungen gegen akute Schäden, die durch Kormorane verursacht werden, schützen können. Das Waffengesetz enthält keine speziellen Regelungen für den Abschuss von Kormoranen auf dem Gelände von Teichwirtschaftsbetrieben.

Waffenrechtlich ist es schon immer möglich gewesen, auch anderen Personen als Jägern oder Schützen eine waffenrechtliche Erlaubnis zu erteilen. Es steht insbesondere nicht zu erwarten, dass die hier angesprochenen Teichwirtschaftsbetreiber die ihnen eingeräumten Befugnisse missbrauchen werden.

Dieses vorausgeschickt, beantwortet ich namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1: Die Inhaberinnen und Inhaber von Teichwirtschaftsbetrieben müssen alle Voraussetzungen erfüllen, die sich generell, wie für alle anderen Bürgerinnen und Bürger auch, aus dem Waffenrecht ergeben. Hierzu zählen gem. § 4 Abs. 1 WaffG die Vollendung des 18. Lebensjahres, die erforderliche Zuverlässigkeit und persönliche Eignung, der Nachweis der erforderlichen Sachkunde und des Bedürfnisses, sowie bei Beantragung eines Waffenscheins oder einer Schießerlaubnis der Nachweis einer Versicherung gegen Haftpflicht in Höhe von einer Mio. Euro - pauschal für Personenund Sachschaden.

Zu 2: Ja. Nach § 8 Abs. 1 des neuen Waffengesetzes ist der Nachweis der Notwendigkeit des Waffenbesitzes vom Antragsteller u. a. dann erbracht, wenn gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung besonders anzuerkennende wirtschaftliche Interessen glaubhaft gemacht werden.

Zu 3: a) Gestützt auf die Kormoranverordnung kann die zuständige Waffenbehörde bei Anträgen, die von Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhabern von Teichwirtschaftsbetrieben gestellt werden, grundsätzlich davon ausgehen, dass die Notwendigkeit der Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden gegeben ist.

b) - d) entfällt. Siehe Antwort zu Frage 3 a.

Zu 4: Inhaberinnen und Inhaber von Teichwirtschaftsbetrieben haben die Voraussetzungen des Vorliegens ihres waffenrechtlichen Bedürfnisses in gleicher Weise wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger zu belegen. Aus diesem Grunde hätte die zuständige Waffenbehörde gem. § 4 Abs. 4 WaffG drei Jahre nach Erteilung der Ersterlaubnis das Fortbestehen des Bedürfnisses zu prüfen.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die zeitliche Geltungsdauer der Kormoranverordnung bis zum 15.10.2007 befristet ist.

Zu 5: Der Antragsteller hat gemäß § 7 des neuen Waffengesetzes seine Sachkunde nachzuweisen. Sowohl Jagdausübungsberechtigte als auch Nichtjagdausübungsberechtigte haben im Falle des Tötens von Tieren die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes zu beachten. Die einfarbig braun ge färbten Kormoranjungvögel können von jedermann sicher von Altkormoranen im Brutkleid unterschieden werden.

Zu 6: In der Kormoranverordnung ist geregelt, dass die Verwendung von Bleischrot für den Abschuss von Kormoranen nicht erlaubt ist. Deshalb kommen als Munition nur Stahlschrot sowie die technisch dafür geeigneten Waffen in Frage.

Zu 7: Auch die von Inhaberinnen und Inhabern eines Teichwirtschaftsbetriebes beauftragten Personen i.S.d. § 5 Abs. 1 der Kormoranverordnung haben gem. § 8 Abs. 1 WaffG den Nachweis eines Bedürfnisses zu erbringen. Siehe auch oben, Antwort zu Frage 2.

Zu 8: a) Inhaberinnen und Inhaber von Teichwirtschaftsbetrieben, die eine waffenrechtliche Erlaubnis besitzen, haben in eigener Verantwortung dafür zu sorgen, dass die Allgemeinheit außerhalb von Teichwirtschaftsgeländen im Zusammenhang mit dem Abschuss von Kormoranen nicht gefährdet wird.

b) Es muss ein ausreichender Abstand zu Wohnbebauungen, zu öffentlichen Wegen bzw. zu anderen sensiblen Nutzungen im Umfeld eines Teichwirtschaftsbetriebes eingehalten werden, damit Außenstehende nicht durch Fehlschüsse gefährdet werden.

c) Gem. § 7 Abs. 1 Waffengesetz ist die erforderliche Sachkunde durch Prüfung nachzuweisen.

Hierzu zählt u. a. auch die sichere Handhabung von Waffen und Munition einschließlich ausreichender Fertigkeiten im Schießen mit Schusswaffen.

Zu 9: Die in Niedersachsen festgestellten erheblichen Schäden in Teichwirtschaftsbetrieben haben es erforderlich gemacht, Inhaberinnen und Inhaber von Teichwirtschaftsbetrieben oder deren Beauftragte auf ihrem Betriebsgelände in die Lage zu versetzen, sich auch ohne die Hilfe von Jagdscheininhabern selbst und zeitlich flexibel gegen Kormoranschäden zu schützen.