Luxusplanung: Hat das Straßenbauamt Bad Gandersheim zu viel Geld?

Nachdem das Straßenbauamt Bad Gandersheim seine „Standards" durchgesetzt hatte, wurde der neue Radweg zwischen Benniehausen und Wöllmarshausen in der Gemeinde Gleichen doppelt so teuer wie geplant. Die kleine Brücke musste auf acht Tonnen ausgelegt werden, und auch für die Entwässerung wurde die teure Variante gewählt. Hintergrund der Forderung des Straßenbauamtes zur Auslegung der Brücke war offenbar das Gewicht des Streufahrzeuges für den Winterdienst.

Kostengünstige Alternativen für den Winterdienst, beispielsweise leichtere Fahrzeuge oder Dienstleistungen von örtlichen Landwirten, wurden offenbar nicht in die Überlegungen einbezogen.

Bei einem anderen Projekt des Straßenbauamtes in der Gemeinde Gleichen wird ebenfalls sehr kostenträchtig geplant. Bei der geplanten Anlage eines Gehweges in der Ortsdurchfahrt von Groß Lengden soll die Straße gleichzeitig „ordentlich" verbreitert werden. Obwohl das Dorf keine breite „Rennstrecke" als Ortsdurchfahrt wünscht, besteht das Straßenbauamt in weiten Teilen auf einer deutlichen Verbreiterung der Fahrbahn. Der zusätzlich notwendige Grunderwerb wird billigend in Kauf genommen, um die größere Straßenbreite durchzusetzen.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Dramatik der Haushaltssituation des Landes den Verantwortlichen im Straßenbauamt Bad Gandersheim noch nicht deutlich geworden ist. Während andernorts jeder Euro dreimal umgedreht wird, beruft sich das Straßenbauamt Bad Gandersheim auf überalterte Vorschriften und exekutiert überzogene Standards. Diese Form der Luxusplanung gehört in vielen anderen Bereichen längst der Vergangenheit an.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Vorschriften regeln die Bau- und Ausbaustandards von Radwegen?

2. Für welche Gewichte wurden Brücken im Zuge von Radwegen bislang ausgelegt?

3. Welche Möglichkeiten zur Kostenreduzierung im Bereich von Bau- und Ausbaustandards für Radwege sieht die Landesregierung?

4. Welche Vorschriften regeln die Bau- und Ausbaustandards von Landesstraßen?

5. Will die Landesregierung an diesen Standards festhalten oder sieht sie Möglichkeiten zur Flexibilisierung?

6. Welche Möglichkeiten zur Kostenreduzierung im Bereich von Bau- und Ausbaustandards für Landesstraßen sieht die Landesregierung?

Der bauliche Zustand der rund 8000 km niedersächsischen Landesstraßen wird alle fünf Jahre nach einheitlichen Kriterien erfasst. Die letzte Erhebung erfolgte im Jahr 2000. Danach haben - wie in den Jahren zuvor - 45 % aller Landesstraßen mittlere oder schwere Schäden. Dies bedeutet, dass das Straßenzustandsniveau mit den verfügbaren Haushaltsmitteln in den zurückliegenden Jahren zwar gehalten, jedoch nicht verbessert werden konnte.

Vor diesem Hintergrund besteht für „Luxusplanungen und -projekte" bzw. überzogene Standards im Zuge von Landesstraßen kein Raum.

Für die gesamte Straßenbauverwaltung ist es eine Daueraufgabe, alle Möglichkeiten zur Kosteneinsparung flexibel auszuloten. Dabei sind jedoch nicht nur die Herstellungskosten, sondern auch der jährliche Unterhaltungsaufwand, die Lebensdauer und auch Aspekte der Verkehrssicherheit von Bedeutung.

Die gegenwärtige Haushaltssituation des Landes zwingt in besonderem Maße dazu, die vorstehenden Aspekte in jedem Einzelfall sorgfältig abzuwägen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Bau- und Ausbaustandards von Radwegen sind in Niedersachsen u. a. im Rahmen folgender Vorschriften geregelt:

­ Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO 01)

­ Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 95)

­ Hinweise zum Radverkehr außerhalb städtischer Gebiete (H RaS 02)

Im Übrigen sind auch die Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil: Querschnitte (RAS-Q 96), die Empfehlungen für die Anlage von Hauptverkehrsstraßen (EAHV 93) und die Straßenverkehrsordnung (StVO) mit der dazugehörigen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (VwV-StVO) zu berücksichtigen.

Zu 2: Maßgebende Bauvorschriften für die Bemessung von Geh- und Radwegbrücken sind die im Frühjahr 2003 eingeführten, im Rahmen der europäischen Harmonisierung bundesweit gültigen DINFachberichte, die die bisher gültige DIN 1072 „Straßen- und Wegebrücken, Lastannahmen" ersetzen.

Danach sind Geh- und Radwegbrücken, sofern keine dauernden Absperrungen - z. B. Poller Fahrzeuge am Befahren der Brücke hindern, für ein Fahrzeug mit einem Gewicht von 120kN (12t) zu bemessen. In allen anderen Fällen sind Geh- und Radwegbrücken für eine Verkehrslast von 80kN (8t) zu bemessen. Diese Belastungswerte sind erforderlich, um den wirtschaftlichen Einsatz unterschiedlicher - auch externer - Betriebs- und Unterhaltungsfahrzeuge sowie von Polizei- und Rettungsdienstfahrzeugen zu ermöglichen.

Zu 3: Die Landesregierung hat in den vergangenen Jahren beim Bau von Radwegen an Landesstraßen, insbesondere beim Bau von Gemeinschaftsradwegen, versucht, Kosten durch verminderte Standards zu reduzieren. Dies hat sich jedoch nicht bewährt. Der Unterhaltungsaufwand wurde erheblich aufwändiger, die Lebensdauer verringerte sich deutlich, Erneuerungsmaßnahmen wurden wesentlich früher erforderlich.

Vor diesem Hintergrund ist die Straßenbauverwaltung wieder zu dem Mindestbefestigungsstandard der RStO 01 zurückgekehrt.

Zu 4: Die Bau- und Ausbaustandards von Landesstraßen sind in Niedersachsen u. a. im Rahmen folgender Vorschriften geregelt:

­ Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO 01).

­ Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil: Querschnitte (RAS-Q 96)

­ Empfehlungen für die Anlage von Hauptverkehrsstraßen (EAHV 93)

­ Straßenverkehrsordnung (StVO) und die dazugehörige Allgemeine Verwaltungsvorschrift (VwV-StVO)

Zu 5: Die vorstehend genannten Vorschriften, die unterschiedliche Standards für unterschiedliche verkehrliche Anforderungen und Situationen beinhalten, haben sich insgesamt bewährt.

Der Straßenbauverwaltung wurde bereits vor Jahren die Möglichkeit eingeräumt, die technischen Richtlinien - dort wo es möglich ist - flexibel, orts- und situationsangepasst zu handhaben. Dies gilt nach wie vor.

Zu 6: Auf die Vorbemerkungen wird verwiesen.