Schließung der Dollartschule Emden
In der Emder Zeitung vom 27. Januar 2004 und in der Ostfriesen-Zeitung vom 28. Januar 2004 erschien ein Inserat des Kollegiums der Dollartschule mit folgendem Text: „Das Kollegium der Dollartschule ist tief betroffen über die Entscheidung des Rates der Stadt Emden zur Umsetzung der Schulstrukturreform.
Danach wird unsere Schule in der jetzigen Form zerschlagen.
Eine Stimme hat den Ausschlag dafür gegeben,
dass dem Stadtteil Port Arthur/Transvaal ein breit gefächertes Schulangebot entzogen wird,
dass der Anteil unserer Schule an der positiven Entwicklung dieses Stadtteiles auf das Gröbste missachtet wird,
dass den Schülerinnen und Schülern in Zukunft deutlich längere Schulwege zugemutet werden und der Stadt dadurch unnötige Kosten entstehen,
dass das über mehrere Schülergenerationen gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen Kollegium und Elternschaft unseres Stadtteiles ohne Rücksicht auf das Wohl der Kinder abrupt beendet wird,
dass 44 Jahre anerkannt erfolgreiche pädagogische Arbeit nicht fortgesetzt werden kann,
dass die Schule mit dem größten Zulauf (nach der Realschule Emden und der Osterburgschule) im Bereich der Klassen sieben bis zehn mit ihrer erstklassigen Infrastruktur geschlossen wird.
Wir sehen mit größter Sorge der zukünftigen Entwicklung unseres Stadtteiles entgegen.
Wir leben in einer Demokratie. Ratsherren sind demokratisch gewählte Vertreter der Bürger und ihrem Gewissen unterworfen. Gleichwohl haben zu fällende Entscheidungen dem Gemeinwohl zu dienen und nicht eigenen Interessen.
Die Frage muss deshalb erlaubt sein, ob jemand frei und vorurteilslos eine für die Stadt so wichtige und weitreichende Entscheidung treffen kann, wenn er Ratsherr, zugleich Schulleiter einer betroffenen Schule und Vorsitzender des Schulausschusses ist und dieser Beschluss gegen die eigenen bildungspolitischen Grundsätze und die seiner Partei verstößt.
Jedem denkenden Menschen stellt sich die Frage, wie man aus einer solchen Interessenkollision mit gutem Gewissen herauskommen kann.
Denkbar wäre auch eine Stimmenthaltung gewesen!" Unterzeichnet war das Inserat mit 32 Namen von Lehrkräften der Schule.
Ich frage die Landesregierung:
1. Kann jemand frei und vorurteilslos eine für die Stadt so wichtige und weitreichende Entscheidung treffen, wenn er Ratsherr, zugleich Schulleiter einer betroffenen Schule und Vorsitzender des Schulausschusses ist?
2. Ist nach Auffassung der Landesregierung ein Ratsherr in Entscheidungen des Rates an die Beschlüsse seiner Partei gebunden?
3. Wie beurteilt die Landesregierung die Tatsache, dass in diesem Inserat ein Mitglied des Rates durch Nennung der Berufsbezeichnung und Funktion im Rat besonders hervorgehoben und kenntlich gemacht und so der Eindruck erweckt wird, die Stimme dieses Ratsmitgliedes habe irgendeine andere Wirkung gehabt als die der anderen an der Entscheidung beteiligten Ratsmitglieder?
4. Wie beurteilt sie ein solches Inserat und eine in diesem Zusammenhang stattgefundene Demonstration als Bekundung von Lehrkräften und Schulleitung einer Schule im Lichte des Mäßigungsgebotes des § 61 Abs. 3 Niedersächsisches Beamtengesetz?
Die Kleine Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1:
Das Gesetz (§ 35 a NGO) verbietet nicht, dass ein Schulleiter zugleich Mitglied des Rates und Vorsitzender des Schulausschusses ist. Das Gesetz geht davon aus, dass die Ratsmitglieder ihre Tätigkeit im Rahmen der Gesetze nach ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das Gemeinwohl geleiteten Überzeugung ausüben.
Zu 2: Wie in der Antwort zu Frage 1 bereits erwähnt, üben die Ratsfrauen und Ratsherren ihre Tätigkeit gemäß § 39 Abs. 1 der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) im Rahmen der Gesetze nach ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das Gemeinwohl geleiteten Überzeugung aus. Sie sind an Verpflichtungen, durch welche die Freiheit ihrer Entschließungen als Ratsmitglied beschränkt wird, nicht gebunden. Daraus folgt, dass das Ratsmitglied auch nach seiner Überzeugung entscheidet, ob es sich Mehrheitsbeschlüssen seiner Fraktion oder Partei anschließen will oder nicht (OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.03.1993, KommP N 1995 S. 124).
Zu 3: Dadurch, dass in dem Inserat ein Mitglied des Rates durch Nennung der Berufsbezeichnung und seiner Funktion im Rat besonders hervorgehoben wird, ist lediglich auf in der Öffentlichkeit allgemein bekannte Tatsachen hingewiesen worden.
Zu 4: Mit dem Inserat haben sich die Lehrkräfte der Dollartschule innerhalb der durch das Mäßigungsgebot des § 61 Abs. 3 Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) gezogenen Grenzen zulässigen Handelns bewegt. Die Bezirksregierung Weser-Ems - Außenstelle Osnabrück - ist daher bei der dienstrechtlichen Prüfung zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Verstoß gegen das Mäßigungsgebot nicht vorliegt und damit ein dienstrechtliches Einschreiten nicht erforderlich ist.
Gleichwohl hat sie den Schulleiter der Dollartschule durch Verfügung vom 05.02.2004 gebeten, in der nächsten Konferenz auf den Inhalt des Mäßigungsgebots nach § 61 Abs. 3 NBG hinzuweisen.