Zulässigkeit des Bürgerbegehrens

Ist die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt, so darf bis zur Durchführung des Bürgerentscheids eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung der Landkreisorgane nicht mehr getroffen oder mit dem Vollzug einer derartigen Entscheidung nicht mehr begonnen werden, es sei denn, zu diesem Zeitpunkt haben rechtliche Verpflichtungen des Landkreis hierzu bestanden.

Der Bürgerentscheid ist innerhalb von sechs Monaten nach der Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens durchzuführen; der Rat kann die Frist im Einvernehmen mit den vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens um höchstens drei Monate verlängern.

Die Kosten des Bürgerentscheids trägt der Landkreis. Stimmberechtigt sind die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises.

Die Möglichkeit der brieflichen Abstimmung ist zu gewährleisten.

Bei einem Bürgerentscheid ist die gestellte Frage in dem Sinne entschieden, in dem sie von der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen beantwortet wurde, sofern diese Mehrheit in Landkreisen bis zu 50 000 Einwohnern mindestens 20 v. H., bis zu 100 000 Einwohnern mindestens 15 v. H., mit mehr als 100 000 Einwohnern mindestens 10.v. H. der Stimmberechtigten beträgt.

Bei Stimmengleichheit gilt die Frage als mit Nein beantwortet.

Sollen an einem Tag mehrere Bürgerentscheide stattfinden, so hat der Kreistag eine Stichfrage für den Fall zu beschließen, dass die gleichzeitig zur Abstimmung gestellten Fragen in einer miteinander nicht zu vereinbarenden Weise beantwortet werden (Stichentscheid).

Es gilt dann diejenige Entscheidung, für die sich im Stichentscheid die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen ausspricht.

Bei Stimmengleichheit im Stichentscheid gilt der Bürgerentscheid, dessen Frage mit der höchsten Stimmenzahl mehrheitlich beantwortet worden ist.

(10)

Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Beschlusses des Landkreistages.

Der Bürgerentscheid kann innerhalb eines Jahres nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden, es sei denn, dass sich die dem Bürgerentscheid zugrunde liegende Sachoder Rechtslage wesentlich geändert hat.

(11)

Der Bürgerentscheid entfällt, wenn der Landkreistag die Durchführung der mit dem Bürgerbegehren verlangten Maßnahme beschließt.

Für einen Beschluss nach Satz 1 gilt die Bindungswirkung des Absatzes 10 Satz 2 entsprechend.

(12)

Die im Landkreistag und die von den vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens vertretenen Auffassungen zum Gegenstand des Bürgerentscheids dürfen in Veröffentlichungen und Veranstaltungen des Landkreis nur in gleichem Umfang dargestellt werden.

Zur Information der Bürgerinnen und Bürger werden von dem Landkreis den Beteiligten die gleichen Möglichkeiten wie bei der Wahl der Kreistagsabgeordneten eröffnet.

(13) Das Ergebnis des Bürgerentscheids ist in dem Landkreis in der ortsüblichen Weise bekannt zu machen."

6. Es wird der folgende Absatz 14 angefügt:

„(14) Die Landkreise können das Nähere durch Satzung regeln. Das Recht auf freies Unterschriftensammeln darf nicht eingeschränkt werden."

Begründung:

Bei der intensivierten Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den sie unmittelbar betreffenden Entscheidungsprozessen durch Elemente direkter Demokratie hat Niedersachsen auch auf der kommunalen Ebene noch immer erheblichen Nachholbedarf. Seit 1996 sind zwar auch in den Niedersächsischen Städten, Gemeinden und Landkreisen grundsätzlich Bürgerbegehren und Bürgerentscheide zugelassen. Die hierzu bestehenden Regelungen in § 22 b der Niedersächsischen Gemeindeordnung und § 17 b der Niedersächsischen Landkreisordnung sind aber gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Ausschlusstatbeständen und Verfahrenshürden, die bislang eine nennenswerte Praxis von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden verhinderten. Im Unterschied hierzu zeigen die entsprechenden Regelungen in Bayern ­ durchgesetzt mit einem Volksentscheid gegen die CSU ­dass es möglich ist, auf Ausschlusstatbestände etwa für Bauleitpläne oder Planfeststellungsverfahren und auf Verfahrenshürden wie ein Zustimmungsquorum von 25% (d.h. mindestens 25% der Abstimmungsberechtigten müssen für das Bürgerbegehren stimmen) zu verzichten. Diese bürgerfreundlichen Regelungen haben zu einem deutlichen Anstieg der direktdemokratischen Beteiligung der Bevölkerung an den kommunalpolitischen Entscheidungen in diesen Bundesländern geführt. Die meisten der dabei erfolgreichen Verfahren wären in Niedersachsen schon wegen ihrer Thematik als unzulässig verworfen worden oder an den hohen Verfahrenshürden gescheitert.

Teilweise sind die niedersächsischen Regelungen auch gesetzestechnisch verfehlt und deshalb zu korrigieren.

Das in diesen Ausschlusstatbeständen ausgedrückte Misstrauen in die Urteilskraft der Bürgerinnen und Bürger ist nicht gerechtfertigt. In Hessen, in Sachsen und in Bayern sind auch Bauleitpläne und Planfeststellungen bürgerentscheidsfähig und gerade diese Regelung hat erheblich dazu beigetragen, dass Bürgerinnen und Bürger aktiv werden und sich für kommunale Belange engagieren. Daran orientiert sich der Regelungsvorschlag.

Das Zustimmungsquorum von 25 Prozent der Abstimmungsberechtigten ist ein demokratischer Fremdkörper. Es wirkt wie eine „Aufforderung zum Weiterschlafen" und führt selbst in den Fällen, in denen sich eine deutliche Mehrheit der Abstimmenden für die Annahme des Bürgerentscheids ausspricht, häufig zu dessen Scheitern. Die Gegner des Begehrens sind oft bereits dadurch erfolgreich, dass sie sich der Diskussion verweigern oder zum Abstimmungsboykott aufrufen. Es fällt eben leichter, zu Hause zu bleiben, als das Abstimmungslokal aufzusuchen. Erst recht ist die Verhinderungswirkung des Zustimmungsquorums in größeren Städten und Landkreisen zu beobachten, weil die Fragestellung dann häufig nur einen Teil des Stadt- bzw. Kreisgebiets wirklich betrifft.

Mehrere niedersächsische Wahlergebnisse zu den Direktwahlen des hauptamtlichen Bürgermeisters belegen, dass für den hauptamtlichen Bürgermeister mitunter eine geringere Zustimmung in der Wahlbevölkerung erforderlich ist als für die Annahme eines Bürgerentscheids.

In Ländern mit langer demokratischer Tradition wie den USA und der Schweiz ist es völlig selbstverständlich, dass Wahlen und Abstimmungen an einem Tage erfolgen können. Es ist nicht ersichtlich, welche Missbrauchsmöglichkeiten sich aus dem Zusammenfallen von Kommunalwahl und Bürgerentscheid eröffnen sollen. Vielfach wird aus dem Verbot auch geschlossen, dass Bürgerentscheide nicht mit Landtags-, Bundestags- und Europawahlen zusammengelegt werden dürfen, obwohl hier eine Beeinflussung erst recht nicht zu erwarten ist. Eine Zusammenlegung von Wahlen und Abstimmungen kann zudem zu erheblichen Kosteneinsparungen und organisatorischen Erleichterungen führen.