Beamte

Zu 36:

Die Vorschrift des Absatzes 1 begründet für die Beamtinnen und Beamten einen - dem Disziplinarrecht ansonsten fremden - Anspruch auf Wiederaufgreifen des Disziplinarverfahrens. Gemäß Absatz 1 kann nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Disziplinarverfügung deren Aufhebung beantragt werden, wenn wegen desselben Sachverhalts unanfechtbar eine Entscheidung im Strafoder Bußgeldverfahren ergeht und die Voraussetzungen des § 15 erfüllt sind.

Soweit das einer Disziplinarverfügung zugrunde liegende Verhalten nachträglich durch ein Gericht oder eine Behörde geahndet wird und die Voraussetzungen des Doppelahndungsverbots nach § 15 Abs. 1 vorliegen, erfasst die Vorschrift den Regelungsgegenstand des bisherigen § 123 NDO, der für diese Fallgestaltung bislang ein eigenes Verfahren vorsieht. Aus Gründen der Verfahrensvereinheitlichung wird ihre verwaltungsmäßige und gerichtliche Abwicklung nunmehr in die vorhandenen Verfahrensabläufe integriert. Beamtinnen und Beamte können nach Absatz 1 einen Antrag auf Aufhebung der Disziplinarverfügung stellen, über den durch Bescheid zu entscheiden ist.

Gegen einen ablehnenden Bescheid kann Klage erhoben werden.

Im Hinblick auf § 15 Abs. 2 hat die Beamtin oder der Beamte weiterhin dann einen Anspruch auf nachträgliche Aufhebung der Disziplinarverfügung, wenn wegen des ihr zugrunde liegenden Sachverhalts im Straf- oder Bußgeldverfahren nachträglich rechtskräftig ein Freispruch erfolgt und ein disziplinarer Überhang nicht besteht. Auch in diesem - gesetzlich bislang nicht erfassten - Fall gebietet der Grundsatz der Gleichbehandlung, die Betroffenen so zu stellen, als wäre das Straf- oder Bußgeldverfahren zum Zeitpunkt des Eintritts der Unanfechtbarkeit der Disziplinarverfügung bereits abgeschlossen gewesen. Ist die Disziplinarmaßnahme nicht durch Disziplinarverfügung, sondern durch Urteil verhängt worden, erfolgt die Aufhebung gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 8 im Rahmen des gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens.

Absatz 2 sieht für die Antragstellung im Interesse der Beschleunigung eine Drei-Monats-Frist vor, die mit dem Tag beginnt, an dem die Beamtin oder der Beamte von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat.

Zu § 37:

Die Vorschrift regelt die Kostenentscheidung des behördlichen Disziplinarverfahrens. Die Niedersächsische Disziplinarordnung sieht in den §§ 111 bis 116 eine getrennte Entscheidung über die Kosten des Verfahrens einerseits und die zu erstattenden notwendigen Auslagen der Beamtin oder des Beamten andererseits vor. Diese Systematik, die sich folgerichtig aus der bisherigen engen Anlehnung des Disziplinarverfahrens an das Strafverfahren ergibt, soll im Zusammenhang mit der vorgesehenen weitgehenden Loslösung des Disziplinarrechts vom Strafprozessrecht aufgegeben werden. Die nunmehr vorgesehenen Kostenregelungen lehnen sich an die verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsprozessualen Kostenvorschriften an, soweit die Besonderheiten des Disziplinarrechts dies zulassen.

Nach Absatz 1 Satz 1 können der Beamtin oder dem Beamten, gegen die oder den eine Disziplinarmaßnahme ausgesprochen wird, regelmäßig die entstandenen Auslagen des Verfahrens auferlegt werden. Soweit der Fall des Absatzes 1 Satz 2 vorliegt, ist eine Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei können u. a. das Verhalten der Beamtin oder des Beamten bei den Ermittlungen, die Anzahl und Gewichtung der Dienstvergehen, die Höhe der aufgewendeten Kosten, das Ergebnis der Ermittlungen und ein eventuelles Absehen der Kostenerhebung für Ermittlungen, die zugunsten der Beamtin oder des Beamten ausgegangen sind, berücksichtigt werden.

Bei einer Einstellung des Verfahrens können der Beamtin oder dem Beamten die Auslagen nur unter den besonderen Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 2 auferlegt werden. Die Kostentragung bei Beendigung des Verfahrens nach § 32 Abs. 2 wird von der Regelung des Absatzes 1 erfasst.

Absatz 3 regelt die Kostentragung im Fall einer Entscheidung nach § 36 unter Verweisung auf die Regelungen der Absätze 1 und 2.

Nach Absatz 4 steht der Beamtin oder dem Beamten, sobald der Dienstherr die Auslagen des Verfahrens zu tragen hat, in Anlehnung an § 162 Abs. 1 VwGO ein unmittelbarer Aufwendungserstattungsanspruch zu. Infolge der nunmehr fehlenden Differenzierung zwischen nichtförmlichen und förmlichen Disziplinarverfahren erstreckt sich dieser Anspruch auf alle dem Grunde nach erstattungsfähigen Aufwendungen des behördlichen und gerichtlichen Disziplinarverfahrens. Hierdurch wird der bisherige, rechtspolitisch fragwürdige Zustand beseitigt, der eine Erstattung im nichtförmlichen Disziplinarverfahren nicht vorsieht. Die Entscheidung nach Absatz 1 Satz 2 ist hier zu berücksichtigen Absatz 5 stellt in Fortführung des bisherigen Rechts fest, dass das behördliche Disziplinarverfahren gebührenfrei ist.

Zu § 38:

Die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen stellen Verwaltungsentscheidungen dar, die durch die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Disziplinarbehörde im Rahmen des nunmehr einheitlichen behördlichen Disziplinarverfahrens getroffen werden. Das macht nicht nur der Wortlaut der Vorschrift deutlich, sondern auch der systematische Kontext zu den Vorschriften über das behördliche Disziplinarverfahren, in den diese Maßnahmen nunmehr gestellt sind.

Absatz 1 regelt die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine vorläufige Dienstenthebung. Diese setzt nach § 91 NDO bisher ein förmliches Disziplinarverfahren voraus, das es nach neuem Recht nicht mehr geben wird. Die Neuregelung berücksichtigt, dass sich die Voraussetzungen für einen so schwerwiegenden Eingriff nur aus einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Regelung ergeben können.

Die in Absatz 1 nunmehr genannten Tatbestandsvoraussetzungen umschreiben diejenigen Fallkonstellationen, in denen ein dienstliches Interesse an einer Suspendierung denkbar ist. Die bei Vorliegen dieser Voraussetzungen gebotene Würdigung der Belange des jeweiligen Einzelfalles ist im Rahmen der Ausübung des dem Dienstherrn eingeräumten Ermessens vorzunehmen.

Nach Absatz 1 Nr. 1 ist die vorläufige Dienstenthebung zunächst dann zulässig, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

Diese Voraussetzung ist anhand einer Prognose der im Hauptsacheverfahren zu erwartenden Entscheidung zu beurteilen und ermöglicht es im Übrigen, die vorläufige Dienstenthebung und die oftmals zeitgleich verhängte - Einbehaltung von Dienstbezügen (Absatz 2) unter eine einheitliche Voraussetzung zu stellen, denn die Einbehaltung der Dienstbezüge ist schon nach der bisherigen Regelung des § 92 Abs. 1 NDO unter der Voraussetzung zulässig, die nunmehr in Absatz 1 Satz 1 auch für die vorläufige Dienstenthebung gilt.

Absatz 1 Nr. 2 berücksichtigt die Besonderheiten der Beamtenverhältnisse auf Probe und auf Widerruf. Wie beim Bund ist eine vorläufige Dienstenthebung von Personen im Beamtenverhältnis auf Probe und auf Widerruf neben der Möglichkeit, ein Verbot der Amtsführung nach § 67 NBG auszusprechen, vorgesehen.

Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 lässt die vorläufige Dienstenthebung darüber hinaus im Interesse der Ordnung des Dienstbetriebes oder zur Gewährleistung der Ermittlungen zu. Der besondere Hinweis auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit macht deutlich, dass ein geringer gewichtiges Dienstvergehen, etwa ein solches, welches lediglich einen Verweis oder eine Geldbuße nach sich ziehen kann, die vorläufige Dienstenthebung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 nicht zu rechtfertigen vermag und nicht ohne Weiteres verwendet werden darf. Insofern ergibt sich gegenüber der bisherigen Rechtslage, welche die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens zur Voraussetzung erhebt, keine materielle Verschärfung.

Frühestmöglicher Zeitpunkt für die vorläufige Dienstenthebung ist die Einleitung des nunmehr einheitlichen Disziplinarverfahrens. Dass nur die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Disziplinarbehörde, welche an die Stelle der bisherigen Einleitungsbehörde tritt, die Maßnahme aussprechen kann, ist eine im Hinblick auf ihre Bedeutung notwendige Regelung.

Anstatt einer vorläufigen Dienstenthebung kann auch eine Abordnung - unter Umständen - zu einer nicht dem Amt entsprechenden Tätigkeit angezeigt sein. Rechtsgrundlage dazu ist § 31 Abs. 2 NBG. Dienstliche Gründe für eine Abordnung können auch Dienstvergehen sein. Auch Sommer/Konert/Sommer führen in dem Kommentar zum Niedersächsischen Beamtengesetzes, § 31, Rn. 3, aus, dass sich auch aus verhaltensbedingten Unzuträglichkeiten dienstliche Gründe für eine Abordnung ergeben können.

Die Absätze 2 und 3 regeln die Zulässigkeit der Einbehaltung der Dienstbezüge und des Ruhegehalts in Anlehnung an § 92 Abs. 1 und 3 NDO. Hinsichtlich der Höhe, bis zu der die Bezüge einbehalten werden können, ist zu beachten, dass auch die mit dem Vorwurf eines Dienstvergehens Konfrontierten ihren Alimentationsanspruch - zunächst - behalten, sie andererseits aber Einschnitte in die bisherige Lebensführung durchaus werden hinnehmen müssen. Bis zur endgültigen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder bis zur endgültigen Aberkennung des Ruhegehalts darf der Alimentationsanspruch im Kern allerdings nicht verletzt werden. Dies gebietet die Festlegung einer Höchstgrenze, bis zu der die Kürzung jeweils vorgenommen werden darf. Diese wird in Absatz 2 bei Beamtinnen oder Beamten auf die Hälfte der monatlichen Bezüge und in Absatz 3 bei Ruhestandsbeamtinnen und -beamten auf eine Kürzung um 30 vom Hundert des monatlichen Ruhegehalts festgesetzt. Damit verbleibt den von der Einbehaltung Betroffenen jedenfalls soviel, wie bei endgültiger Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder bei endgültiger Aberkennung des Ruhegehalts gemäß § 11 Abs. 3 oder § 13 Abs. 2 im Regelfall als Unterhaltsbeitrag zustehen würde.

Die notwendige Harmonisierung beider Regelungsmaterien ist dadurch hergestellt.

Nach Absatz 4 kann die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen wieder aufgehoben werden. Durch diese Regelung kommen die §§ 48 und 49 VwVfG nicht zur Anwendung, weil hier etwas anderes bestimmt ist. In dieser Vorschrift werden, anders als in den §§ 48 und 49 VwVfG, keine materiellen Anforderungen an die Aufhebung gestellt.

Zu § 39: Absatz 1 entspricht § 94 Satz 2 und § 93 Abs. 2 NDO, wobei aus Gründen der Klarstellung zusätzlich festgestellt wird, dass die Anordnungen mit ihrer Wirksamkeit zugleich vollziehbar sind.

Absatz 2 schreibt für die Dauer der vorläufigen Dienstenthebung ein Ruhen der im Zusammenhang mit dem Amt erwachsenen Ansprüche auf Aufwandsentschädigung zwingend vor.

Absatz 3 entspricht der Regelung des § 125 NDO, die aus systematischen Gründen in den Zusammenhang der sonstigen Rechtswirkungen der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen gestellt wird. Die Feststellung des Zeitpunkts verlangt ein Handeln der Beamtin oder des Beamten durch Anbieten der Dienstaufnahme. Der von der zuständigen Disziplinarbehörde festgestellte Zeitpunkt ist der Beamtin oder dem Beamten mitzuteilen.

Absatz 4 entspricht § 95 Abs. 4 NDO. Durch diese Regelung kommen die §§ 48 und 49 VwVfG nicht zur Anwendung, weil hier etwas anderes bestimmt ist. Anders als in den §§ 48 und 49 VwVfG werden hier keine materiellen Anforderungen gestellt.

Zu § 40:

Der Verfall von Bezügen, die auf der Grundlage des § 38 Abs. 2 und 3 einbehalten werden, ist in Absatz 1 entsprechend § 96 Abs. 1 NDO geregelt.

Absatz 2 regelt die Nachzahlung der einbehaltenen Bezüge in Anlehnung an § 96 Abs. 2 und 3

NDO. In Abweichung zu § 96 Abs. 3 NDO wird der zuständigen Behörde bei ihrer Entscheidung über die Anrechnung von Einkünften jedoch ein Ermessen eingeräumt, damit sie den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls, vor allem im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, ausreichend Rechnung tragen kann. Die Beamtin oder der Beamte hat dabei eine Auskunftspflicht.

Zu § 41:

Mit dieser und den nachfolgenden Bestimmungen werden die Aufgaben der Disziplinargerichtsbarkeit auf die Verwaltungsgerichte sowie auf das Oberverwaltungsgericht übertragen. Mit der geplanten Abwicklung der Disziplinarverfahren im Wesentlichen nach den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens- und des Verwaltungsprozessrechts wird eine derartige Übertragung jedenfalls unabweislich.

Zahlreiche Einzelregelungen gewährleisten, dass auch das gerichtliche Disziplinarverfahren in jedem Stadium beschleunigt durchgeführt und ein Missbrauch von Rechtsmitteln verhindert wird.