Gerichtsvollzieher werden als Beamte des mittleren Dienstes nach den Besoldungsgruppen A 8
Gerichtsvollzieher werden als Beamte des mittleren Dienstes nach den Besoldungsgruppen A 8, A 9 oder A 9 mit Amtszulage besoldet. Sie nehmen insoweit an der allgemeinen Einkommensentwicklung der Beamten des Landes Niedersachsen teil.
Daneben erhalten die Gerichtsvollzieher eine Vollstreckungsvergütung als so genannte Anspornvergütung und eine Bürokostenentschädigung zur Abgeltung ihrer Bürokosten.
Zu 4: In den meisten Bundesländern ist es üblich, nur Justizbeamtinnen und -beamte zur Gerichtsvollzieherausbildung zuzulassen. Niedersachsen hat demgegenüber mit der neuen Fortbildungs- und Prüfungsordnung für die Fortbildung zum Gerichtsvollzieherdienst vom 02.07.2002 (Nds. Rpfl. S. 226) den Berufsweg auch für verwaltungsexterne Personen geöffnet, um die Basis für die Rekrutierung geeigneten Nachwuchses zu verbreitern. Danach ist der Abschluss der mittleren Justizdienstprüfung oder der Justizfachangestelltenprüfung nicht mehr alleinige Zugangsmöglichkeit.
Vielmehr können nun auch Bewerberinnen und Bewerber zugelassen werden, die eine sonstige dem Gerichtsvollzieherdienst förderliche abgeschlossene Berufsausbildung, insbesondere im juristischen oder kaufmännischen Bereich, absolviert haben. Mehr als die Hälfte der seitdem zur Fortbildung zugelassenen Bewerberinnen und Bewerber sind Personen mit einer derartigen justizexternen Berufsausbildung. Aus dem gerade abgeschlossenen Fortbildungsdurchgang 2002 haben alle externen Mitglieder die Prüfung bestanden. Da durch die Öffnung der Gerichtsvollzieherlaufbahn die Gewinnung qualifizierten Nachwuchses gesichert ist, sind gegenwärtig weitere Maßnahmen der Landesregierung zur Nachwuchsgewinnung nicht erforderlich.
Zu 5: Zentraler verfassungsrechtlicher Maßstab für die Zulässigkeit der Übertragung der den Gerichtsvollziehern obliegenden Aufgaben auf freiberuflich tätige Private im Wege der Beleihung ist der in Artikel 33 Abs. 4 GG enthaltene Funktionsvorbehalt zugunsten des Berufsbeamtentums. Danach ist die Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Berufsbeamten zu übertragen. Sinn und Zweck dieser Verfassungsnorm ist, eine zuverlässige, neutrale, kontrollierbare und loyale Erfüllung hoheitlicher Aufgaben (durch Berufsbeamte) sicherzustellen. Die Aufgaben des Gerichtsvollziehers sind von erheblicher Grundrechtsrelevanz, da sie zu einem wesentlichen Teil von Befehl, Zwang und der Befugnis zur Gewaltanwendung gekennzeichnet sind. Hauptsächlich deshalb ist die Landesregierung in Übereinstimmung mit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu der Einschätzung gelangt, dass eine vollständige Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens ohne Verfassungsänderung mit einem hohen verfassungsrechtlichen Risiko verbunden ist. Ohne eine Änderung der Verfassung, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat erfordert, wird die Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens sich also wohl nicht realisieren lassen.
Eine Teilprivatisierung des Gerichtsvollzieherdienstes hält die Landesregierung für einen verfassungsrechtlich zulässigen Weg.
Dem Funktionsvorbehalt des Artikel 33 Abs. 4 GG würde genüge getan, wenn lediglich die nicht grundrechtsrelevanten Tätigkeiten auf beliehene Private übertragen würden. Die gegenwärtigen Aufgaben des Gerichtsvollziehers ließen sich dabei wie folgt aufteilen:
Von den gegenwärtigen Aufgaben der Gerichtsvollzieher verbleiben die von Befehl und Zwang sowie der Befugnis zur Gewaltanwendung gekennzeichneten Tätigkeiten, die traditionell dem Gerichtsvollzieher zugewiesen sind, in der Hand von Beamten.
Beliehene übernehmen dagegen neben den landesrechtlich zugewiesenen Aufgaben (u. a. Aufnahme von Wechsel- und Scheckprotesten, Freiwillige Versteigerungen) die Zustellungen (§ 168 Abs. 2, § 192 ZPO) sowie die Sachaufklärung in Gestalt der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung (§ 899 ff. ZPO).
Eine solche Trennung zwischen Vollstreckungsaufgaben, die von Beamten wahrgenommen werden, und solchen Aufgaben, die Beliehenen übertragen sind, würde allerdings zu erheblichen Verwerfungen im Vollstreckungsrecht führen, die eine sachgerechte Erledigung der anfallenden Aufgaben insgesamt in Frage stellten.
Zu 6: Auf einfachgesetzlicher Ebene steht § 154 GVG einer Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens (Aufgabenübertragung auf beliehene Private) entgegen, weil diese Norm gegenwärtig festschreibt, dass Gerichtsvollzieher Beamte sind.
Neben den vorstehend aufgeführten Einnahmen und Ausgaben haben die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher im Jahr 2003 außerdem Wegegelder in Höhe von 3 810 977 Euro und sonstige Auslagen in Höhe von 8 514 996 Euro eingezogen, die ihnen als Ersatz für ihre Aufwendungen überlassen bleiben.
Zu 8: Die Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben zu Nr. 7 ergibt, dass das Gerichtsvollzieherwesen für das Land Niedersachsen derzeit ein erhebliches jährliches Defizit verursacht. Durch eine Privatisierung könnte dieses Defizit deutlich reduziert werden. Der Umfang der Einsparung hängt von einer Vielzahl von Indikatoren ab wie z. B. den zu treffenden Übergangsregelungen (insbesondere zur Alterssicherung), der künftigen Ausgestaltung der Dienst- und Fachaufsicht, dem vorzusehenden Umfang der Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder der künftigen Erledigung von Vollstreckungsaufträgen nach der Justizbeitreibungsordnung, so dass konkrete Angaben derzeit noch nicht möglich sind.
Zu 9: Die Privatisierung soll keine Auswirkungen auf den Gläubiger- und Schuldnerschutz haben.
Zu 10: Die Gerichtsvollzieher wären zwar keine Beamte mehr, würden aber aufgrund ihrer Beleihung in einem öffentlich-rechtlichen Treueverhältnis zum Staat stehen. Nach gegenwärtigem Stand der Diskussion würden die Amtsbefugnisse und das Berufsrecht der Gerichtsvollzieher in Anlehnung an das Recht der Nur-Notare ausgestaltet. Sie würden ähnlich den Notaren (vgl. § 92 ff. BNotO) der Aufsicht und der Disziplinargewalt der Justizverwaltung unterstellt. Die bisherige bewährte Aufsichtsstruktur bliebe erhalten. Nach Auffassung der Landesregierung ist eine enge staatliche Kontrolle beliehener Gerichtsvollzieher durch eine entsprechend ausgestaltete Aufsicht sowohl vom Rechtsstaatsprinzip als auch vom Demokratieprinzip des Grundgesetzes gefordert. Darüber hinaus stehen dem Gläubiger und dem Schuldner die verfahrensrechtlichen Rechtsbehelfe zur Verfügung.
Zu 11: In welchem Umfang sich das Kostenrecht und die Gebühren bei der Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens verändern würden, ist gegenwärtig noch nicht geklärt. Hierzu bleibt das für den Spätsommer dieses Jahres angekündigte Ergebnis der Erörterungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe abzuwarten. Erste grobe Überlegungen sind in der Antwort zu Frage 12 dargestellt.
Zu 12: Die Landesregierung teilt die Einschätzung, dass eine Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens durch Übertragung der Gerichtsvollzieheraufgaben auf beliehene Private, die sich allein über die Gebühreneinnahmen finanzieren, mit einer Anhebung der Gerichtsvollziehergebühren verbunden sein wird. Eine Gebührenrechtsänderung erscheint aber ohnehin geboten. Derzeit subventioniert der Staat die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher in hohem Maße. Diese Subventionierung könnte abgebaut werden, indem die Gebühren stärker an den tatsächlich entstehenden Aufwand angepasst werden. Nach ersten Überlegungen wäre bereits viel gewonnen, wenn nur zwei Gebühren angemessen erhöht würden: diejenige für die Abnahme von eidesstattlichen Versicherungen sowie jene für die Vornahme von Pfändungen. Beide Gebühren betragen derzeit nur 20 bzw. 30 Euro, obwohl der Gerichtsvollzieher häufig mehrere Stunden Arbeit investieren muss. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass die Kosten der Zwangsvollstreckung nur bei dem anfallen, der sie verursacht hat: dem Schuldner. Dies könnte durch eine neue erfolgsbezogene Gebühr sichergestellt werden, die nur anfällt, wenn und soweit der Schuldner bezahlen kann. Ist die Vollstreckung erfolglos, fällt die Gebühr nicht an. Treibt der Gerichtsvollzieher dagegen Geld bei, sollen ihm davon 5 % zustehen. Auf diese Weise könnte zugleich ein wesentlich neuer Leistungsanreiz geschaffen werden, der die Effizienz der Zwangsvollstreckung weiter verbessert. Durch diese Maßnahmen könnte der Einnahmebedarf eines beliehenen Gerichtsvollziehers nach ersten Schätzungen schon zum großen Teil gedeckt werden. Ergänzend ist zu überlegen, dem beliehenen Gerichtsvollzieher neben seiner hoheitlichen Tätigkeit nicht hoheitliche Tätigkeiten zu eröffnen, deren Überschüsse mit zur Sicherstellung seiner erforderlichen Einnahmen beitragen könnten.
Zu 13: Als in Betracht kommende neue Aufgaben für einen beliehenen Gerichtsvollzieher werden insbesondere die Forderungsvollstreckung, ein vom Deutschen Gerichtsvollzieher Bund (DGVB) konzipiertes Abwendungsverfahren (ähnlich der „Rechnungspräsentation" in Frankreich und den Benelux-Staaten; Vermittlerrolle des Gerichtsvollziehers zwischen Gläubiger und Schuldner schon im Vorfeld gerichtlicher Auseinandersetzung als Wahlmöglichkeit für den Gläubiger), freiwillige Versteigerungen und Tatsachenfeststellungen erörtert. Auch insoweit bleiben jedoch die Ergebnisse der Arbeitsgruppe abzuwarten.
Zu 14: Eine fundierte Einschätzung dahingehend, dass sich durch eine Aufgabenübertragung auf beliehene Gerichtsvollzieher die Erfolgsquote bei Zwangsvollstreckungen erhöhen würde, ist derzeit mangels gesicherter Erkenntnisse nicht möglich. Allerdings ließe ein privatisiertes Gerichtsvollzieherwesen stärkere Leistungsanreize für die Gerichtsvollzieher zu, als dies in den engen Grenzen des Beamtenrechts möglich ist. Die zu erwartende größere Effizienz eines privatisierten Gerichtsvollzieherwesens und eine - wie in der Antwort zu Frage 12 dargestellte - neue erfolgsbezogene Gebühr könnten zu einer höheren Erfolgsquote führen.
Zu 15: Anders als der Gerichtsvollzieher im Beamtenverhältnis müsste sich der beliehene Gerichtsvollzieher selbst eine eigene Altersvorsorge aufbauen. In Betracht kommt in erster Linie eine individuelle private Altersversicherung. Zu überlegen ist aber auch, Kostenvorteile durch den Abschluss von Gruppenversicherungen über Gerichtsvollzieherkammern oder den Aufbau eines berufsständischen Versorgungswerks zu erreichen. Was dies für die derzeit tätigen Gerichtsvollzieher in Niedersachsen im Einzelnen bedeutet, ist noch ungeklärt. Es handelt sich um eine von vielen Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem Übergang vom bestehenden System zu einem Beleihungssystem stellen werden. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe wird sich damit erst näher befassen, wenn sie ein überzeugendes Reformmodell „Beleihung" einschließlich seiner Finanzierung entwickelt hat.
Zu 16: Die Ausgestaltung der Berufsausbildung hängt von den konkreten Aufgaben ab, die dem Berufsbild des Gerichtsvollziehers zukommen. Da derzeit noch nicht absehbar ist, ob und ggf. welche Aufgaben dem Gerichtsvollzieherdienst zusätzlich übertragen werden, lassen sich auch noch keine konkreten Angaben machen, wie die Ausbildung zukünftig gestaltet werden soll. Sicher erscheint insoweit nur, dass die Ausbildung wie bisher aus theoretischen und praktischen Elementen bestehen muss. Bei einer Privatisierung des Berufsbildes liegt es nahe, die Durchführung der Ausbildung ebenfalls zu privatisieren; zwingend ist dies jedoch nicht. Zu den anfallenden Kosten können derzeit keine Prognosen abgegeben werden, da diese von Faktoren abhängig sind, die noch nicht hinreichend bestimmt sind.
Elisabeth Heister-Neumann (Ausgegeben am 07.07.2004)