Die PUK (Patriotische Union Kurdistan) in der neu gebildeten irakischen Regierung - vom Niedersächsischen Landesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft?

Das Niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz hat im Zuge von Einbürgerungsverfahren für Mitglieder der PUK Sicherheitsbedenken wie folgt begründet: „Die Patriotische Union Kurdistans (PUK) war ursprünglich linksextremistisch ausgerichtet. Seit 1976 führt die PUK einen bewaffneten Kampf gegen das irakische Regime. Seit Anfang der 90erJahre beherrscht die PUK zusammen mit der Demokratischen Partei Kurdistans und anderen Parteien zwei Drittel der kurdischen Gebiete im Irak.

In Deutschland wurde die PUK 1975 in Westberlin gegründet und hat heute ca. 300 Mitglieder. Besonders in der Vergangenheit war immer wieder zu beobachten, dass die im Gebiet des Nordirak zwischen den unterschiedlichen Organisationen ausgetragenen Konflikte zum Teil auch Folgewirkungen in Deutschland hatten. So war es am 9. April 1988 in Bonn im Verlaufe einer Demonstration gegen den Einsatz chemischer Waffen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern von PUK und der Polizei gekommen, als der Demonstrationszug vom vorgeschriebenen Weg abweichen und zur irakischen Botschaft ziehen wollte. Anlässlich des dritten Jahrestages des Giftgasangriffes auf die nordirakische Stadt Halabja am 16. März 1991 besetzten nach Polizeimeldungen 14 Kurden die irakische Botschaft in Bonn. In der Folgezeit kam es zwischen den irakischkurdischen Organisationen PUK und DPK/I und der damaligen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu wechselnden Allianzen und Konfrontationen in den kurdischen Gebieten des Nordirak, die sich auch auf deren Aktivitäten in Deutschland auswirkten. So war es 1997 zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Anhängern der zu dieser Zeit verfeindeten PUK und DPK/I in Nürnberg gekommen, bei der sich die Beteiligten mit Messern zum Teil schwer verletzten.

Auch wenn die PUK im aktuellen Irak-Konflikt als Ansprechpartner akzeptiert wird, kann jederzeit damit gerechnet werden, dass die PUK erneut zu militanten Mitteln greifen wird, sofern die Machtverhältnisse infrage gestellt werden sollten."

Ich frage die Landesregierung:

1. Teilt die Landesregierung die im Vorspann zitierte Auffassung des Niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz? Wenn ja, warum wird dann die an der neuen Regierung des Irak beteiligte PUK im Verfassungsschutzbericht 2003 des niedersächsischen Innenministeriums nicht als extremistisch eingestuft? Wenn nein, wird die Landesregierung dann sofort darauf dringen, dass derartige Stellungnahmen zukünftig unterbleiben und die bereits in Einzelfällen schriftlich geäußerten Sicherheitsbedenken im Rahmen von Einbürgerungsverfahren umgehend zurückgenommen werden?

2. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung derzeit zur KDP (Kurdische Demokratische Partei), wie stuft sie diese ein?

3. Ist der Landesregierung entgangen, dass beide Kurdischen Parteien aktiv an der Befreiung des diktatorisch regierten Irak mitgewirkt haben und in der neuen irakischen Regierung eine bedeutende Rolle im Demokratisierungsprozess des Irak spielen?

4. Wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die Behauptung des Niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz, wonach „jederzeit damit gerechnet werden" kann, „dass die PUK erneut zu militanten Mitteln greifen wird, sofern die Machtverhältnisse infrage gestellt werden sollten"?

5. Stellt das niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz diese Behauptung auch für die KDP auf? Wenn ja, mit welcher Begründung?

6. An welche Machtverhältnisse, die infrage gestellt werden könnten, hat das Landesamt für Verfassungsschutz gedacht?

Die Kleine Anfrage bezieht sich auf ein schwebendes Einbürgerungsverfahren, das sich noch im innerbehördlichen Abstimmungsprozess befindet. Im Interesse des Einbürgerungsbewerbers werden in der Antwort auf die Kleine Anfrage keine Einzelheiten genannt, die einen Rückschluss auf die Person des Bewerbers ermöglichen würden.

Die in der Kleinen Anfrage wiedergegebenen Passagen zur PUK aus einem Schreiben des Landesamtes für Verfassungsschutz (NLfV) sind korrekt zitiert. Sie beschreiben die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als ursprünglich linksextremistisch bewertete Ausrichtung der PUK im bewaffneten Kampf gegen das frühere irakische Regime sowie die auch in Deutschland gezeigte Gewaltbereitschaft, auch im Verhältnis zur irakisch-kurdischen Organisation Demokratische Partei Kurdistan (DPK/I).

Mit dieser bis dahin auch gewalttätigen Politik der PUK im Irak identifizierten sich bis zum Beginn des Irak-Krieges die in Deutschland aktiven Untergliederungen der PUK. Bei der Bewertung der PUK wurde davon ausgegangen, dass insbesondere die Funktionäre der PUK-Organisationen in Deutschland die politische Ausrichtung ihrer Mutterorganisation teilten und aktiv durch Propaganda und Spenden unterstützten.

Der Einbürgerungsbewerber war Funktionär der PUK und teilte die damalige Zielsetzung dieser Organisation. Dies begründete zunächst Zweifel an seinem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

Dass die Zweifel begründenden Erkenntnisse zeitlich zurückliegen, führt nicht kurzfristig zur Unbedenklichkeit. Der Bewerber muss vielmehr persönlich die innere Abkehr von den früheren extremistischen Bestrebungen der Organisation glaubhaft darlegen und aktiv bestätigen. Hierzu hat er sich noch nicht erklärt.

Frühere Aktivitäten eines Einbürgerungsbewerbers für eine extremistische Organisation schließen eine Einbürgerung nicht für alle Zeit aus. Auch ohne eine aktive Betätigung in demokratischen Strukturen sind ursprüngliche Bedenken gegen eine Einbürgerung zurückzustellen, wenn nach angemessenem Zeitablauf keine Fortsetzungsaktivitäten in den früheren extremistischen Zusammenhängen mehr festzustellen sind. Die Dauer dieses Zeitraumes orientiert sich am Einzelfall.

Die Einbindung der PUK in den demokratischen Neuordnungsprozess im Irak ist bekannt und wurde auch in der zitierten Textpassage des NLfV erwähnt. Die Regierungsbildung im Irak (und die Beteiligung daran) wird von der Landesregierung begrüßt und, ebenso wie eine friedliche und demokratische Entwicklung im Irak insgesamt, unterstützt. Dass die Beteiligten an diesem Prozess trotz unterschiedlicher politischer Herkunft bei einem weiteren positiven Verlauf einen demokratischen Wandlungsprozess durchlaufen werden, wird unterstellt. Dies würde sich nach aller Voraussicht auch in der PUK in Deutschland widerspiegeln. Einbürgerungsbewerber mit PUKZugehörigkeit werden dann keine Bedenken auslösen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Die Landesregierung teilt die Auffassung des NLfV. Die PUK ist im Verfassungsschutzbericht 2003 nicht benannt, weil der Bericht nur die bedeutenden extremistischen Organisationen benennen kann, zu denen die PUK nicht zählt.

Zu 2: Für die Kurdische-Demokratische Partei (KDP) gelten die Ausführungen zur PUK sinngemäß.

Zu 3: Die Rolle der kurdischen Parteien im Demokratisierungsprozess des Irak ist der Landesregierung bekannt. Diese Rolle wird bei der Bewertung der Organisationen durch die Verfassungsschutzbehörden auch berücksichtigt.

Zu 4: Die Landesregierung geht davon aus, dass der politische Neuordnungsprozess im Irak unter Beteiligung aller in der Übergangsregierung beteiligten Parteien langfristig erfolgreich verläuft und damit für die beteiligten Parteien Gewalt als Mittel der Politik obsolet werden wird.

Zu 5: Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen.

Zu 6: Die Passage bezieht sich auf die Herstellung einer friedlichen und demokratischen Herrschaftsordnung im Irak.