Umgang mit Baggergut in Niedersachsen

Aufgrund von Unterhaltungsbaggerungen der Seewasserstraßen und der Bundeswasserstraßen in den Flussästuaren fallen im Bereich der deutschen Nordsee jährlich ca. 40 Mio. m

Sand und Schlick als Baggergut an. Über 90 % des Baggergutes werden entweder umgelagert (im Abgrenzungsbereich der Wasserstraßen belassen) oder verklappt und damit in dem Gewässer abgelagert.

Etwa 3 Mio. m werden an Land verbracht. Für diese Maßnahmen muss der Bund als für die Unterhaltung von Bundeswasserstraßen Zuständiger jährlich Haushaltsmittel in Höhe von ca. 68 Mio. Euro aufwenden (Angaben der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest für das Jahr 2002). Hinzu kommen Mengen und Kosten für Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen von Häfen und Hafenzufahrten, die vom Land oder den Kommunen durchzuführen sind.

Die weit überwiegend wasserseitige Unterbringung des Baggergutes entspricht der von der Bundesrepublik ratifizierten „Oslo-Paris-Konvention" (OSPAR) für den Nordostatlantik und der innerhalb dieses Abkommens bestehenden Baggergutrichtlinie, dessen Grundgedanke es ist, gebaggerte Sedimente umweltverträglich im Gewässersystem zu belassen. Innerhalb des niedersächsischen Hoheitsgebietes wird die weit überwiegende Menge des verklappten/umgelagerten Baggergutes in die Bereiche des Ems- und Weserästuars und des äußeren Jadebusen verbracht. Weitere Klappstellen befinden sich nahe der Nordseeinseln (zitiert in: Die Küstenfischerei in Niedersachsen

- Stand und Perspektiven, cofad, März 2004). Das an Land verbrachte Baggergut unterliegt in der Regel dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, das eine Deponierung erst dann zulässt, wenn eine Verwertung (z. B. in der Landwirtschaft oder für technische Bauwerke) nicht möglich ist.

Vor allem im Bereich der Häfen und der Flussästuare ist das Baggergut in zum Teil erheblichem Umfang mit Schadstoffen belastet. Ein wesentliches Problem ist die Belastung des Sedimentes mit Tributylzinn (TBT), das bei Altschiffen noch bis 2008 als Anstrich verwendet werden darf.

Umfassende und einheitliche Regelungen zu Schadstoffbelastungen des Baggergutes bestehen bisher nicht: Für den Zuständigkeitsbereich des Bundes hat die Bundesanstalt für Gewässerkunde in ihrer „Handlungsanweisung für den Umgang mit Baggergut im Küstenbereich" (HABAK) u. a. Richtwerte für die Kontamination des Baggergutes mit einigen ökotoxischen Stoffen (mit Ausnahme des TBT) definiert. Unterhalb des Richtwertes R1, der die bestehende Hintergrundbelastung definieren soll, ist gemäß dieser Handlungsanweisung eine Umlagerung/Verklappung uneingeschränkt möglich. Unterhalb eines weiteren Richtwertes R2 wird die Umlagerung/Verklappung im Einzelfall für möglich gehalten. Diese Handlungsanweisung gilt definitionsgemäß nicht für Baggergut außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Bundes. Für TBT hat der Bund-Länder-Arbeitskreis Baggergut Küste (BLABAK) im Jahr 2001 ein hinsichtlich der Richtwertdefinitionen (R1, R2) analoges TBTKonzept erarbeitet.

Signifikante Einflüsse der Einbringung von Baggergut auf die Fischfauna werden von der Bundesanstalt für Gewässerkunde im Wesentlichen negiert. Im Gutachten „Die Küstenfischerei in Niedersachsen - Stand und Perspektiven" (cofad 2004) werden diese Aussagen jedoch mit Hinweis auf erhebliche methodische und quantitative Untersuchungsmängel und auf gegenteilige Erfahrungsberichte von Fischern erheblich in Zweifel gezogen.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Welche Baggergutmengen sind im Zuständigkeitsbereich des Landes und der niedersächsischen Kommunen (Häfen, Hafenzufahrten) seit 1994 jährlich angefallen?

2. Wie hoch sind die vom Land und von den Kommunen für Ausbau- und Unterhaltungsbaggerungen von Häfen und Hafenzufahrten seit 1994 jährlich zu tragenden Gesamtkosten (incl.

Verklappung und Deponierung)?

3. Wie groß ist die Menge des außerhalb der Zuständigkeit des Bundes an Land verbrachten Baggergutes (in absoluten Zahlen und in Angaben v. H.)?

4. Welcher Anteil dieses an Land verbrachten Baggergutes wird gemäß Definition des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes verwertet, welcher Anteil wird deponiert?

5. In welcher Weise und wo findet eine Verwertung des außerhalb der Zuständigkeit des Bundes anfallenden Baggergutes statt? Wie und wo wird solches Baggergut deponiert?

6. Wie hoch sind die noch vorhandenen genehmigten Deponiekapazitäten für Baggergut in Niedersachsen (für Baggergut aus Bundeswasserstraßen und für Baggergut aus Häfen und Hafenzufahrten)?

7. Wird in Niedersachsen Baggergut deponiert, das nicht aus niedersächsischen Wasserstraßen, Häfen und Hafenzufahrten entnommen wurde? Wenn ja, in welcher Menge?

8. Gibt es in Niedersachsen eine Regelung für Baggergut aus Häfen und Hafenzufahrten in Analogie zur HABAK, bzw. wird die HABAK auch in diesem Bereich angewandt?

9. Welcher Anteil des außerhalb der Zuständigkeit des Bundes anfallenden Baggergutes wird wasserseitig abgelagert (in absoluten Zahlen und in Angaben v. H)?

10. Wird in niedersächsischen Gewässern Baggergut abgelagert, das den Richtwert 2 der HABAK bzw. des TBT-Konzeptes überschreitet? Wenn ja, wo und in welchen Mengen?

11. Wird in niedersächsischen Gewässern Baggergut abgelagert, das den Richtwert 1 der HABAK bzw. des TBT-Konzepts überschreitet? Wenn ja, wo und in welchen Mengen?

12. Hält die Landesregierung den Richtwert 2 der HABAK und des TBT-Konzepts insbesondere hinsichtlich der summarischen Wirkung verschiedener Stoffe für ausreichend, um eine dauerhaft umweltgerechte Ablagerung innerhalb des Gewässers zu gewährleisten und zu verantworten?

13. Welche über das Küstenfischerei-Gutachten (cofad 2004) hinausgehenden Erkenntnisse zum Einfluss der Umlagerung/Verklappung von Baggergut auf die Fischfauna liegen der Landesregierung vor?

14. Liegen der Landeregierung Erkenntnisse vor, wonach die wasserseitige Ablagerung von Baggergut ursächlich für Verschlickungen, z. B. von Prielen und Hafenzufahrten, ist?

15. Besteht nach Auffassung der Landesregierung weiterer Untersuchungsbedarf zur Klärung der Einflüsse von Baggergutverklappungen auf die Fischerei und mögliche Verschlickungen?

Wenn ja, wie und bis wann beabsichtigt die Landesregierung eine Klärung offener Fragen herbeizuführen?

Seit es im Wattemeer Häfen und Fahrwasser gibt, wird ihrer Verlandung mit Baggerungen und Umlagerungen entgegengewirkt. Zur Aufrechterhaltung des Schiffsverkehrs ist deshalb die Baggerung von Sedimenten unumgänglich, insbesondere in den Häfen und Hafenzufahrten. Ziel der Lan desregierung ist es, dass dabei der Sedimenthaushalt des Wattenmeeres nicht durch übermäßige Entnahmen und Umlagerungen gestört wird.

Zu 4: Nur ein geringer Anteil von 70 000 m³, und damit weniger als 0,3 % der Gesamtmenge, wird zu gegebener Zeit nach den Vorgaben des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes verwertet. Eine Deponierung findet nicht statt.

Zu 5: Das Baggergut wird an Land in Spülfeldern untergebracht und später unter anderem für Hafenbau-, Deichbau- sowie für Strandsicherungsmaßnahmen sowie auf landwirtschaftlich genutzten Flächen und für die Herstellung von Industrieflächen verwendet.

Zu 6: Genehmigte Deponiekapazitäten stehen in Niedersachsen nicht zur Verfügung.

Zu 7: Nein.

Zu 8: In Niedersachsen wird entsprechend dem vom Bund-Länder-Arbeitskreis „Baggergut-Küste" (BLABAK) erarbeiteten Entwurf einer Empfehlung (Stand 1997) verfahren. Mit hinzugezogen wird die Handlungsanweisung für den Umgang mit Baggergut im Küstenbereich (HABAK-WSV) in ihrer jeweils gültigen Fassung.

Neben den im BLABAK-Entwurf zur Untersuchung vorgesehenen Stoffen werden je nach Kenntnisstand zur Schadstoffbelastung im jeweiligen Baggergutentnahme- und Ablagerungsraum fallweise diverse weitere Schadstoffe hinsichtlich ihrer Konzentration im Baggergut und ggf. Ablagerungsraum untersucht. Ziel ist, einen nach Auffassung der Genehmigungs- und beratenden Fachbehörde möglichst vollständigen Überblick über die Belastungsmatrix des Baggerguts zu erhalten.

Zu 9: In den Jahren 1994 bis 2003 wurden insgesamt rund 19 Mio. m³ wasserseitig eingebracht. Dieses entspricht ca. 76 % der aufgenommenen Baggergutmenge.

Zu 10: Nein.

Zu 11: Ja, insgesamt wurden in den Jahren 1994 bis 2003 rund 19 Mio. m³ Baggergut nach Erlaubniserteilung an den genehmigten Stellen im Bereich Ems, Jade und Weser eingebracht.

Zu 12.

Ja, insbesondere unter der Berücksichtigung, dass für die Verklappung von Baggergut mit TBTGehalten oberhalb 100 JNJ LP QLHGHUVächsischen Wattenmeer zurzeit keine Erlaubnis erteilt wird.

Zu 13: Keine.

Zu 14: Nein.

Zu 15: Angesichts der Zielsetzung, die Verklappung von Baggergut soweit wie möglich zu vermeiden, wird ein aktueller Untersuchungsbedarf nicht gesehen. In der Praxis kommt es nach Auffassung der Landesregierung darauf an, beim Baggergutmanagement auch die Interessen der Fischerei in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen.

Bei konkreten Planungen wird die Fragestellung in der Regel im Rahmen von gutachterlichen Untersuchungen mit behandelt.