Bundestagung des Arbeitskreises christlicher Publizisten (ACP) am 17.11.2004 in Bad Gandersheim

Die Bundestagung des ACPs fand am 17.11.2004 in Bad Gandersheim im Glaubenszentrum statt.

In einem Grußwort zu dieser Tagung stellte der Niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff u. a. fest: „Wir sind heute stärker denn je angewiesen auf Menschen mit Herzensbildung und gesundem Menschenverstand, auf Menschen, die sich an den christlichen Grundwerten ausrichten und für das allgemeine Wohl stark machen. Ich freue mich, dass der Arbeitskreis Christlicher Publizisten als Tagungsort die altehrwürdige Stadt der Heiligen Roswitha gewählt hat"

Im Lexikon des Rechtsextremismus wird zum ACP ausgeführt: „Die Mitglieder des Arbeitskreises Christlicher Publizisten e. V. kommen überwiegend aus dem freikirchlich-evangelikalen Spektrum.

Es ist ein Zusammenschluss von rechtsklerikalen Aktivisten innerhalb und außerhalb der Unionsparteien, dem auch Mitglieder von ultrarechten Parteien angehören. Nach der Beurteilung durch die „Evangelische Zentrale für Weltanschauungsfragen" (EZW) ist der Verein eine „Splittergruppe" am Rande des Evangelikalismus. Ziel der ACP ist es, „biblische Denk- und Handlungsweisen" in die Öffentlichkeit zu tragen. Der Verein gibt einen regelmäßig erscheinenden Informationsdienst heraus, in dem Vertreter ultrarechter bis rechtsextremer Parteien und Organisationen zu Wort kommen, so z. B. 1998 der Bundesvorsitzende der Republikaner, Rolf Schlierer, als Interviewpartner.

Enge Kontakte unterhielt der ACP zum Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis (VPM), einer von rechtsaußen politisierenden Psycho-Sekte, sowie zum Arbeitskreis Demokratiereform, welcher dem Umfeld der Deutschland-Bewegung von Alfred Mechtersheimer zuzurechnen ist.

Mitglieder bzw. Funktionäre des Vereins sind u. a. anderem Mathias von Gersdorf, der den Sexualkundeunterricht an Schulen abschaffen möchte, die Professoren Konrad Löw und Lothar Bossie sowie Otto von Habsburg (Paneuropa-Union). Zum Kreis der Mitglieder zählte auch der ehemalige Kommandant des Kriegsverbrechergefängnisses Spandau, Eugene Bird. Bird bewegte sich seit Jahren in stamm-rechten Kreisen und behauptete, Rudolf Heß sei ermordet worden."

In der Zeitschrift DER REPUBLIKANER 11-12/03 stellt der Vorsitzende des ACPs, Heinz Matthias, in einem Interview u. a. fest: „Tatsache ist: Die Republikaner trennen sich konsequent von jedem Rechtsradikalen. Das weiß man, will es aber nicht wahrhaben, um weiter ein falsches Bild hochhalten zu können. Im Übrigen haben zwei hochrangige Generäle, mit denen ich gesprochen habe, dem Vorsitzenden der Republikaner Rolf Schlierer hohe charakterliche Fähigkeiten bescheinigt." „Lasse ich dagegen einen Vertreter der Republikaner zu Wort kommen, einer Partei, die anerkanntermaßen gegen Rechtsradikalismus ist, dann scheint die Welt unterzugehen, und man will mich durch den Dreck ziehen."

Zur Debatte um den ehemaligen CDU Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann stellte der ACPVorsitzende u. a. fest: „Ich halte es für in höchstem Maße ungerechtfertigt, was derzeit mit Martin Hohmann gemacht wird. Der Hintergrund ist genau genommen immer derselbe - ob man nun die Kampagne vor zwanzig Jahren gegen General Kießling betrachtet, der übrigens Mitglied unseres Arbeitskreises ist, oder den Eklat um die Rede Philipp Jenningers im Bundestag, oder eben Hohmann. Unsere Medien sind Weltmeister nicht im Finden, sondern im Erfinden von Skandalen. Davon leben Sie, und dafür wird dann die Wahrheit geprügelt."

Aus den Internetseiten des Bundesverbandes Sektenberatung e.V. Bonn: „Zunächst hat der ACP die Grass-Sekte promoted. Zeitweilig war sein Blatt voll von Fotos und angeblichen Aussagen der Politprominenz. Damals galt er noch als Sprachrohr des vermeintlichen Wählerpotentials der christlichen Fundamentalisten, insbesondere von pfingstlerischen Gruppierungen. Allerdings distanzierten sich die Evangelikalen. Seither spart Matthias nicht gerade mit Verleumdungen insbesondere gegen Sektenbeauftragte der Kirchen, aber auch gegen Journalisten". Anlässlich der Bundestagung am 02./03.02.2002 in Kassel-Baunatal wurde ein geplanter Empfang der Stadt, anders als in Bad Gandersheim, kurzfristig wieder abgesagt.

Dies vorausgeschickt, frage ich die Landesregierung:

1. Welche christlichen Grundwerte vertritt der ACP nach Auffassung der Landesregierung?

2. Teilt die Landesregierung diese christlichen Grundwerte des ACPs, bzw. welche davon abweichenden Grundwerte vertritt die Landesregierung?

3. Wie beurteilt sie die eingangs zitierten Aussagen

a) im Lexikon des Rechtsextremismus,

b) in der Zeitschrift DER REPUBLIKANER vom Vorsitzenden Heinz Matthias,

c) vom Bundesverband der Sektenberatung e.V. Bonn?

Der Vorsitzende des Arbeitskreises Christlicher Publizisten e. V. (ACP), Herr Heinz Matthias, hatte Herrn Ministerpräsidenten Wulff mit Schreiben vom August 2004 gebeten, anlässlich der Bundestagung des ACP am 17.11.2004 in Bad Gandersheim die Schirmherrschaft zu übernehmen oder eine schriftliche Grußbotschaft zu übersenden. Nachdem der Ministerpräsident die Übernahme der Schirmherrschaft abgelehnt hatte, bat Herr Matthias mit Schreiben vom 30.09.2004 um eine schriftliche Grußbotschaft. Diesem Wunsch wurde entsprochen und im November 2004 Herrn Matthias ein Grußwort übersandt.

Der Ministerpräsident befindet sich damit in der Gesellschaft von zahlreichen Vertretern der Öffentlichkeit, die dem ACP zu verschiedenen Anlässen ebenfalls Grußbotschaften haben zukommen lassen. Genannt seien hier der Hessische Ministerpräsident Koch sowie der damalige Ministerpräsident des Landes Brandenburg und heutige Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe. Papst Johannes Paul II. hat dem Vorsitzenden und den anderen Mitgliedern des ACP eine Generalaudienz gewährt. Vor diesem Hintergrund bestand kein Anlass, an der Seriosität des ACP zu zweifeln.

Tagungen, die auch Besucher aus anderen Teilen der Bundesrepublik nach Niedersachsen führen, werden von der Niedersächsischen Landesregierung grundsätzlich gern gesehen, zumal wenn sie in strukturschwachen Gebieten wie Bad Gandersheim stattfinden. Daher gab es keinen erkennbaren Anlass, ein schriftliches Grußwort als allgemeinen Willkommensgruß an die Tagungsgäste des ACP in Niedersachsen zu verweigern.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Landesregierung sah ohne entsprechende Anhaltspunkte keine Veranlassung, vor der Übernahme eines Grußwortes eine Prüfung einzuleiten, inwieweit einzelne Mitglieder eines Vereins Auffassungen vertreten, die ggf. teilweise den Zielen dieser Vereinigung entgegenstehen. Es erschien auch unangebracht, eine Vereinigung christlich-konservativer Prägung, bei der für eine Ver anstaltung in Niedersachsen die Übernahme einer Schirmherrschaft abgelehnt worden war, vor der Übersendung eines freundlichen Grußwortes auf Nuancen ihrer christlichen Prägung zu untersuchen.

Im Übrigen ist es nicht Aufgabe der Landesregierung und widerspräche der Verpflichtung aus Artikel 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs.1 WRV zu religiös-weltanschaulicher Neutralität, die von einer privaten Vereinigung formulierten religiösen Grundwerte und Zielsetzungen im Detail zu bewerten.

Zu 2: Entfällt.

Zu 3: Die Bewertung, ob eine Organisation extremistisch ist oder entsprechende tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen über diese Organisation vorliegen, ist die gesetzliche Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder.

Der ACP ist weder Prüffall noch Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden des Bundes oder eines der Länder.

Zu 3 a: Das im Internet eingestellte Lexikon des Rechtsextremismus (IGDR) basiert auf einem sehr viel weiter gefassten Extremismusbegriff als ihn die Verfassungsschutzbehörden auf der Grundlage ihres gesetzlichen Auftrags verwenden.

Dem Beitrag im IGDR über den ACP liegen inzwischen veraltete Berichte aus dem Informationsdienst „blick nach rechts" (Nr. 4/98 und Nr. 20/96) und den „Antifaschistischen Nachrichten" zugrunde. Die „Antifaschistischen Nachrichten" sind wegen linksextremistischer Bestrebungen Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden.

Das ebenfalls als Quelle genannte von Jens Mecklenburg herausgegebene Handbuch Deutscher Rechtsextremismus enthält keinen Textbeitrag über den ACP. Es erwähnt die Organisation nur zweimal an nachgeordneter Stelle.

Im Gegensatz zu Würdigungen auf rudimentärer Quellenbasis ist der Verfassungsschutz gesetzlich verpflichtet, eine Organisation im Rahmen einer Gesamtbewertung nach gesetzlich festgelegten Maßstäben zu beurteilen.

Zu 3 b: Aus dem zitierten Interview lässt sich eine Identifikation mit rechtsextremistischen Positionen seitens des ACP nicht erkennen. Die im Interview geäußerten politischen Positionen, die von der Landesregierung in allen wesentlichen Punkten nicht geteilt werden, dürften eher einem nationalkonservativen Denken entsprechen. Dafür spricht auch, dass das Interview mit folgender, in dem Zitat in der Kleinen Anfrage nicht wiedergegebener eindeutiger Klarstellung gegenüber dem Neonazismus beginnt: "Am 9. November 1938 stand ich in Hannover vor der brennenden Synagoge. Mein Onkel saß zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Jahre im KZ Sachsenhausen ein. Ich habe also doppelten Grund, hellhörig zu sein beim Thema Nationalsozialismus."

Zu 3 c: Es ist nicht die Aufgabe der Landesregierung, Bewertungen über die Einschätzung der Sektenberatung abzugeben.